Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
sind«, erklärte sie. »Also seht euch um. Man kann hier ziemlich lange herumlaufen, ohne alles zu sehen.«
»Wir haben noch Zeit, oder?«, fragte der kleine Fürst. »Dann könnten wir doch …«
Bevor die Baronin ihre Bedenken äußern konnte, tat es Alexa. »Hier verirrt man sich leicht, Chris – und ich kann euch keinen Plan in die Hand geben, der euch bei der Orientierung hilft. Zwar ist alles gut ausgeschildert, aber man braucht trotzdem eine gewisse Zeit, bis man sich zurechtfindet. Lasst uns lieber zusammenbleiben, ja? Oder zumindest in Sichtweite.«
Christian und Anna fügten sich, da sie Alexas Argumente nachvollziehen konnten. Es war sicherlich nicht einfach, sich hier wiederzufinden, wenn man sich erst einmal verloren hatte.
»Das Flugzeug ist auch schon gelandet«, stellte Alexa in diesem Augenblick fest.
»Woher weißt du das denn?«, fragte Anna verwundert.
»Da, auf der großen Anzeigetafel, siehst du? Vorne steht die Flugnummer und die Fluggesellschaft, dann der Abflugort – und hinten stehen Informationen zur Landung. Tinas Flugzeug kommt aus Libreville in Gabun.« Alexa nannte die Flugnummer, und nun sahen es auch Anna und Christian, dass am Ende der Zeile ›gelandet‹ stand.
»Und wozu sind die Monitore da, die hier überall herumstehen?«
»Auf der Anzeigetafel haben ja nicht so viele Flüge Platz, aber auf den Monitoren kannst auch Flüge aufrufen, die erst für den Nachmittag erwartet werden – da steht dann vielleicht jetzt schon, ob mit Verspätungen zu rechnen ist.«
Sie entdeckten noch weitere interessante Dinge, und so verging die Zeit wie im Flug. Plötzlich rief die Baronin: »Da kommen die ersten – das muss Tinas Maschine sein.«
Sie reckten die Hälse. Afrikaner waren zu sehen, in weiten bunten Gewändern; etliche weiße Geschäftsleute in grauen Anzügen, ein paar Touristen. Nirgends jedoch konnten sie eine zarte blonde Frau entdecken.
Der jungen Mutter, die sich liebevoll über einen Zwillingskinderwagen beugte und mit ihren Babys redete, schenkten sie keine Beachtung, bis sie direkt vor ihnen stand und mit einem Lächeln sagte: »Na so was, das ist ja ein richtig großer Bahnhof für mich und meine Kinder!«
Alexa gab einen kleinen Krächzlaut von sich, während sie nach unten blickte. Auch die Baronin, Anna und Christian äugten neugierig in den Kinderwagen. Ihnen sahen zwei schokoladenbraune Gesichter entgegen, rund und niedlich anzusehen, mit reizenden, fast schwarzen Kulleraugen und dichtem schwarzem Kraushaar.
Eins der Kinder sagte freundlich: »Dadada.«
»Das ist Miriam«, erklärte Bettina. »Ihr Bruder heißt Paul.«
Das andere Kind warf mit vergnügtem Quietschen eine Plastikente auf den Boden. Christian bückte sich hastig danach – er war froh, etwas tun zu können.
Anna war die Erste, die sich von ihrem Schrecken erholte. »Mensch, Tina!«, sagte sie. »Wir hatten ja keine Ahnung, dass du in Afrika zwei Kinder gekriegt hast.«
»Sollte eine Überraschung sein«, erklärte Bettina.
»Die ist dir gelungen«, brachte Alexa mit erstickter Stimme heraus.
Bettina ließ den Griff des Kinderwagens endlich los und umarmte sie. »Hallo, Mama«, sagte sie liebevoll und küsste sie. »Ich freue mich, wieder in Deutschland zu sein.«
Alexa brach in Tränen aus.
*
»Wie bitte?«, fragte Baron Friedrich verblüfft. »Sag das noch einmal, Sofia.«
»Tina ist mit schwarzen Zwillingen hier angekommen, Fritz. Die Kinder sind ein Jahr alt, und Tinas Eltern hatten keine Ahnung!«
»Sind es denn ihre Kinder?«, erkundigte sich Friedrich.
