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Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus CusanusЧитать онлайн книгу.

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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sublationem tegumenti apparere), wie wenn ein Löffel aus Holz nur durch Hinwegnehmen (von Holzteilen) entstünde. Nach den Peripatetikern aber sind die Formen nur der Möglichkeit nach in der Materie, und werden durch eine bildende Kraft hervorgebracht (per efficientem educi dicebant). Offenbar ist es das Richtige, daß die Formen nicht aus der Möglichkeit entstehen, sondern aus einer bildenden Kraft. Denn wer vom Holze Teile hinwegnimmt, um aus dem Holze eine Statue zu machen, der gibt ihm Form (addit de forma); das ist klar. Denn wenn man aus Stein keinen Kasten machen kann, so liegt der Fehler in der Materie; kann aber ein anderer als der Künstler nicht aus Holz einen Kasten herstellen, so liegt der Fehler im Verfertiger. Es ist also Materie und eine wirkende Kraft erforderlich. In einem gewissen Sinne sind daher die Formen der Möglichkeit nach in der Materie, die, wie es dem Bildner konveniert, in Wirklichkeit gesetzt werden. So ist nun nach den Peripatetikern in der absoluten Möglichkeit die Gesamtheit der Dinge der Möglichkeit nach, die absolute Möglichkeit ist unbegrenzt und unendlich, wegen des Mangels an Form und der Gefügigkeit zu allem. Diese Unendlichkeit ist das Gegenteil der Unendlichkeit Gottes; jene entsteht aus Mangel, diese aus Überfluß, weil alles in ihm er selbst in Wirklichkeit ist. So ist die Unendlichkeit der Materie privativ, die Gottes negativ.

      Das sind die Sätze derer, die über die absolute Möglichkeit sich ausgesprochen haben.

      Wir finden durch unsere Wissenschaft des Nichtwissens, daß eine absolute Möglichkeit unmöglich ist. Denn da unter den möglichen Dingen nichts weniger sein kann als die absolute Möglichkeit, die auf das Allernächste an das Nichtsein grenzt, auch nach der Ansicht mehrerer Autoren, so käme man auf ein Kleinstes und somit auch auf ein Größtes in dem, was ein Mehr oder Weniger zuläßt, was unmöglich ist. Daher ist die absolute Möglichkeit nur in Gott und Gott selbst; außer ihm ist sie nicht möglich, denn es gibt nichts, das in absoluter Potenz wäre, da alles außer Gott notwendig beschränkt (contracta) ist. Wenn sich auch in der Welt verschiedene Dinge finden, von denen aus dem einen mehr entstehen kann als aus dem andern, so kommt man doch zu keinem absolut Größten oder Kleinsten, sondern gerade aus ihrem Vorhandensein folgt, daß es keine absolute Möglichkeit gebe. Jede Möglichkeit ist also beschränkt, ihre Beschränkung ist die Wirklichkeit. Es gibt folglich keine reine Möglichkeit, die ganz unbeschränkt wäre durch was immer für eine Wirklichkeit. Auch die Gefügigkeit (aptitudo) der Möglichkeit kann nicht unendlich und absolut sein, frei von jeder Beschränkung. Denn indem Gott die unendliche Wirklichkeit (actus) ist, ist er die Ursache dieser Wirklichkeit, die Möglichkeit des Seins ist zufällig (est contingenter). Ist nun die Möglichkeit absolut, zu was bildet sie dann das Zufällige (cui contingit)?45 Das Zufällige kommt aber der Möglichkeit schon deshalb zu, weil46 das Sein aus dem Ersten nicht die vollständig und schlechthin absolute Wirklichkeit sein kann. Die Wirklichkeit wird daher gleichfalls durch die Möglichkeit beschränkt, so daß sie nie absolut, sondern in Potenz, und die Potenz nie absolut, sondern durch die Wirklichkeit beschränkt ist. Es gibt übrigens Unterschiede und Stufen: Eines ist mehr Wirklichkeit, ein anderes mehr in Potenz, ohne daß man jedoch je auf ein schlechthin Größtes und Kleinstes kommt, weil die größte und kleinste Wirklichkeit mit der größten und kleinsten Potenz koinzidiert und das absolut Größte ist, wie im ersten Buche gezeigt ist. Ferner: Wäre die Möglichkeit der Dinge nicht beschränkt, so gäbe es keinen vernünftigen Grund der Dinge (non posset ratio rerum haberi), sondern alles wäre durch Zufall, wie Epikur fälschlich lehrte. Denn daß diese Welt nach vernünftigem Grunde (rationabiliter) aus der Möglichkeit hervorging, erfolgte notwendig deshalb, weil die Möglichkeit nur die Gefügigkeit hatte, gerade nur diese Welt zu sein. Die Gefügigkeit der Möglichkeit war also beschränkt, nicht absolut. Dies gilt von Erde, Sonne und den übrigen Geschöpfen. Wären sie nicht in einer gewissen beschränkten Möglichkeit in der Materie verborgen gewesen, so wäre kein größerer Grund für ihr Hervortreten in die Wirklichkeit, als für das Gegenteil vorhanden gewesen. Wenn daher gleich Gott unendlich ist und demgemäß eine unendliche Welt hätte erschaffen können, so konnte doch die Welt, weil die Möglichkeit notwendig beschränkt und nicht absolut, auch die Gefügigkeit der Materie keine unendliche war, hinsichtlich der Möglichkeit ihres Seins nicht in Wirklichkeit (actu) unendlich oder größer oder anders sein, als sie ist. Die Beschränkung der Möglichkeit ist die Wirklichkeit, diese aber stammt aus der absolut größten Wirklichkeit. Da demnach die Beschränkung der Möglichkeit aus Gott kommt und die Beschränkung der Wirklichkeit aus dem Zufall, so ist die mit Notwendigkeit beschränkte Welt durch Zufall endlich. (Quare cum contractio possibilitatis sit ex Deo, et contractio actus ex contingenti, hinc mundus necessario contractus ex contingenti finitus est.)

