Der Sufi-Weg. OshoЧитать онлайн книгу.
sprachlos. Bei einem so unbestechlichen Richter konnte es überhaupt keinen Zweifel über den Ausgang der Sache geben. Es lag so klar auf der Hand, dass sie im Recht war. Nichts stand auf dem Spiel, es gab keine Komplikationen. Wie konnte sie nur verlieren?!
Ein Advokat findet immer einen Weg. Wenn es durch den Haupteingang geht – gut. Wenn nicht, dann durch die Hintertür. Wenn es bei Tage geht – gut. Wenn nicht, dann bei Nacht.
Dabei ließ er es nun aber nicht bewenden.
Als am nächsten Tag die Invaliden ihre Unterstützung erhielten,
schmuggelte er sich als Krüppel getarnt unter sie.
Aber der Präsident erkannte ihn und gab ihm nichts.
‚Präsident‘ ist hier symbolisch zu verstehen. ‚Präsident‘ steht für das höhere Bewusstsein, das sich mit dem niederen Bewusstsein genau auskennt und sich nie von ihm täuschen lässt. Außer, wenn das höhere Bewusstsein aus ganz bestimmten Gründen die Täuschung zulässt. Sonst aber nicht. Wie sollte das niedere Bewusstsein das Höhere täuschen können?
Aber der ‚Präsident‘ erkannte ihn und gab ihm nichts.
Immer wieder versuchte er es von neuem,
selbst als Frau verkleidet…
In muslimischen Ländern kann man sich als Frau verkleiden, ohne dass jemand sagen kann, ob man Frau oder Mann ist.
… Aber ohne Erfolg.
Man kann das höhere Bewusstsein nicht täuschen. Versucht nie, einen Meister zu täuschen. Aber ihr versucht es trotzdem, denn euer logischer Verstand, euer Winkeladvokat, versucht alles, was in seinen Kräften steht. Hier bei mir passiert das jeden Tag. Es kommt selten vor, dass mich mal jemand von euch nicht täuschen will oder zu täuschen versucht.
Jemand kommt zum Beispiel zu mir in den Darshan. Er ist glücklich und zufrieden. Ich kann es ihm ansehen: zum ersten Mal ist er von einer unbekannten Freude erfüllt. Und dann frage ich: „Wie geht’s?“ – und er antwortet: „Na ja, so la-la.“ Mit einem Achselzucken. Warum versucht er, mich zu täuschen? Er will etwas mehr Beachtung, etwas Mitleid von mir. Wenn er zugibt, dass er froh und glücklich ist, dann braucht er mein Mitleid nicht. Und ihr seid so blind, dass ihr um Mitleid bettelt, wo ihr Liebe haben könntet.
Liebe bekommt nur der, der glücklich ist, aber der Unglückliche bekommt nur Mitleid. Einen Unglücklichen kann man nicht lieben. Es ist unmöglich. Er ist dafür nicht in der richtigen Stimmung. Man kann ihn nicht lieben, sondern nur bemitleiden. Liebe kann man nur dem schenken, der glücklich und offen ist– das ist die richtige Wellenlänge für die Liebe – so kann sie kommen.
Ich war zur Liebe bereit, aber ihr habt mich lieber getäuscht und habt stattdessen Mitleid bekommen. Täuschung ist aber gar nicht möglich. Ihr täuschst euch nur selber. Aber ihr seid so geschickt im Täuschen, ihr habt es euer ganzes Leben lang so gut eingeübt, dass ihr es selber nicht mehr merkt.
Die Frau ist allein zu Hause und singt und summt vor sich hin. Sie fühlt sich wohl. Plötzlich hört sie den Wagen ihres Mannes auf der Zufahrt zum Haus, und schon verändert sich ihr Gesicht. Jetzt stellt sie sich darauf ein, sein Mitleid zu bekommen. Sie sieht traurig und müde aus. Eben noch war sie heiter, ihr fehlte nichts. Es genügt schon, dass sie den Wagen kommen hört, und schon ist sie wie umgewandelt. Der Mann kommt – und diesen Trick hat sie längst gelernt: wenn sie unglücklich ist, tröstet er sie. Wenn sie nicht unglücklich ist, wird er seine Zeitung lesen.
Eure Täuschungsmanöver sind eingeübt. Und sie funktionieren! Jedenfalls mit Leuten auf derselben Stufe. Denn die andern benutzen dieselben Tricks. Der Mann mag eben noch ein Lied geträllert haben, während er im Wagen saß; aber jetzt, wo er das Haus betritt, schlüpft er in seine Pose – der abgespannte, müde Brotverdiener, der sich den ganzen Tag für Frau und Kinder abgemüht hat und jetzt ein bisschen umsorgt und bemuttert werden will.
