Deutsche Geschichte. Günter NaumannЧитать онлайн книгу.
Kaiser Joseph II. (1765-1790)
Kaiser Leopold II. (1790-1792)
Deutsche Könige und Kaiser im Alten Reich
Vorwort
Mit der vorliegenden »Deutschen Geschichte« wird der Versuch unternommen, die großen Entwicklungslinien anhand wichtiger Ereignisse darzustellen.
Inhaltlich steht die politische Geschichte im Vordergrund, welche sich vor allem an Herrscherpersönlichkeiten und dynastischen Erbfolgen, machtpolitischen Konstellationen, Kriegen, territorialen Veränderungen und Reformen orientiert. Eingegangen wird aber auch auf die Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Wie keine andere europäische Nationalgeschichte wird die deutsche Geschichte von den einzelnen Territorien getragen. Das lockere oberhoheitliche Band, durch welches die Territorial-Fürstentümer, Reichsstädte usw. zusammengehalten wurden, war das »Heilige Römische Reich«, welches heute als das »Alte Reich« bezeichnet wird und nahezu ein Jahrtausend bestanden hat. Bei der vorliegenden Darstellung der Reichsgeschichte war deshalb vor allem auch deren enge Verflechtung mit der Geschichte der Territorien zu berücksichtigen.
Der vorliegende 1. Band ist der Geschichte des »Alten Reiches« (962-1806) gewidmet, welches zwar in den Stürmen der napoleonischen Kriege unterging, dessen föderale Länderstrukturen aber bis heute fortwirken.
Der 2. Band wird an das Alte Reich anschließen und uns die wechselvolle Geschichte Deutschlands vom Deutschen Bund über das Deutsche Reich und das geteilte Deutschland bis zum wiedervereinigten Deutschland vor Augen führen.
Meißen, den 06.09.2007 Dr. Günter Naumann
1. Einleitung
»Das alte Reich« – Eine Übersicht
Deutsche Geschichte spielte sich in einem Raum ab, welcher etwa identisch ist mit dem nördlich der Alpen gelegenen Teil des einstigen »Heiligen Römischen Reiches«.
Mit dem Begriff »Regnum Teutonicum« (Deutsches Reich) wurde das Territorium des 911 im Ostfrankenreich zur Herrschaft gelangten Königs Konrad I. bezeichnet, welches die Stammesgebiete der Franken, Sachsen, Alemannen, Bayern und Lothringer umfasste. Es handelt sich dabei um die Gebiete jener ostgermanischen Stämme, welche einst in das Frankenreich Karls »des Großen« einverleibt und dadurch vereinigt worden waren. Diese Stammesgebiete kamen bei der 843/880 erfolgten Aufteilung des Frankenreiches zum Ostfränkischen Reich. Die Konsolidierung dieses stammesmäßig deutschen Reiches erfolgte unter den Königen Heinrich I. (919-936) und Otto I. »dem Großen« (936-973). Durch seine militärischen Erfolge beflügelt, knüpfte Otto I. an das imperiale, über das »Regnum Teutonicum« hinausgreifende Herrschaftskonzept Karls »des Großen« an, eroberte das Königreich der Langobarden in Italien, ließ sich 962 vom Papst zum Kaiser krönen und nannte sich »imperator« (Kaiser). Seine Nachfolger, Otto II. und Otto III., brachten diesen imperialen Herrschaftsanspruch, welcher in der Tradition des Römischen Kaiserreiches, einer absoluten Monarchie, stand, in ihren Titeln »imperator Romanorum« bzw. »Romanorum imperator augustus« deutlicher zum Ausdruck.
