Mein Weg: Der Weg der weißen Wolke. OshoЧитать онлайн книгу.
immer neue Ziele. Wenn die sogenannten weltlichen Ziele nicht mehr locken, beginnt der Intellekt, sich religiöse Ziele zu stecken, überweltliche Ziele. Wenn das Geld nicht mehr lockt, dann lockt die Meditation. Wenn die sogenannte Wettbewerbswelt, die Politik, langweilig geworden ist, kommt eine neue Welt mit neuem Wettbewerb, dann wird die Religion zum neuen Ziel. Der Intellekt lechzt immer nach Bedeutung, nach einer Absicht, nach einem Ziel. Und für mich ist nur ein absichtsloser Verstand wirklich religiös. Aber das heißt, dass der Verstand nicht mehr Verstand genannt werden kann.
Die Tibeter haben eine Meditation, bei der die Mönche ganz allein auf einem Berg sitzen und über weiße Wolken meditieren, die am Himmel vorüberziehen. Sie betrachten sie unverwandt und verschmelzen allmählich mit den weißen Wolken. Da sitzen sie auf den Bergen wie weiße Wolken, ohne Gedanken und sind einfach nur da. Kein Widerstand, kein Kampf, nichts zu erreichen, nichts zu verlieren. Nur das reine Sein genießend, die Stimmung feiernd, die Ekstase, die Seligkeit … Darum nenne ich meinen Weg, den Weg der weißen Wolke. Und ich möchte, dass auch ihr weiße Wolken werdet, und nur so über den Himmel dahinzieht. Nicht zu einem bestimmten Punkt wollen, nur so dahinziehen, wo immer der Wind hinweht …
Wo immer du bist, ist das Ziel. Ein Ziel ist nicht das Ende einer Folge, jeder einzelne Moment ist das Ziel. Hier und jetzt seid ihr Siddhas, Erleuchtete für mich. Hier habt ihr alles erreicht! Ihr habt es erreicht! Hier seid ihr nun, so vollkommen wie ihr nur sein könnt. Genau wie Buddha oder Mahavir oder Krishna.
Es gibt nichts anderes zu erreichen! Jetzt, in diesem Augenblick, ist alles da. Aber ihr wisst es nicht, und ihr merkt es nicht, weil eure Gedanken in die Zukunft gehen. Ihr seid nicht hier, ihr seid nicht wach und merkt nicht, was jetzt, in diesem Augenblick mit euch geschieht. Und das war schon immer so. Millionen Leben lang. Ihr wart in jedem Moment erleuchtet und niemals etwas anderes.
Man kann eigentlich nicht daran vorbeigehen, es liegt in der urtümlichen Natur der Dinge. Man kann diese Tatsache eigentlich nicht verfehlen. Aber ihr seid nicht aufmerksam und könnt es nicht erkennen, weil ihr irgendwo ein Ziel habt. Auf diese Weise wird eine Barriere errichtet und das, was ist, wird verpasst. Wenn das einmal klar offenbart ist, wenn das erkannt wird, ist das größte Mysterium des Seins offenbart: dass jeder vollkommen ist. Das meinen wir, wenn wir sagen, jeder ist Brahman.
Jeder ist die höchste Seele, das Göttliche. Das meinen wir, wenn wir sagen Tat twam asi, du bist das. Nicht, dass man es erst werden muss, denn wenn man etwas werden muss, ist man es nicht. Und wenn man etwas nicht ist, wie kann man es werden? Das Samenkorn wird ein Baum, weil der Same es schon ist. Ein Stein kann kein Baum werden. Der Same offenbart sich in einem Moment als Same und im nächsten als Baum.
Es geht nicht um Werden, es geht um eine Einsicht. Und wenn man tief genug hineinsieht, ist der Same schon in diesem Moment ein Baum.
Tibetanische Meister, Zen-Meister und Sufi-Derwische haben viel über die weißen Wolken gesprochen. Die weißen Wolken haben schon viele Seelen berührt. Es gibt ein Einverständnis mit den weißen Wolken, wie es scheint. Wenn man darüber meditiert, werden einem viele Dinge aufgetan.
Das Leben sollte nicht als Problem betrachtet werden. Wenn man damit einmal anfängt, ist man verloren. Wenn du denkst, dass das Leben ein Problem ist, gibt es keine Lösung. Das ist die Art der Philosophie, und darum geht in der Philosophie alles schief. Es gibt keine richtigen Philosophien. Das ist unmöglich. Alle Philosophien sind falsch, weil die Philosophie schon mit dem ersten Schritt in eine falsche Richtung geht, im Denken, dass das Leben ein Problem ist. Und es gibt natürlich keine Lösung. Das Leben ist kein Problem, das Leben ist ein Mysterium. So versteht es die Religion.
Weiße Wolken sind mysteriös, sie tauchen plötzlich auf und vergehen wieder. Habt ihr jemals daran gedacht, dass Wolken keinen Namen und keine Form haben? Ihre Form bleibt keine Minute gleich. Sie verändern sich und sind wie ein strömender Fluss. Man kann eine Form hineinsehen, wenn man will, aber das ist dann deine Projektion. Eine Wolke hat keine Form, sie ist formlos, eine Kontinuität im Werden, ein Dahinfließen. Und so ist das ganze Leben, alle Formen sind Projektionen. In diesem Leben nennst du dich einen Mann, und nur ein Leben vorher kannst du eine Frau gewesen sein. In diesem Leben bist du weiß, im nächsten kannst du schwarz sein. Jetzt, in dieser Minute, bist du intelligent und in der nächsten benimmst du dich dumm.
