Zwischen Bewegung und Ruhe. OshoЧитать онлайн книгу.
leichtere Verkehrsmittel, Fahrzeuge konstruieren, um hinzugelangen. Nur: Gibt es ein Ziel?
Sosan verneint diese Frage – wie also kann es ohne ein Ziel schwer oder leicht sein? Und wie könnte ein Weg zu einem nicht vorhandenen Ziel führen? Und wie kann es, wenn es kein Ziel gibt, Methoden und Techniken geben, um hinzugelangen? Ausgeschlossen! Seine Aussage, dass es weder leicht noch schwer sei, heißt: Es gibt gar kein Ziel: Der große Weg ist weder leicht noch schwer … Was meint er dann aber mit großem Weg?
Dieser große Weg ist euer Wesen – und das ist bereits da! Daher ist es kein Ziel – nichts Zukünftiges. Es ist keine Zeit erforderlich, um hinzugelangen. So seid ihr seit jeher gewesen, es ist längst da. Ihr seid am Ziel, ihr lebt im Ziel. Ihr könnt nur in ihm existieren, ihr könnt unmöglich aus ihm aussteigen.
Soviel ihr auch wandern mögt, ihr könnt es nicht abschütteln. Wohin ihr auch geht – euer Tao kommt mit. Es ist euer eigentliches Wesen. Es ist unentbehrlich, ihr könnt es nicht ablegen und vergessen. Ihr seid bereits da, denn dieses da ist hier. Ihr braucht es nicht in der Zukunft zu suchen – seid einfach nur hier und ihr findet es.
Sucht es, und ihr werdet es verfehlen. Sucht nicht, seid einfach, und es ist da. Und ihr werdet lachen, denn es ist seit jeher da gewesen – nur weil ihr es gesucht habt, war es nirgends zu finden. Nur weil ihr es immer so eilig hattet, konntet ihr nie nach innen schauen.
Der große Weg ist weder leicht noch schwer,
doch die Einfältigen sind ängstlich und unschlüssig:
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie und
greifen nach jedem Strohhalm.
Wer unbedingt erleuchtet werden will, ist auf dem Holzweg.
Lasst einfach den Dingen ihren Lauf
dann hört das ewige Hin und Her auf.
Du bist der Weg und du bist das Ziel, und zwischen dir und dem Ziel ist kein Abstand. Du bist der Sucher und du bist das Gesuchte; es ist kein Abstand zwischen dem Sucher und dem Gesuchten. Du bist der Anbeter und du bist das Angebetete. Du bist der Jünger und du bist der Meister. Du bist das Mittel und du bist der Zweck: Dies ist der große Weg. Er war seit jeher in Reichweite. In diesem Moment seid ihr in ihm. Wacht auf, und ihr seid drin. Selbst im Schlaf bleibt ihr drin. Aber weil ihr schlaft, könnt ihr das nicht erkennen. Und dann fangt ihr an zu suchen.
Ihr seid wie ein Säufer, der vor seiner Haustür steht und sich nach etwas erkundigt, was direkt vor ihm ist. Denn eure Augen sind benebelt – sie sind zu voll von Meinungen und Wertungen, von Begriffen und Theorien. Darum ist eure Sicht verschwommen, denn bei genauerem Hinsehen habt ihr das Gesuchte direkt vor euch.
Die Hindus kennen da eine Methode: der Blick auf die eigene Nasenspitze! Setz dich einfach nur still hin und schau auf deine Nasenspitze. Die Leute werden dich auslachen und fragen: „Was soll der Unsinn? Wozu soll das gut sein?“ Aber sie wissen halt nichts. Den Hindus zufolge ist euch die Wahrheit so nah wie eure eigene Nasenspitze! Seid still und seht auf eure Nasenspitze und verliert euch nicht in Gedanken. Und plötzlich ist sie da – so wie die eigene Nasenspitze: immer direkt vor euch.
Und das ist das Schöne an der Nasenspitze: Wohin man auch geht, sie ist immer vorne. Egal ob du auf dem richtigen oder falschen Weg bist, sie ist immer da. Ob du ein Sünder oder ein Heiliger bist: Sie ist immer vorne. Man kann machen, was man will – etwa einen Kopfstand wie die Yogastellung Sirshasan – die Nasenspitze ist immer vorne. Schlaf ein, sie ist da; wach auf, sie ist da. Darum der Blick auf die eigene Nasenspitze. Denn egal was man macht, man kann sie nirgendwo anders hintun als da vorne. Bei jeder Bewegung geht sie mit. Der Blick auf die eigene Nase bedeutet: Begreife, dass du die Wahrheit direkt vor der Nase hast. Wohin du auch gehst, sie kommt mit. Da du sie nicht verlieren kannst, brauchst du sie auch nicht zu suchen. Um dich zu vergewissern, dass sie noch da ist, sieh einfach hin. Normalerweise sieht niemand auf seine Nasenspitze, da man immer woandershin sieht, sich für andere Dinge interessiert; wer will schon wissen, ob seine Nasenspitze da ist!
