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Schopenhauer. Kuno FischerЧитать онлайн книгу.

Schopenhauer - Kuno  Fischer


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schmerzlich aufseufzen: ›ich trete die Kelter allein‹.« »Nach so langer Zeit, so vielem Schreiben auch nicht einmal Ihre Meinung, Ihr Urteil zu erfahren, nichts, gar nichts als ein zögerndes Lob und ein leises Versagen des Beifalls ohne Angabe von Gegengründen: das war mehr als ich fürchten, weniger als ich je hoffen konnte. Indessen bleibe es ferne von mir, gegen Sie mir auch nur in Gedanken einen Vorwurf zu erlauben. Denn Sie haben der gesamten Menschheit, der lebenden und kommenden, so Vieles und Großes geleistet, dass alle und jeder, an dieser allgemeinen Schuld der Menschheit an Sie, mit als Schuldner begriffen sind, daher kein Einzelner in irgendeiner Art je einen Anspruch an Sie zu machen hat. Aber wahrlich, um mich bei solcher Gelegenheit in solcher Gesinnung zu finden, musste man Goethe oder Kant sein: kein anderer von denen, die mit mir zugleich die Sonne sahen.«

      In Goethes »Tag- und Jahresheften« lesen wir unter dem Jahre 1816: »Dr. Schopenhauer trat als wohlwollender Freund an meine Seite. Wir verhandelten manches übereinstimmend miteinander, doch ließ sich zuletzt eine gewisse Scheidung nicht vermeiden, wie wenn zwei Freunde, die bisher miteinander gegangen, sich die Hand geben, der eine jedoch nach Norden, der andere nach Süden will, da sie denn sehr schnell einander aus dem Gesichte kommen.« Unmittelbar vorher hatte Goethe der Schrift eines Gegners gedacht mit der sehr beherzigenswerten Bemerkung: »Professor Pfaff sandte mir sein Werk gegen die Farbenlehre nach einer den Deutschen angeborenen Zudringlichkeit.«

      Als er Schopenhauer drei Jahre später (den 19. und 20. August 1819) zum letzten Mal sah, bemerkte Goethe in den Annalen: »Ein Besuch Dr. Schopenhauers, eines meist verkannten, aber auch schwer zu kennenden verdienstvollen jungen Mannes, regte mich auf und gedieh zur wechselseitigen Belehrung«.

      Schopenhauer pflegte sein System gern mit einem Kristall zu vergleichen, der strahlenförmig zusammenschießt, sogar mit der hunderttorigen Thebe, deren Eingänge sämtlich auf einen und denselben Mittelpunkt hinweisen. Gewisse Anschauungen, die sonst weit voneinander abstehen, hatten sich in ihm zu Grundüberzeugungen befestigt und allmählich ohne Künstelei dergestalt in seinem Kopfe vereinigt, dass sie zu seiner eigenen Überraschung aus einem einzigen Grundgedanken hervorgingen. So entwickelte sich eine Gedankenkette, »die nie zuvor in eines Menschen Kopf gekommen war«. Schon im Jahre 1813 hatte er das Gefühl, dass er den Embryo eines völlig originellen Systems in sich trage.

      1. Zwei Grundüberzeugungen hatte er den Göttinger Anregungen gemäß aus seinen akademischen Studien gewonnen: die erste stammte aus Kant, die andere aus Plato. Er hatte die kantischen Hauptschriften gründlich gelesen und sich angeeignet, insbesondere die Vernunftkritik, die er aber noch nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern nur in der zweiten Auflage kannte, worin sich der Text fünfzig Jahre hindurch (1787 – 1838) fortgepflanzt hat. Nachdem er dieses Buch durchdrungen, war ihm zumute wie dem Blinden nach einer gelungenen Staroperation. Seitdem stand ihm unwiderruflich fest, dass unsere Sinnenwelt durchaus nichts anderes als Erscheinung oder Vorstellung, dass sie durchaus phänomenal oder ideal sei. Diese Überzeugung nannte er seine kantische oder »idealistische Grundansicht«. Das Thema derselben ist »die Welt als Vorstellung«.

      Unsere Sinnenwelt ist ein Produkt aus zwei Faktoren: ihr Stoff besteht in unseren Sinneseindrücken oder Empfindungen und ist daher »sensual«, ihre Ordnung in Zeit, Raum und Kausalität, welche die Formen unseres Intellekts sind, dieser aber ist die Funktion des Gehirns, also »zerebral«. Diese beiden Bestandteile der Sinnenwelt erkannt und geschieden, Stoff und Form derselben (Empfindung und Anschauung) zum ersten Mal richtig gesondert zu haben, ist eines der unsterblichen Verdienste Kants, denn vor ihm hat es keiner vermocht.

      2. Da nun die abstrakten oder allgemeinen Vorstellungen (Begriffe) aus den sinnlichen, diese aber aus den Funktionen der Sinnesorgane und des Zentralorgans hervorgehen, so folgt, dass unsere gesamte Erkenntnis ein Produkt unserer leiblichen Organisation, der Intellekt also abgeleiteter und sekundärer Art ist und keineswegs ein ursprüngliches Wesen. Es ist daher verkehrt und grundfalsch, wenn die Funktion hypostasiert und unter dem Namen »Seele« eine einfache denkende, mit Vorstellungskräften begabte Substanz fingiert wird, welche die Vorstellungen und Begriffe aus sich, unabhängig vom Leib, hervorbringen soll. Die Lehre von der Seelensubstanz, d. h. die rationale Psychologie für immer widerlegt zu haben, gehört ebenfalls zu den unvergänglichen Taten der kantischen Kritik.