»Ja, das hat sie gesagt, gleich zur Begrüßung. Du kannst dir vorstellen, in welchem Zustand Alexa ist. Die Fahrt vom Flughafen hierher war ein wenig schwierig. Anna und Christian haben die Situation gerettet – sie haben mit Tina geredet und mit den Zwillingen geschäkert, als wäre alles ganz normal. Ich glaube, Alexa steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch.«
»Wo seid ihr jetzt?«
»Na, bei Rabenfels’, in der Frankfurter Villa. Tina hat gesagt, sie braucht ein bisschen Zeit, bevor wir zurückfahren können. Sie hat sich gleich mit den Zwillingen zurückgezogen – die beiden rochen ein wenig streng. Ich nehme an, sie mussten neu gewickelt werden. Und gefüttert werden müssen sie sicher auch noch. Alexa hat schon zwei doppelte Gläser Kognak getrunken.«
»Wie gut, dass du bei ihr bist«, stellte der Baron fest.
»Ehrlich gesagt: Das habe ich auch gedacht. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, Fritz, dass sich unsere Rückkehr verzögern wird.«
»Warum bleibt ihr nicht bis morgen?«, fragte er. »Vielleicht würde das helfen, die Situation zu entspannen. Es gäbe Tina und Alexa die Zeit, sich auszusprechen, bevor sie nach Hause kommen.«
»Du hättest nichts dagegen?«, fragte Sofia zweifelnd.
»Es wäre mir lieber, euch heute schon wieder hier zu haben, aber zur Not halte ich es noch bis morgen aus«, versicherte der Baron. »Besprich das mit den anderen und sag mir dann, wie ihr entschieden habt.«
Diese Entscheidung fiel blitzschnell.
Alexa atmete förmlich auf bei dem Gedanken, noch einen Aufschub zu bekommen, bis sie lauter neugierigen Freunden und Bekannten erklären musste, dass sie und Henning seit einem Jahr Großeltern waren, ohne es geahnt zu haben – von dem Gespräch mit ihrem Mann ganz zu schweigen.
Bettina war ebenfalls nicht dagegen, da sie fand, dass die Zwillinge ein wenig Ruhe gut gebrauchen konnten nach dem langen Flug, und Anna und Christian schließlich freuten sich auf einen weiteren Tag in Frankfurt, den sie in der Gesellschaft von Bettina und den Zwillingen verbringen würden.
Als die Baronin ihren Mann erneut anrief, um ihm die Entscheidung mitzuteilen, fragte er: »Und wer ist nun eigentlich der Vater der Zwillinge?«
»Gute Frage«, erwiderte die Baronin. »Aber ich kann dir leider keine Antwort geben, denn darüber schweigt Bettina sich aus. Und sie hat offenbar auch nicht die Absicht, dieses Geheimnis aufzuklären.«
»Das gibt Gerede«, vermutete Friedrich.
»Mehr als das, Fritz. Das gibt einen Skandal!«
*
Sie erregten überall Aufsehen. Wohin sie auch kamen mit den Zwillingen: Die Leute blieben stehen. Der Ausruf, den sie am häufigsten hörten, war: »Wie süß, guck doch mal!«
»Irgendwann nervt einen das«, maulte Anna nach einer Weile. »Und dass sie Miriam und Paul dann auch noch alle anfassen wollen – also, ich finde das unmöglich.«
»Entspann dich, Anna«, riet Bettina gelassen. »Besser, sie finden die Kinder süß, als dass sie ihnen Schimpfwörter nachrufen.«
»Schimpfwörter? Wieso das denn?«, fragte Anna.
»Weil sie schwarz sind und angeblich nicht hierher passen.«
Sie waren noch einmal in die Innenstadt gefahren. »Ich zeige euch den Palmengarten«, hatte Bettina gesagt. »Oder wart ihr da schon?«
»Nee, aber ein Garten? Wir haben doch zu Hause unseren Park …«
»Der Palmengarten ist anders, ihr werdet schon sehen. Und hinterher gehen wir in den Zoo.«
Sie stellten bald fest, dass Bettinas Vorschläge genau richtig gewesen waren. Im Palmengarten gingen sie mit großen Augen durch die Gewächshäuser. »Wie im Dschungel!«, rief Anna. »Jedenfalls stelle ich mir den Dschungel so vor!«
»Ist auch gar nicht so falsch, Anna.«
Sie picknickten auf einer Wiese am Rand eines Teichs. Die Zwillinge waren bester Laune und genossen die frische Luft ganz offensichtlich ebenso wie die Erwachsenen. Später, im Zoo,