Aber vergesst nicht: Mitleid ist ein armseliger Ersatz für Liebe. Gebt euch nie mit Mitleid zufrieden. Mitleid ist absolut nichts wert. Und der, von dem ihr es bekommt, fühlt sich auch nicht wohl dabei. Es ist ihm im Grunde lästig. Er fühlt sich genötigt. Er tut es als eine Pflicht. Wenn jemand krank ist und erwartet, dass man sich mit ihm abgibt, dann geht man aus Pflichtbewusstsein hin. Bettelt nie um Mitleid. Seid glücklich, und Liebe strömt euch von allein zu. Liebe ist echte Münze; Mitleid ist Falschgeld. Es sieht wie Liebe aus, ist aber keine.
Und daraus entsteht folgendes Problem: du bittest um Mitleid, du bekommst es auch, aber hinterher fühlst du dich nicht erfüllt. Niemand fühlt sich durch Mitleid gesättigt. In Wirklichkeit hattest du Liebe nötig, hast aber um Mitleid gebettelt: Du hast um die falsche Nahrung gebeten. Wenn du sie bekommst, verdirbst du dir den Magen, und wenn sie dir vorenthalten wird, verdirbst du dir den Magen auch.
Denn wenn du um Mitleid bettelst und es nicht bekommst, dann macht dich das nur noch unglücklicher, denn dann bist du, scheint es, allen egal. Wenn du es aber bekommst, lässt es dich trotzdem unbefriedigt, weil Mitleid ein dünnes Süppchen ist, ohne Nährwert. Was du brauchst, ist wahre, authentische Liebe, ein Strömen, das von Herzen kommt. Was du brauchst, ist eine freudige Umarmung von deinem Mann, aber das kann nur geschehen, wenn du selbst zu einer magnetischen Kraft geworden bist: wenn dein Glück ihn an dich zieht.
Niemand wirft sich gern einem Häuflein Elend um den Hals. Dem Unglück gegenüber ist man auf der Hut; man bewegt sich vorsichtig. Aber diese Tricks sind euch in Fleisch und Blut übergegangen. Und so spielt ihr sie auch mir gegenüber aus, wenn ihr zu mir kommt. Sie sind euch zur zweiten Natur geworden.
Aber der Präsident erkannte ihn und gab ihm nichts.
Immer wieder versuchte er es von neuem –
selbst als Frau verkleidet. Aber ohne Erfolg.
Ihr könnt euch nicht verstecken, denn ein höheres Bewusstsein bedeutet nichts anderes als ein Bewusstsein, das alles durchschaut. Es kann nicht nur durch Kleider blicken – etwa den Schleier einer Muslimin –, es kann auch durch den Körper blicken – den Schleier der Natur. Es durchschaut euren Verstand – auch nur eine Art Schleier –, den Schleier der Kultur. Es blickt bis ins innerste Herz eures Seins hinein. Es dringt direkt bis zu eurer Mitte vor. Sei ehrlich, natürlich, gelöst. Wann immer du einem höheren Bewusstsein gegenübertrittst, sei natürlich und gelöst. Was du auch bist – bring es auf den Tisch. Halte nicht einmal eine Trumpfkarte zurück. Spiel mit offenen Karten. Du wirst viel Liebe zurückbekommen – du wirst alles erhalten; denn wenn du dich völlig nackt zeigen kannst, bedeutet das, dass du bereit bist zu sterben. Nur wenn du ungeschützt bist, wirst du offen, wirst du verwundbar.
Und ein Meister ist ein Tod. So steht es auch wörtlich in den alten indischen Schriften: „Ein Meister ist ein Tod.“ Wenn du zu einem Meister kommst, triffst du auf den Abgrund eines unendlichen Todes. Selbst der ge-wöhnliche Tod ist nicht so tief, denn der gewöhnliche Tod kann nicht viel zerstören. Deine geistige Form überlebt. Der Körper verwest, und du bekommst einen neuen. Der alte Körper wird gegen einen neuen eingetauscht. Aber deine geistige Form nicht – sie bleibt gleich und sucht sich einen neuen Körper. Ein Meister ist ein großer Tod. Wenn du durch einen Meister, seine Liebe und seinen Segen hindurchgehen kannst, wird nicht nur dein Körper, sondern auch dein geistiges Ich sterben. Was sterblich ist, wird sterben, und nur das, was nicht sterben kann – das Todlose –, wird überleben. Nur dein todloses Wesen, dein unsterbliches Wesen – Brahma.
Schließlich wandte sich der Advokat an einen
Beerdigungsunternehmer und trug ihm auf,
ihn in ein Leichentuch einzuwickeln.
„Wenn dann der Präsident vorbeikommt,
wird er mich für einen Toten halten
und vielleicht ein paar Münzen auf mich werfen,
für die Beerdigung.
Dann bekommst du etwas von dem Geld ab. “
Jetzt wird ein Kampf daraus. Der Advokat versucht verzweifelt, den Meister aufs Kreuz zu legen, nur um ihm sagen zu können: „Siehst du – sogar du kannst