      Dass der Intellekt sekundär und die Seele eine Fiktion ist, war eine der Grundüberzeugungen, welche in Schopenhauer feststanden, bevor er sein Hauptwerk ausführte. Zu der Befestigung dieser Grundansicht hat das Studium der französischen Sensualisten, insbesondere das des französischen Arztes P. J. G. Cabanis in seinem Werke »Rapports du physique et du moral de l’homme« (1802)146 das meiste beigetragen; dazu kamen das von Schopenhauer oft und hochgepriesene Werk »De l’esprit« von Helvetius (1754), die Schriften Voltaires und die jüngsten Untersuchungen des französischen Physiologen Flourens über das Verhältnis des Intellekts zum Gehirn.147

      3. Wenn aber alles Erkennen ein Produkt der leiblichen Organisation ist, so sah er sich jetzt vor die Frage gestellt: woher der Leib und sein Dasein? Dass dieser als eine Gruppierung materieller Atome aufzufassen und lediglich mechanisch und chemisch zu erklären sei, diese scheinbar nächste Erklärungsart, die materialistische, ist ihm stets als die seichteste, vielmehr als gar keine erschienen, und er hat sie später, als sie in Flor stand, gern als »die Barbiergesellenphilosophie« bezeichnet.

      Die Frage musste sich ihm generalisieren. Die Leiber sind Körper und sie bilden einen Teil der Körperwelt, der Sinnenwelt, die durchgängig den Charakter der Erscheinung oder Vorstellung hat. Was liegt den Erscheinungen zugrunde? Was ist, kantisch zu reden, »das Ding an sich«? das wahrhaft Reale? Diese Frage fällt zusammen mit dem Grundthema aller Metaphysik, mit dem Rätsel des Daseins: sie enthält das Problem, welches Kant in seiner Tiefe erfasst und richtiggestellt, aber nicht gelöst, nicht zu Ende gedacht habe, auch keiner nach ihm, ausgenommen Schopenhauer allein.

      Was in uns dem Intellekt zugrunde liegt, denselben macht, hervortreibt und steigert, ist der Wille: dieser Primat des Willens in uns ist die unmittelbarste und gewisseste aller Tatsachen; der Intellekt ist die Funktion des Gehirns und die Frucht des Willens. Wenn aber unsere Erkenntnis ein organisches Produkt ist, welches im Willen wurzelt, so leuchtet mit zwingender Notwendigkeit ein: dass der Wille nicht bloß die Erkenntnis, sondern auch das Erkenntnisorgan hervorbringt, dass er nicht bloß motivierend, sondern auch organisierend verfährt, was er, wie sich von selbst versteht, nicht als Willkür oder mit Überlegung, sondern nur als blinder oder bewusstloser Wille vollbringen und leisten kann. Unser Leib ist demnach eine Willenserscheinung oder, wie Schopenhauer sich ausdrückt, eine »Willensobjektivation«; der Leib ist das unmittelbare, der Intellekt das mittelbare (nämlich durch die Organisation vermittelte und bedingte) Willensprodukt. Der Wille zu leben, auf diese bestimmte Art, unter diesen gewissen Bedingungen zu leben und leben zu müssen: dieser Wille ist es, der die Organe gestaltet, den Lebensbedingungen anpasst, verändert und durch Abstammung (Vererbung) und Anpassung neue Lebensformen oder Arten hervorruft, wie der französische Naturforscher de la Marck in seiner »Zoologie philosophique« (1809) und fünfzig Jahre später Charles Darwin in seinem epochemachenden Werk: »Von der natürlichen Entstehung der Arten« dargetan haben. La Marck hat auf die Ausbildung der Lehre Schopenhauers einen bemerkenswerten Einfluss ausgeübt, wogegen er Darwins Werk, welches er kurz vor seinem Tod las, nicht zu würdigen gewusst hat. (Er hat es wohl nur obenhin gelesen oder aus Berichten in den Times kennen gelernt, da er »platten Empirismus« und eine bloße Variante der Lehre La Marcks darin erblickte.)

      4. Wenn nun in jeder Erscheinung sich eine bestimmte Willensart darstellt oder objektiviert, so enthält jede ihr eigenes Thema, ihre Wesenseigentümlichkeit, ihr charakteristisches Was (τό τί ἐστι): dieses in reiner begierdeloser Anschauung vorzustellen und abzubilden, ist die Sache des Genies, der Kunst und des Künstlers. Die Wesenseigentümlichkeit der Erscheinung als Gegenstand der künstlerischen Anschauung nennt Schopenhauer »die platonische Idee«. Hier greift die platonische Grundansicht, die zweite jener beiden oben erwähnten Grundüberzeugungen, in seine Lehre ein: auf der idealistischen beruht seine Erkenntnislehre, auf der platonischen seine Ästhetik und Kunstlehre.

      5.


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