Die sexuellen Gefälligkeiten der Lady Julie | Erotischer Roman. Johanna SöllnerЧитать онлайн книгу.
war vor zwei Jahren. Seitdem hatte ich meine Ruhe. Aber ich bin eine junge Frau. Ich habe Bedürfnisse. Ich kann es mir nicht immer nur selbst besorgen. James hat das verstanden. Er versteht es immer noch. Und er begleitet mich. Denn ich werde während meiner Reise an Orte kommen, wo ich ohne männliche Begleitung als Frau nicht verkehren kann.«
Sie starrt mich an. Dann beginnt sie langsam zu grinsen.
»Du meinst das wirklich ernst? Du bist schon ein verrücktes Huhn. Wahnsinn ... eine Reise um die Welt. Aber das muss ja eine Menge Geld kosten. Wie machst du das?«
»Weißt du, Nancy ... Wenn man mit viel Geld reist, dann hat man nur jede Menge Sorgen. Man muss Angst haben, dass man überfallen wird, dass man es unterwegs verliert, und außerdem: Wo ist dann der Reiz des Abenteuers? Ich gehe einfach davon aus, dass es überall auf der Welt genügend Gentlemen gibt, die einer englischen Lady gerne weiterhelfen.«
Hat sie vorhin noch verständnisvoll dreingeschaut, so beginnt sie jetzt mit den Augen zu rollen.
»Julie! Was zum Teufel hast du vor? Reiz des Abenteuers ... So ein Blödsinn! Glaubst du ernsthaft, dass du nur einmal mit den Wimpern klimpern musst und schon rollen sie dir überall den roten Teppich aus? Komm runter aus deiner Traumwelt.«
»Sagen wir es mal so ... Wenn ein Gentleman einer vornehmen englischen Lady auf ihrer Reise behilflich ist, dann wird sich die Lady natürlich auch erkenntlich zeigen.«
Ich sage das so ganz unschuldig und reize sie damit noch mehr.
»Du willst was? Dich erkenntlich zeigen? Aber du hast doch ...«
Mitten im Satz bricht sie ab. Auf ihren Wangen erscheint eine Röte, die ich von ihr schon kenne. Immer wenn sie sich aufregt, dann wird sie ganz rot im Gesicht. Es ärgert sie, wenn das passiert, aber ich finde, es steht ihr gut. Auch wenn ich mir jetzt gleich eine Standpauke von ihr anhören darf.
»Verdammt, Julie ... Du meinst mit dem erkenntlich zeigen doch nicht, dass du dann deinen Körper verkaufen willst. Bist du jetzt so naiv oder tust du nur so?«
Ich packe sie an ihren Handgelenken und ziehe sie zu mir heran. Ganz dicht ist ihr Gesicht an meinem.
»Nein, Nancy, naiv bin ich wirklich nicht. Aber hungrig. Hungrig auf das Leben. Hungrig auf die Liebe. Auf einen richtig steifen Schwanz, der mir zeigt, was es heißt, Frau zu sein. Ohne Vorschriften. Ohne Konventionen. Nur ich. Nur er. Wer immer er auch sein mag. Keine Verpflichtungen. Ich komme, wann ich will und ich gehe, wann ich will. Ich will die Liebe in fernen Ländern erleben. Ich möchte die Liebe auf Französisch. Ich möchte die Geschichten aus 1001 Nacht am eigenen Leib erfahren. Ich möchte erleben, wie es ist, die verschiedenen Stellungen des Kamasutra auszuprobieren. Ich möchte von einem wilden amerikanischen Cowboy mit Gewalt genommen werden. Oder von einem feurigen Spanier. Ich möchte frei sein in allem, was ich tue. Ich treffe die Entscheidungen und nehme mir, was ich will. Auch wenn die Männer glauben mögen, es sei gerade umgekehrt. Ich werde jedem meine triefende Grotte präsentieren, der mir auf dem Weg um die Welt weiterhilft. Der mir dahin gehend weiterhilft, meine Sehnsüchte zu erfüllen.«
Ich lasse sie los ... Ich sehe Tränen in ihren Augen. Da kullert eine ihre rechte Wange herab. Jetzt ergreift sie meine Hände und drückt sie. Ganz leise höre ich ihr Flüstern.
»Ja, Julie ... Ich glaube, ich verstehe ... Ich glaube, ich verstehe dich.«
Natürlich versteht sie mich. Ihr geht es doch nicht anders als mir. Von ihrem Vater nur des Geldes wegen mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet. Sie macht die gleiche Leidenszeit durch wie ich. Und dann höre ich noch etwas ...
