Die großen Western Staffel 4. Diverse AutorenЧитать онлайн книгу.
in dieser Stadt übersetzen, was ich befehle, ist das klar?«
»Ja«, erwiderte Jericho. »Natürlich, mi General. Immer zu Diensten, Excelencia. Was wollen Euer Exzellenz befehlen?«
»Eine ganze Menge«, brummte Don Carlos. »Zuerst haben alle die Waffen hier abzuliefern. Alle Waffen, verstanden? Du rufst die Leute zusammen, damit sie die Waffen abgeben können. Pepe – Felipe, geht mit ihm, passt auf, dass er alles richtig macht. Einen Stuhl für mich hinausbringen und vor die Tür stellen, aber auf eine Kiste auf dem Hof, damit ich höher sitze als diese Gringos stehen.«
Er ist verrückt, dachte Jericho, der Kerl ist größenwahnsinnig, aber tödlich gefährlich. Immer abwarten und sein Spiel mitmachen, aber das eigene Spiel dabei nicht vergessen. Der soll nur glauben, dass ich ängstlich bin, nicht zu den Leuten hier gehöre und nur an mich denke. Der Kerl hat ein paar der Einwohner ausgefragt und weiß, dass hier selten jemand durchkommt und die Holzfäller erst morgen wieder eine Fuhre Bäume heranschaffen. Der denkt sich noch allerhand aus, wette ich, um die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. Wenn er dann endlich die Stadt verlässt, wird er dafür sorgen, dass ihm niemand folgen und keiner nach Prescott jagen kann, um den Marshal zu alarmieren. Wie will er denn sonst davonkommen?
Jericho gab sich ängstlich und fing nun sein Spiel an. Er musste den Halunken Carlos davon überzeugen, dass er harmlos war. Schaffte er das, stiegen seine Chancen, diesem Teufel irgendwann den wahren David Jericho Graves vorzuführen. Bis dahin würde noch allerhand passieren – und es würde nichts Gutes für Wagon Creek und seine Bewohner sein!
Der Mann wurde kreidebleich, die Frau schrie auf, während die anderen wie gelähmt auf der Straße standen und auf den Revolver blickten, der aus der Decke gefallen war. Einer der Bravados, die seit zwei Stunden jedes Haus durchsuchten und jeden Stall und Schuppen durchstöberten, hatte die Decke mitgebracht, mit Don Carlos geflüstert, der sie dann blitzschnell entrollt hatte.
Der Colt war auf die Vorbaubohlen gepoltert und lag nun in der Sonne.
»Abe!«, schrie die etwa dreißigjährige Frau entsetzt auf. »Abe, warum hast du nicht auf mich gehört – oh, mein Gott, Abe!«
»Deine Pistole, ja?«, fragte Carlos drohend und düster. Er nannte wie die meisten Mexikaner jeden Revolver eine Pistole. »Du verstecken Pistole, ja?«
»Oh, mein Gott, Señor, tun Sie ihm nichts«, wimmerte die Frau und brach schluchzend in die Knie. »Don Carlos, er wollte sich nur nicht von ihr trennen, weil sie ein Geschenk seines Vater ist – ein Hochzeitsgeschenk, eine teure Waffe. Er dachte, er würde sie nie wiedersehen, weil sie doch ganz vernickelt und so schön ziseliert ist, sogar sein Name ist eingraviert worden und …«
»Du still!«, schrie Don Carlos wütend. »Totengräber, was sagt sie alles? Diablo, ich mag heulende Weiber nicht. Was hat sie gesagt?«
Jericho übersetzte es, tat noch einiges, was die Waffe noch wertvoller erscheinen ließ, hinzu.
»Pepe – gib sie her!«, befahl Carlos finster. »So, sie ist wertvoll, darum hat sie der Mensch versteckt und behalten wollen? Ah, ja, ich sehe – sehr schöne Arbeit, sehr gute Waffe. Und was habe ich befohlen, he? Du, Totengräber, ich werde jetzt eine Rede halten – du übersetzt genau, was ich den Leuten zu sagen habe, verstanden? Wie heißt der Mann?«
Der Mann hieß Abe Harper und war der einzige Stellmacher von Wagon Creek. Carlos befahl ihm, vorzutreten, was Harper kreidebleich, aber hoch aufgerichtet tun wollte, doch seine Frau klammerte sich an ihn.