      Aus dem Begriffe der Möglichkeit sehen wir also, daß das konkret Größte aus der notwendig beschränkten Möglichkeit entstanden ist, eine Beschränkung, die nicht zufällig ist, weil sie durch die Wirklichkeit erfolgt. So hat denn das Universum eine vernünftige und notwendige Ursache seiner Konkretheit, so daß die Welt, die nur ein beschränktes Sein hat, nicht zufällig aus Gott ist, dem absolut Größten. Das ist ganz besonders ins Auge zu fassen. Da also Gott die absolute Möglichkeit ist, so ist die Welt, wenn wir sie als in der absoluten Möglichkeit seiend betrachten, in Gott und die Ewigkeit selbst; betrachten wir sie als beschränkte Möglichkeit, so geht die Möglichkeit nur der Natur nach der Welt vorher, und diese beschränkte Möglichkeit ist nicht die Ewigkeit noch gleichewig mit Gott, sondern ein Abfall von ihr (cadens ab ipsa) und wie Endliches und Absolutes in unendlichem Abstande.

      Auf diese Weise müssen die Ansichten über die Möglichkeit oder Materie nach den Prinzipien der Wissenschaft des Nichtwissens ihre Berichtigung erhalten.

      Wie die Möglichkeit stufenweise zur Wirklichkeit vorschreite, wollen wir uns im Buche über die Mutmaßungen zu erörtern vorbehalten.

      NEUNTES KAPITEL

      Über die Seele oder das belebende Prinzip des Universums

      Alle Philosophen stimmen darin überein, daß das Seinkönnen nur durch das wirkliche Sein zur Wirklichkeit gebracht werden kann, weil nichts sich selbst in Wirklichkeit setzen kann, weil es sonst die Ursache seiner selbst und somit da wäre, bevor es ist. Man sagte daher, was die Möglichkeit in Wirklichkeit setzt, handle nach Absicht (ex intentione), so daß die Möglichkeit aus vernünftiger Anordnung, nicht durch Zufall zur Wirklichkeit gelangt. Diese Wirkungsweise nannte man teils Geist (mentem), teils Vernunft (intelligentiam), teils Weltseele, teils Fatum der Substanz, teils, wie die Platoniker, das umschließende Band (necessitatem complexionis). Diese glaubten nämlich, die Möglichkeit werde mit Notwendigkeit durch sich selbst determiniert, so daß sie jetzt in Wirklichkeit ist, was sie vorher sein konnte. In jenem Geiste liegen nach den Platonikern die Formen der Dinge geistig ebenso wie in der Materie der Möglichkeit nach. Das alles umschließende Band, das in sich das Urbild der Formen hat, bewegt der natürlichen Ordnung gemäß den Himmel, so daß mittelst der Bewegung als des Werkzeugs die Möglichkeit zu einer dem geistigen Urbilde möglichst entsprechenden Wirklichkeit gelangt. Mittelst dieser Operation des Geistes werde durch die Bewegung die in die Materie gelegte Form ein, wenn auch nicht wahres, so doch der Wahrheit nahekommendes Abbild der idealen Form des Geistes. Demnach sind nach den Platonikern in der Weltseele die Ideen (veras formas) der Dinge, zwar nicht der Zeit, wohl aber der Natur nach vorher, als sie in den Dingen sind. Die Peripatetiker geben dies nicht zu, indem sie behaupten, die Ideen (formas) hätten kein anderes Sein außer in der Materie und durch Abstraktion, die den Dingen folgt, im Geiste. Die Platoniker nehmen eine Mehrheit solcher unter sich verschiedenen Ideen, die aus der einen unendlichen Vernunft stammen, an, in welcher sie alle eines seien. Doch ließen sie diese Ideen nicht aus der einen Vernunft geschaffen werden, sondern so herabsteigen, daß sie in der Weltseele die Entfaltung des göttlichen Geistes erblickten, und was in Gott eine Uridee ist, in der Weltseele mehrere und verschiedene Ideen sind. Sie fügten bei, Gott gehe naturgemäß dem umschließenden Bande der Notwendigkeit vorher wie die Weltseele der Bewegung und diese der zeitlichen Entfaltung der Dinge. Diese zeitliche Entwicklung folgt dem Naturgesetze, das in der Weltseele liegt, und heißt substantielles Fatum, die zeitliche Entfaltung desselben ist das gewöhnlich sogenannte Fatum. So ist, was wir die geistige Welt nennen, die Art und Weise des Seins in der Weltseele. Das Sein in der Wirklichkeit, wo die Möglichkeit, durch die Wirklichkeit determiniert, die Entwicklung hervorbringt,


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