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Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Edgar  Wallace


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Mittagessen bin ich wieder zurück«, verabschiedete sie sich von ihrem Bruder.

      Jeremiah Bangley schaute ihr nach und sah, daß sie mit einer Mappe in den Wagen einstieg. Darin lagen die Briefe und Tagebücher, die Dr. Goldworthy ihr vom Kongo mitgebracht hatte, aber davon wußte er nichts.

      In der Einsamkeit von Moor Cottage fand Lady Constance die ruhige Umgebung, in der sie die Worte verstand, die sich wie mit Feuerschrift in ihre Seele einbrannten.

      In dem Landhaus wohnten keine Dienstboten. Wenn sie dort gewesen war, sandte sie gewöhnlich einen ihrer Leute hin, um alles wieder für einen neuen Besuch in Ordnung zu bringen.

      Sie schloß eine kleine Tür auf, die unter einem mit Grün bewachsenen Bogen hindurchführte.

      »Sie können das Pferd ausspannen – ich bleibe mindestens zwei Stunden hier«, sagte sie zu dem wartenden Kutscher.

      Der Mann berührte grüßend seinen Hut. Er war an die Ausflüge hierher gewöhnt und besaß die ruhige Ausdauer der Leute seines Berufes. Er lenkte den Wagen zur Rückseite des Anwesens, das vollständig von einem Zaun umgeben war. Dort lag ein kleiner Stall, der aber niemals benützt wurde. Er spannte das Pferd aus, schnallte ihm den Hafersack um und setzte sich nieder, um seine Lieblingszeitung zu lesen, ein kleines Blatt, das von den Vergehen und Ausschweifungen der oberen Zehntausend berichtete. Er war kein gerade schneller Leser, und die Lektüre bot genügend Stoff, um ihn drei bis vier Stunden zu beschäftigen.

      Nach einer Stunde glaubte er, die Stimme seiner Herrin zu hören, die ihn rief. Er sprang auf, eilte zu der Tür des Hauses und horchte.

      Als er aber nichts hören konnte, ging er wieder zu seinem Ruhesitz zurück und las weiter. Schließlich hatte er vier Stunden gewartet und war sehr hungrig geworden. Seine Geduld war erschöpft, was man ja auch verstehen und entschuldigen konnte.

      Langsam erhob er sich, schirrte das Pferd wieder an und fuhr mit dem Wagen ostentativ vor das Fenster des kleinen Wohnzimmers, das Lady Constance Dex als Arbeitszimmer benützte. Nachdem eine weitere halbe Stunde vergangen war, ohne daß sich jemand meldete, stieg er von seinem Bock hinunter und klopfte an die Tür.

      Es antwortete niemand.

      Er klopfte noch einmal heftiger, aber wieder ohne Erfolg.

      Besorgt trat er an das Fenster und schaute hinein. Der ganze Boden war mit verstreuten Papieren bedeckt, ein Stuhl war umgeworfen, ein Tintenfaß umgestoßen. Aus alledem entnahm sein an Ordnung gewöhnter Sinn, daß hier etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte.

      In diesem Augenblick kam ein Auto schnell über den Hügel aus der Richtung des Pfarrhauses gefahren. Mit einem Ruck hielt es vor dem Hause an, und Mr. Smith sprang heraus.

      Brown hatte ihn schon im Pfarrhaus gesehen und begrüßte ihn nun wie einen vom Himmel gesandten Rettungsengel.

      »Wo ist Lady Constance?« fragte Mr. Smith schnell.

      Der Mann zeigte mit zitterndem Finger auf das Haus.

      »Sie muß irgendwo da drinnen sein«, sagte er furchtsam. »Aber sie antwortet mir nicht und … und das Zimmer scheint ganz in Unordnung zu sein.« Er führte den Detektiv zum Fenster.

      Mr. Smith schaute hinein – seine schlimmsten Befürchtungen waren bestätigt.

      »Treten Sie zurück!«

      Er hob seinen Ebenholzstock und schlug das Fenster ein; gleich darauf zog er den Fensterriegel von innen zurück, und ein paar Sekunden später hatte er sich in den Raum geschwungen. Er eilte von Zimmer zu Zimmer, aber es war nichts von Lady Constance zu entdecken. Auf dem Fußboden des Arbeitszimmers lag ein Stück eines Spitzenkragens, das offensichtlich von ihrem Kleid abgerissen war.

      »Hallo«, sagte Ela, der Mr. Smith gefolgt war, und zeigte auf den Tisch. Auf einem Blatt Papier war der Abdruck einer blutigen Hand zu sehen.