»Demonio, das Weib soll ihn loslassen, oder ich erschieße sie beide!«, brüllte Carlos wütend. »Andere Leute sollen sie gefälligst festhalten, während er vorzutreten hat. Sage es ihnen, Totengräber!«
Jericho tat es, und nach zwei Minuten stand Abe Harper, dessen Frau einige Nachbarn zurückhielten, vier Schritte unter Don Carlos, der nun ächzend auf den Stuhl stieg und Harpers Hochzeitsgeschenk auf den stocksteifen Mann unter sich richtete. »Du hast gegen meine Befehle verstoßen«, donnerte ihn Carlos an. »Und wer gegen meine Befehle handelt, der muss sterben, so habe ich es immer gehalten, verstanden, du elender Kerl? Dein Leben gehört mir wie dieser Revolver. Als dein Vater ihn dir geschenkt hat, hat er bestimmt nicht geahnt, dass dich die Waffe eines Tages töten würde, du hinterhältiger, heimtückischer Schurke. Keine Waffe, habe ich gesagt, nicht eine, auch nicht die älteste. Und was tust du, du Sohn eines Strolches, du Vetter eines Coyoten? Juanito – Paco!«
Jericho zuckte zusammen, als Don Carlos nach den beiden Kerlen schrie, die er auf dem Dach des Hotels postiert hatte. Es war das höchste Gebäude in Wagon Creek, hatte einen falschen Giebel, und die beiden Bravados konnten von dort oben meilenweit blicken. Sie sahen alles und jeden, der sich Wagon Creek näherte.
Im nächsten Moment begriff David Jericho, was Carlos vorhin mit dem stämmigen Paco zu flüstern gehabt und der mit einem breiten, viehischen Grinsen quittiert hatte.
Von oben fiel etwas herab, klatschte ans Vorbaudach. Danach setzte ein Schurren ein, und dann sah Jericho den Sparrenbalken oben – irgendeinen alten Dachsparren, den die Kerle wahrscheinlich vom Boden geholt hatten, weil er dort herumgelegen hatte.
Dieser Satan, das hatte gar nichts mit dem Harper zu tun, dachte Jericho verstört, das hat der Hundesohn als Abschreckung für alle geplant, irgendein Opfer hätte er wegen irgendetwas gefunden. Der wollte, oh, der Satansbraten, das hat er also vor?
Jericho fuhr zusammen, denn die Frau schrie jetzt gellend vor Entsetzen auf. Harpers Frau sah das Seil und die Hängeschlinge.
Jericho blickte Adam Harper an, der stumm und nun aschgrau im Gesicht auf die aus mehr als acht Schritt Höhe herabbaumelnde, pendelnde Schlinge sah. Harper sah einen riesigen Galgen und bewegte stumm die Lippen. Er konnte nichts sagen, seine Kehle war wie zugeschnürt.
Einen Augenblick packte die nackte Verzweiflung den Stellmacher. Er wäre beinahe fortgerannt, hätte den Versuch unternommen, vor dem Galgen zu flüchten. In derselben Sekunde traf der Stoß seinen Rücken.
»Du«, sagte der Bravado, den Don Carlos Ricardo gerufen hatte, mit seiner fetten, ölig klingenden Stimme hämisch. »Du hängen – gut hängen, gut, gut, Kamerad – du hängen, Kamerad.«
»Nein, nein, nein!«
Die Frau schrie so durchdringend hell, dass es Jericho durch Mark und Bein fuhr.
»Das verfluchte Weib soll schweigen!«, brüllte Don Carlos wütend. »Sage diesem Frauenzimmer, dass es den Mund halten soll, oder wir werden ihr den stopfen, verstanden? Du, Harper, du nicht gehorcht Befehl von General Don Carlos – ich dich hängen jetzt auf!«
Der, dachte Harper, und ihm war, als dächte nicht er es, sondern ein anderer, den er gar nicht kannte, der macht es – er hängt mich auf.
In diesem Moment wusste er es. Don Carlos, der Teufel, bluffte nicht. Adam Harper würde hängen!
*
Da stand er, die Hände und Füße gebunden. Er konnte nicht mehr denken, der Mann Adam Harper, er fühlte die rauen Fasern an seinem Hals, er stand auf der Kiste, um die einer der Kerle sein Lasso geworfen hatte, um sie gleich wegzureißen. Der Bravado nannte sich Emilio, hatte einen Seehundsbart und starrte Adam Harper mit funkelnden Augen an. Emilio saß auf seinem Pferd, die Hand schon erhoben und bereit, sie auf die Kruppe des Gaules herabklatschen zu lassen.
»Nein, nein«, wimmerte die Frau Harpers. Harper sah sie an und wunderte sich, dass er nichts empfand, gar nichts. Er fühlte sich wie leer, und er sah nur das Gesicht seiner Frau und die Gesichter der anderen Leute, die Betty festhielten. »Nein, das kann doch kein Mensch tun. Meine Kinder, meine armen Kinder – man kann doch den Kindern nicht den Vater nehmen!«
Harper hörte Beuys Wimmern, aber er dachte weder über die Verzweiflung seiner Frau noch über seine Kinder nach. Die hatten die Bravados in einen Raum des Hotels gesperrt und gedroht, sie umzubringen, wenn irgendwer in diesem Lausenest, wie Don Carlos höhnisch gesagt hatte, Widerstand leisten sollte. Neun Kinder lebten in der Town, die schon zur Schule gingen und nun alle im Hotel gefangen saßen. Sie würden keinen Unterricht mehr bekommen, denn der Mann,