Die Hindus haben da noch eine andere schöne Theorie: Ihnen zufolge muss jemand, der anfängt, immerzu seine Nasenspitze zu sehen, bald sterben; er wird binnen sechs Monaten sterben. Wem seine eigene Nasenspitze ständig die Sicht versperrt – bei allem, was er tut, gerät sie ihm in den Blick! –, der wird binnen sechs Monaten sterben.
Das kommt nicht von ungefähr; denn man bemerkt seine Nasenspitze erst, wenn alle Wünsche, alle Wunschobjekte sinnlos geworden sind. Man hat keine Energie für Wunschdenken mehr, denn der Tod rückt näher. Man ist völlig schlapp, alle Vitalität ist verebbt. Die Augen werden langsam starr, man kann keinen Wünschen und Zielen mehr nachrennen. Im letzten Moment bleibt einem nur noch der Blick auf die Nasenspitze. Dies ist die eine Bedeutung.
Und die andere, tiefere Bedeutung ist: Sobald man die eigene Nasenspitze sieht, ist man für diese Welt gestorben. Eine neue Geburt steht an, denn jetzt steht ihm klar vor Augen, was mit Händen zu greifen war: Diese Welt, dieses Leben ist vergänglich. Für sein altes Dasein ist er schon tot. Er ist ein neues Wesen – wiedergeboren. Jetzt hat das Hin und Her ein Ende.
Wie? Er ist angekommen… einfach indem er auf seine Nasenspitze geblickt hat? Ja, schließlich geht es nur darum, nach vorn zu blicken statt wegzusehen. Denn die Wahrheit steht vor dir, es kann gar nicht anders sein!
Sie ist weder leicht noch schwer. Dazu ist keine Mühe erforderlich, wie also kann sie leicht oder schwer sein? Es kommt aufs Erwachen an, nicht auf Mühe. Dazu braucht man keinen Finger zu rühren.
Wer etwas macht, verfehlt es, denn dann ist er ein Macher. Und was immer man auch macht, ist entweder leicht oder schwer. Es kommt darauf an, gar nichts zu machen; und das kann weder leicht noch schwer sein, damit betritt man eine vollkommen andere Welt, in der man nur ist! Wie kann das Sein leicht oder schwer sein? Da ist man halt. Das ist der große Lebensweg. Es geht einzig und allein darum, endlich zu erkennen und die eigene Nasenspitze zu sehen – einfach nur mit klaren Augen nach vorn zu sehen.
… doch die Einfältigen sind ängstlich und unschlüssig:
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie …
Es mag widersprüchlich klingen, aber das trifft auf jeden zu. Das trifft auch auf euch zu. Je eiliger ihr es habt, desto langsamer kommt ihr voran. Warum? Weil ihr nicht nach vorne schaut… dorthin, wo das Ziel liegt! Je schneller ihr rennt, desto schneller verirrt ihr euch.
Was eure Geschwindigkeit betrifft, seid ihr schnell; aber was das betrifft, was euch dabei entgeht, seid ihr langsam. Je schneller ihr seid, desto langsamer. Bleibt einfach dort, wo ihr seid – genau hier. Und schon seid ihr am Ziel. Ihr braucht weder Raum noch Zeit zu überwinden. Bleibt einfach hier. „Hier und Jetzt“ sei euer Mantra, und sonst braucht ihr nichts. Seid jetzt und hier. Geht nirgendwohin, ob schnell oder langsam.
Folgende Geschichte…
Ein kleiner Junge kommt wie immer viel zu spät zur Schule. Die Lehrerin schimpft ihn aus: „Was! Schon wieder? Und heute sogar noch später als sonst! Wie oft hab ich dich schon ermahnt, aber du hörst ja nicht zu!“
Der Junge erwidert: „Wenn Sie wüssten, wie es da draußen regnet! Die Straße ist schon so rutschig, dass man bei jedem Schritt vorwärts zwei Schritte zurückrutscht. Je schneller ich rannte, desto später wurde es. Es ging mehr rückwärts als vorwärts!“
Die Lehrerin kontert: „Du bist sehr clever! Nur: wie hast du es dann bis hierher geschafft?“
Der Junge darauf: „Ich bin einfach wieder nach Hause gegangen. So ging’s dann.“
Ihr seid ebenfalls auf einer rutschigen Straße unterwegs. Denn je schneller ihr rennt, desto langsamer kommt ihr voran – weil ihr weggeht. Was das Ziel betrifft, könnt ihr noch so schell rennen, ihr entfernt euch von ihm. Euer Tempo ist gefährlich: Es führt weg vom Ziel. Außerdem braucht ihr euch gar nicht so zu beeilen: Haltet einfach an und öffnet die Augen!
Es kommen Leute zu mir, die fragen: „Wann werden wir endlich erleuchtet? Wann?“ Wenn ich sage: „Jetzt!“, sehen sie mich ungläubig an. Ich