      »Farrington war hier«, erwiderte Mr. Smith kurz. »Aber wie ist er wieder hinausgekommen?«

      Er verhörte den Kutscher eingehend, aber Brown blieb fest.

      »Nein, mein Herr, es ist ganz unmöglich, daß jemand das Haus verließ, ohne daß ich ihn gesehen hätte. Ich konnte nicht nur das Haus von meinem Sitz aus überblicken, sondern auch die ganze Umgebung bis zur Spitze des Hügels.«

      »Gibt es nicht noch irgendeinen anderen Platz, wo sie sich aufhalten könnte?«

      »Es ist nur noch das Hintergebäude da«, entgegnete Brown, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte. »Früher haben wir dort immer den Wagen untergestellt, aber heutzutage tun wir das nicht mehr, besonders nicht bei gutem Wetter.«

      Das Hintergebäude bestand aus einer großen Wagenremise und einem kleinen Stall. Es war kein Schloß an den Türen, und Mr. Smith konnte sie ohne weiteres öffnen. In einer Ecke lag ein Strohhaufen, der offensichtlich für den Kutscher bestimmt war, wenn er den Raum einmal benützen sollte.

      Mr. Smith ging hinein, beugte sich plötzlich mit einem Ausruf nieder, ergriff eine Gestalt am Kragen und riß sie auf die Füße.

      »Wollen Sie mir höflichst erklären, was Sie hier machen?«

      Aber dann schwieg er erstaunt, denn sein schläfriger Gefangener war niemand anders als Frank Doughton.

      *

      »Es ist eine merkwürdige Geschichte, die Sie mir da erzählen«, meinte Mr. Smith.

      »Das gebe ich gern zu«, sagte Frank lächelnd. »Aber ich bin so müde, daß ich nicht weiß, wieviel ich Ihnen schon mitgeteilt habe und was ich noch nicht berichtet habe.«

      »Sie haben erzählt, daß man Sie gestern abend entführte, daß Sie zuerst durch London, dann in unbestimmter Richtung aufs Land fuhren und daß Sie in den frühen Morgenstunden entkamen, indem Sie aus dem langsam fahrenden Wagen sprangen.«

      »Ja, das stimmt. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich bin. Vielleicht können Sie mir das sagen?«

      »Sie sind in der Nähe von Great Bradley«, erwiderte Mr. Smith lächelnd. »Ich wundere mich, daß Sie Ihre Heimat nicht wiedererkennen – Sie haben doch, soviel ich weiß, Ihre Jugend in dieser Gegend verlebt?«

      Frank schaute sich erstaunt um.

      »Warum hat man mich denn hierhergebracht?«

      »Das müssen wir erst noch herausbringen. Meine Meinung ist –«

      »Glauben Sie, daß man mich in das ›geheimnisvolle Haus‹ bringen wollte?« unterbrach ihn der junge Mann.

      Mr. Smith schüttelte den Kopf.

      »Das ist wohl unwahrscheinlich. Ich vermute eher, daß unser Freund Poltavo diesen kleinen Schachzug auf eigene Faust unternommen hat. Er ließ Sie wohl hierher entführen, um den Verdacht auf die Bewohner des ›geheimnisvollen Hauses‹ abzuwälzen. Aber sagen Sie mir doch, wie Sie in dieses Stallgebäude kamen.«

      »Obwohl ich todmüde war, nahm ich all meine Kraft zusammen, und es gelang mir, meinen Verfolgern zu entkommen. Aber nach diesem harten Lauf fühlte ich mich vollkommen erschöpft. Ich kam zu diesem Haus, das weit und breit die einzige menschliche Wohnung zu sein schien, und nachdem ich vergeblich versucht hatte, die Bewohner zu wecken, ging ich einfach hier herein, legte mich hin und schlief sofort ein.«

      Mr. Smith hatte nichts an seiner Erzählung auszusetzen. Die verworrene Lage wurde durch diesen Vorfall noch schwieriger.

      »Hörten Sie keinen Ruf, während Sie hier lagen?«

      »Nein.«

      »Haben Sie auch nichts von einem Streit in dem Haus gehört?« Er erklärte Frank Doughton das merkwürdige Verschwinden der Lady Constance Dex.

      »Sie muß noch im Hause sein«, meinte Frank.

      Sie gingen zusammen dorthin zurück und nahmen ihre Nachforschungen wieder auf. Im Obergeschoß


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