In diesem Augenblick bist du still, und im nächsten wirst du gereizt, feurig, böse. Habt ihr eine Form – oder verändert ihr euch ständig? Ihr seid ein Fluss, eine Wolke. Habt ihr einen Namen, eine Identität? Könnt ihr euch wirklich dies oder jenes nennen? In dem Moment, in dem man feststellt, dass man das eine ist, wird einem auch klar, dass man ebenso das Gegenteil ist.
Du sagst zu jemandem: „Ich liebe dich“ — und im gleichen Moment ist auch Hass da. Du nennst jemanden einen Freund, und gleichzeitig lacht dein innerer Feind und wartet auf seine Stunde. Manchmal fühlst du, dass du glücklich bist, und schon ist das Glück wieder verschwunden, und du wirst unglücklich.
Ihr habt keine Identität. Wenn man das einsieht, wird man eine weiße Wolke, ohne Form und ohne Namen. Und dann beginnt das Fließen. Für mich ist das Dasein einer weißen Wolke wie das Leben eines Sannyasins, eines Menschen, der verzichtet hat.
Das Leben eines weltlichen Menschen läuft in festgelegten Bahnen der Gewohnheit. Alles ist tot und folgt einem bestimmten Muster. Es hat einen Namen und eine Form und rollt auf bestimmten Gleisen ab, wie ein Zug. Züge fahren auf ihren Schienen und haben ein Ziel, sie müssen irgendwo ankommen …
Aber ein Sannyasin zieht dahin, wie eine weiße Wolke in der Luft, keine Schienen zwingen ihn, keine Richtungen, keine Identität. Er ist ein Niemand. Er lebt das Leben eines Nicht-Seienden, er lebt, als gäbe es ihn nicht. Wenn ihr ein Leben führen könnt, als wäret ihr nicht, dann seid ihr auf meinem Weg.
Je mehr du du bist, desto kränker bist du, und je weniger du du bist, desto gesünder wirst du. Je weniger du du bist, desto leichter kannst du schweben, desto göttlicher und seliger bist du.
Wenn ich sage, dass das Leben kein Problem ist, sondern ein Mysterium, dann meine ich, dass es keine Lösung gibt, man kann es nur sein. Ein Problem muss intellektuell gelöst werden, und selbst wenn man es gelöst hat, ist nichts erreicht. Du hast ein bisschen mehr Wissen angesammelt, aber keine Ekstase. Ein Mysterium ist etwas, das man werden kann, du kannst einswerden, verschmelzen mit dem Wunder. Dann fühlst du die Ekstase, die Seligkeit. Dann kann das Höchste geschehen, das höchste Glück.
Religiosität versteht das Leben als ein Wunder. Was kann man im Angesicht eines Wunders unternehmen? Hm? Man kann überhaupt nichts tun. Du kannst nur dich selbst ändern, mysteriöser, wunderbarer werden, dann kann ein Gleiches dem Gleichen begegnen. Erkenne das Wunderbare in diesem Leben, wo immer du es siehst. In den weißen Wolken, in den Sternen, in der Nacht, in den Blüten, und im Strömen eines Flusses.
Wo du auch hinschaust, sieh das Wunderbare, und wo du es findest, meditiere darüber. Meditation bedeutet: Auflösung im Angesicht des Mysteriums, sich vollkommen in das Wunder hinein verlieren, im Wunder vergehen. Du sollst nicht mehr vorhanden sein, nur das Wunder ist in seiner Totalität, und du bist darin aufgegangen. Und plötzlich öffnet sich eine neue Tür: Eine neuartige Wahrnehmung ist in dir, plötzlich ist die materielle Welt mit all ihren Trennungen und Verschiedenheiten verschwunden, und eine vollkommen neue Welt des Einsseins öffnet sich. Alles wird grenzenlos, alles ist darin enthalten, ungetrennt, eins. Aber das ist nur möglich, wenn du etwas in dir selbst veränderst. Wenn du ein Problem hast, musst du etwas mit dem Problem tun, du musst einen Schlüssel finden, einen Weg zur Lösung, du musst daran arbeiten und herumdoktern und etwas Gezieltes unternehmen.
Wenn du aber einem Mysterium begegnest, musst du an dir selbst arbeiten, nicht am Mysterium. Wir sind hilflos vor einem Wunder, darum verwandeln wir jedes Wunder in ein Problem. Mit Problemen sind wir Herr der Lage und fühlen uns in Kontrolle.
Mit Wundern sind wir impotent, wir können nichts tun, wir sehen dem Tod ins Auge und können nichts mehr manipulieren. Darum wird Ekstase immer unmöglicher, je mehr der menschliche Intellekt mit seiner Logik und Mathematik in Kontrolle ist. Die Poesie, die Romantik geht verloren. Das Leben wird sachlich, nicht mehr symbolisch. Es ist ein Symbol, wenn ich sage, dass mein Weg, der Weg der weißen Wolke ist.
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