»Julie ... Ich würde dich so gerne begleiten. Du musst dich melden. Versprichst du mir das? Du musst mir unbedingt schreiben. An eine geheime Adresse hier in London. Und wehe dir, du lässt auch nur die kleinste Kleinigkeit aus. Dann kündige ich dir die Freundschaft.«
PARIS, SEPTEMBER 1870
Paris. Endlich in Paris. Ich atme tief ein. Wir sind hier. Das erste Etappenziel ist erreicht. Wir sind in der Stadt der Liebe angekommen. Ich erinnere mich noch an den Abschied in London. Waterloo Station, London. Die schnaufende und rauchende Dampflok, die mich und James nach Dover gebracht hat. Natürlich hat es sich Nancy nicht nehmen lassen, uns zu verabschieden. Beinahe hätte sie mich nicht erkannt. Denn ich habe mich von einer englischen Lady in eine Abenteuerin verwandelt. Kurze und bequeme Lederstiefel haben die engen Schuhe ersetzt, mit denen ich sonst in Gesellschaft herumgelaufen bin. Dazu eine enge Lederhose und ein ebensolches Bustier, das meine Formen gut zur Geltung bringt. Ich kann die Knöpfe weit öffnen, um meine Reize herzuzeigen oder sie bis oben hin schließen. Je nach Situation. Weinend lag sie in meinen Armen. Sie hat sich mit einer Ausrede aus dem Haus geschlichen, denn ihr Ehemann darf nicht ahnen, was hier vor sich geht. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er versuchen würde, mich noch aufzuhalten. Sie hat mir einen Beutel mit Geld in die Hand gedrückt. Damit ich wenigstens bis Paris keine Sorgen haben muss. Und jetzt? Jetzt bin ich hier. In Paris.
Eine eigenartige Stimmung liegt über der Stadt. Ich habe das nicht gewusst. Die Franzosen befinden sich mit den Deutschen im Krieg. Und es läuft nicht gut für die Franzosen. Sie haben ein paar Mal gehörig Prügel bezogen. Jetzt ist der französische Kaiser an die Front abgereist. Um die Moral seiner Truppen zu stärken. Aber das ist ja alles weit, weit weg. Irgendwo an der Ostgrenze. Bei Belgien. Fast schon am Rhein. Hier in Paris sind wir sicher. Außerdem. Ich bin Engländerin und James ist Engländer. Was gehen uns die Streitigkeiten der Franzosen mit den Deutschen an. Ich bin aus anderen Gründen in die Stadt der Liebe gekommen. Eben der Liebe wegen. Ich will aber nicht nur die Liebe erleben. Nein. Auch der Kunst wegen bin ich nach Paris gereist. Und das Zentrum der Boheme ist der Stadtteil Montmartre im Norden von Paris. Mein Gott ... Was hat man von hier aus für einen tollen Ausblick über die Stadt. Mir ist, als läge mir die Welt zu Füßen. Zumindest wenn man es geschafft hat, über die steilen Treppen die Spitze des Hügels von Montmartre zu erreichen. Hier haben wir uns einquartiert. Von unserem letzten Geld haben James und ich uns ein einfaches Zimmer im Hinterhof eines Hauses angemietet. Durch die Ritzen pfeift der Wind und ein Nachttopf steht in der Ecke für unsere körperlichen Bedürfnisse. Ich habe nur noch ein paar Sou in meiner Tasche, als ich losziehe. Ich summe vergnügt vor mich hin, denn jetzt geht die Tigerin auf Beutezug. Ich habe mich schon ein wenig umgehört, wo sich denn die Künstler treffen. Vor dem alten Spiegel habe ich mich vorbereitet. Mein Bustier ist jetzt recht offenherzig geknöpft und auf Unterwäsche habe ich ganz verzichtet. Noch ein Knopf mehr und meine Nippel würden hervorspringen. Als ich allein auf der Straße stehe, beginnt mein Herz wie wild zu klopfen. Ich war doch vorhin so mutig. Ich bleibe stehen. Mein Blick schweift die Gasse hinunter zu diesem Lokal. Das »Maison de l’amour«. Das Haus der Liebe. Hier sind sie alle. Die Künstler. Ihre Modelle. Auch ein paar Huren. Ich falle hier bestimmt auf. Wenn ich dieses Etablissement betrete, dann werde ich es nicht allein verlassen. Da bin ich mir sicher. Meine langen roten Haare, die ich offen über die nackten Schultern fallen lasse, mein üppiges Dekolleté, das mehr herzeigt, als es züchtig ist. Das ist die Gewähr dafür, dass ich Aufmerksamkeit erregen werde. Und doch. Jetzt. Jetzt, wo ich das in die Tat umsetzen soll, wovon ich viele Monate lang geträumt habe, da habe ich plötzlich Angst. Angst vor mir selbst und Angst vor meiner eigenen Courage. Ich blicke hinunter. Hinunter auf Paris. Soll ich klein beigeben und eingestehen, dass es ein Fehler war? Ein Fehler, hierherzukommen? Diese ganze verrückte Idee mit der Reise um die Welt? Und während ich noch mit mir selbst darüber ringe, was ich tun soll, da spüre ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrecke. Blicke mich um.
»Excusez-moi, Madame ... Ist Ihnen nicht gut?«
Hinter mir steht ein gut aussehender Mann, etwa 1,80 Meter groß und schlank. Er hat ein gewinnendes Lächeln und einen wirklich reizenden Schnauzer. Meine Zweifel sind wie weggeblasen.
»Nein, nein, danke, Monsieur ... kein Problem. Ich wollte nur die Aussicht genießen.«
Die Lüge geht mir glatt von den Lippen, wobei sich in meinem Hinterkopf die Aussicht auf etwas anderes zu bilden beginnt.
»Julie ... Mein Name ist Lady Julie de Abbeyville.«
»Sie sind Engländerin?«
»Ja.