Der erste überlieferte offizielle Reichstitel bezieht sich deshalb nicht etwa mit »Regnum Teutonicum« auf das nördlich der Alpen gelegene Teilreich, sondern mit »imperium Romanum« (Römisches Reich) auf das gesamte Imperium einschließlich der italienischen Gebiete. Dieses »Imperium« bestand demnach aus einem deutschen und dem italienischen Reichsteil, zu denen ab 1032/33 noch der burgundische Reichsteil kam. Der Reichstitel »Romanum imperium« ist ab Kaiser Konrad II. (1034) urkundlich nachweisbar und sollte die autonome machtpolitische Stellung des römisch-deutschen Königs und Kaisers gegenüber dem Papsttum und den aufstrebenden lombardischen Städten in Italien demonstrieren. Ab Ende März 1157 kam in den Kaiser-Urkunden Friedrichs I. der Begriff »sacrum imperium« (heiliges Reich) hinzu. Der Kaiser vertrat die Auffassung, dass das Kaisertum unmittelbar von Gott auf die römisch-deutschen Könige übertragen worden sei und deshalb vom Papsttum unabhängig wäre. Die Kaiserkrönung durch den Papst sei deshalb eine rein zeremonielle Handlung, ohne dass dadurch ein Herrschaftsanspruch des Papsttums über das Kaisertum begründet würde. Ab 1254 wird in den Königs-Urkunden erstmals der volle Reichstitel »Sacrum Romanum Imperium« (Heiliges Römisches Reich) verwendet, der bis zum Untergang desselben (1806) offizieller Reichstitel blieb. Nur vorübergehend, und zwar vom 15. Jh. bis in die zweite Hälfte des 16. Jh., wurde zuweilen der Zusatz »Nationis Germaniae« (deutscher Nation) verwendet, so etwa 1512 als »Heiliges römisches Reich Teutscher Nation«, um im Zeichen europäischer Machtkämpfe auszudrücken, dass dieses Reich ausschließlich eine Angelegenheit der Deutschen sei. Ob damit nur konstatiert werden sollte, dass die italienischen Gebiete schon längst nicht mehr Teil dieses Reiches waren, und das römisch-deutsche Reich de facto bereits zum deutschen Reich geworden war, ist umstritten. Im Folgenden soll dieses alte »Heilige Römische Reich« als das »Alte Reich« oder nur als das »Reich« bezeichnet werden. Unter Deutschland soll der nördlich der Alpen liegende Herrschaftsbereich des »Alten Reiches« verstanden werden.
Das Kaisertum des Alten Reiches war unter Vermittlung des Papstes zustande gekommen. Der Papst trat schließlich gegenüber den Anwärtern auf die Kaiserkrone so auf, als habe er nicht nur das Recht zur Krönung und Salbung, sondern auch das Recht zur Vergabe des Kaisertums. Demgegenüber betonten die Kaiser, dass ihnen ihr Herrschaftsanspruch direkt von Gott verliehen worden sei. In diesem Interessenkonflikt zwischen Kaiser und Papst konnten sich die Kaiser von Otto I. bis zu Heinrich III. noch der Herrschaftsansprüche der Päpste erwehren, und Heinrich III. hatte die Päpste sogar vollständig in das ottonisch-salische Reichskirchensystem einbezogen. Der Preis dafür waren zahlreiche für den Machterhalt erforderliche Feldzüge der Kaiser nach Italien, wodurch die Adelsopposition im deutschen Reichsteil oft genug Gelegenheit bekam, die Königsherrschaft zu destabilisieren, und nur mit Mühe niedergehalten werden konnte. Mit der Zerschlagung der Reichskirche im Investiturstreit gewann das Papsttum die Oberhand, und das Königtum wurde geschwächt. Im deutschen Reichsteil ging dieser Machtverlust des Köngs weiter, als unter der Dynastie der Staufer die kaiserliche Italienpolitik den Vorrang hatte. Den Vorteil daraus zogen der Adel sowie die aus dem Adel hervorgegangene hohe Geistlichkeit.
Bestimmend für die weitere Entwicklung des Alten Reiches wurde die Herrschaftskonkurrenz zwischen dem König und den adligen sowie geistlichen Herrschaftsträgern und damit die Balance zwischen zentralistischen und föderativen Tendenzen.
Angelegt worden war dieser Interessenkonflikt zwischen Königtum und Adel durch das bereits im Frankenreich eingeführte Lehnsrecht. Lebensgrundlage und damit Machtgrundlage war im Zeichen der Naturalwirtschaft des Mittelalters der Besitz an Grund und Boden. Der König als universeller Grundeigentümer hielt nur einen Teil des Grund und Bodens zur eigenen Verfügung zurück (Bewirtschaftung durch Krondomänen, Königshöfe). Den überwiegenden Teil verlieh (= verlehnte) er gegen Treueid und die Verpflichtung zu militärischen und sonstigen Diensten. Die mit Grund und Boden beliehenen (belehnten) Lehnsleute übten auf dem ihnen übergebenen Grund und Boden die Grundherrschaft aus, d.h. sie geboten über die hier angesetzten Bauern (die sog. Hintersassen), welche den Grund und Boden bewirtschafteten. Der übergebene Grund und Boden konnte aber auch weiterverlehnt werden, sodass sich eine Hierarchie der Lehnsleute