Vera - Sklavin der Lust | Roman. P.L. WinterЧитать онлайн книгу.
Erinnerungen
»Wir sind da!« Gerda riss ihre Freundin jäh aus deren Erinnerungen und Vera musste sich erst einmal orientieren. Die Fahrt war irgendwie komplett an ihr vorübergezogen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass der Wagen bereits auf Gerdas Parkplatz in der Tiefgarage stand.
Vor der Wohnung im dritten Stock wartete bereits ein Mann, den sie als Thomas erkannte. Freudig, aber dennoch zurückhaltend begrüßte sie ihn. Sie konnte sich schemenhaft daran erinnern, ihn nach der Trennung vor 13 Jahren vor einer Weile wiedergesehen zu haben.
In der Wohnung angekommen, öffnete Gerda das Gästezimmer und meinte stolz: »Hier hab ich alles untergebracht, was wir von deinen Sachen gerettet haben.« Sie deutete auf fünf große Umzugskartons, die in der hinteren Ecke des Zimmers standen. Obendrauf lagen noch zahlreiche weitere Gegenstände. Im großen Schrank befand sich Kleidung, die Vera größtenteils wiedererkannte. Ja, das waren ihre Sachen – aus ihrem alten Leben!
»Das wird bis auf Weiteres dein Zimmer sein – fühl dich wie zu Hause.« Gerda legte einen Arm um Vera und drückte sie an sich. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du wieder da bist. So, und jetzt bestell ich uns erst mal etwas zu Essen – Pizza für alle?« Vera und Thomas nickten zustimmend und Gerda griff zum Telefonhörer und bestellte drei Pizzen, die in zwanzig Minuten geliefert werden sollten.
Thomas hatte es sich inzwischen im Wohnzimmer in einem der bequemen Sessel gemütlich gemacht. Als sich die beiden Frauen zu ihm auf die Couch setzten, meinte er: »Vera, nun werde ich dich mal aufklären, was in deiner Abwesenheit hier so alles passiert ist. Zuerst allerdings eine wichtige Frage an dich – woran erinnerst du dich noch? Ich meine, woran hast du noch eigene Erinnerungen? Nicht das, was du von anderen bereits erfahren hast.«
»Also gut, lasst mich mal überlegen ... Wir zwei haben uns irgendwann letztes Jahr in München wiedergesehen. Danach haben wir uns noch ein paarmal regelmäßig getroffen – meist wohl bei mir zu Hause ...« – Vera zögerte und überlegte weiter – »... wenn Manfred nicht da war, oder?«
»Das stimmt«, bestätigte Gerda, wurde allerdings von Thomas ermahnt, Vera frei sprechen zu lassen.
»Dann wird es auch schon dunkel. Irgendwann habe ich einmal mitbekommen, wie Susanne ganz aufgeregt mit Maria getuschelt hat. Und als Manfred nach Hause kam, haben sie ihn schnell beiseitegenommen und auf ihn eingeredet. Ich kann jetzt aber nicht sagen, worum es dabei ging, ebenso wenig, ob er mir davon erzählt hat. Ich habe noch ein paar Erinnerungsfetzen an unseren Urlaub – das muss irgendwo in der Karibik gewesen sein, Venezuela, glaube ich. Wir waren dort am Strand, in Tanzlokalen und Bars, haben viel getrunken und Spaß gehabt. Meine ich zumindest. Da war ... eine improvisierte Geburtstagsfeier in einem der Lokale – auch etwas mit ... mit ... nackten Frauen um uns herum ... nein, ich weiß nicht. Bin mir nicht sicher. Tut mir leid ...«
»Ist schon in Ordnung«, versuchte sie Thomas zu trösten. »Gut, jetzt haben wir eine ungefähre Vorstellung davon, bis zu welchem Zeitpunkt du dich derzeit erinnern kannst. Jetzt versuchen wir es einmal von der anderen Seite: Was ist deine erste echte Erinnerung danach?«
»Das Kloster, in dem ich aufgewacht bin. Ein kleines, abgelegenes Nonnenkloster mitten in der brasilianischen Pampa. Irgendwo in der Nähe von Sertãozinho im Bundesstaat Paraíba.«
»Noch nie davon gehört, wo soll das sein?«, wollte Gerda wissen.
»Glaube ich dir gerne. Das ist ein kleines Dorf mit weniger als fünftausend Einwohnern und selbst die sind noch sehr verstreut über die ganze Gegend. Liegt etwa 55 Kilometer vor der Küste, auf halbem Weg zwischen João Pessoa und Natal.«
»Natal ... Ja, das ist mir ein Begriff – jetzt kann ich mir ungefähr vorstellen, wo du warst. Nur wie um Gottes Willen bist du dort gelandet?«
»Die Nonnen haben mir erklärt, dass uns ein Bauer gefunden hat –«
»Uns? Du sagtest gerade: ›uns‹!«, unterbrach Thomas, der bisher nur aufmerksam zugehört und sich Notizen gemacht hatte.
»Ja, es soll ein Mann bei mir gewesen sein. Da er nicht in das Nonnenkloster hineindurfte, wurde er in ein anderes Kloster gebracht. Als ich mich nach ihm erkundigte, war er aber nicht mehr dort. Es soll ihm ziemlich schlecht gegangen sein, daher wurde er am nächsten Tag gleich weiter in ein Ordensspital in die nächste größere Stadt gebracht. Ich habe nie herausgefunden, wer er war oder was aus ihm geworden ist. Die Nonnen leben sehr zurückgezogen und abgeschieden, die waren keine wirkliche Hilfe. Und als ich mich auf die Suche gemacht habe, war es schon viel zu spät, als dass sich irgendwer noch so richtig an ihn hätte erinnern können oder wollen.«
»Gut. Was ist mit dem Moment, als du aufgewacht bist: Wann war das?«, hakte Thomas nach.
»Das war am 18. November. Dieses Datum wurde mir genannt, deshalb weiß ich es so genau. Ich soll zwar schon vorher ein paarmal kurz aufgewacht, dann aber immer wieder bewusstlos geworden sein. Ab diesem Tag bin ich wach geblieben und seitdem kann ich mich eigentlich an alles erinnern.«
»Sehr gut. Das besprechen wir ein anderes Mal, wenn du dich erholt hast. Somit fehlen dir also mindestens die Zeit von Mitte August bis zum 18. November und davor hast du auch noch ein paar Lücken – die müssen wir wieder alle füllen.«
In diesem Moment klingelte der Pizzalieferant. Wenig später saßen die drei mit Besteck und Rotwein um den kleinen Tisch herum und genossen ihre Pizzen.
Nach einer Weile fragte Thomas: »Also zurück zu all dem, was während deiner Abwesenheit passiert ist. Womit möchtest du anfangen?«
»Mit Manfred – was wisst ihr von ihm? Warum sind Maria und Susanne so wütend auf mich?«
Thomas überlegte kurz, wie er es Vera am besten beibringen sollte, und setzte schließlich an: »Also gut, beginnen wir einfach mal damit, dass Gerda sich Ende Mai letzten Jahres bei mir gemeldet und mich um einen gemeinsamen Termin mit dir gebeten hat, zu dem es dann allerdings erst im August kam. Dabei ging es darum, dass deine Ehe mit Manfred – sagen wir es einmal so: dringend beendet werden müsste ...«
»... dringend beendet werden müsste? Was soll das heißen?«
»Im Klartext: Er hat dich mehrfach missbraucht und vergewaltigt. Und zwar nicht nur er selbst, sondern ebenso seine Freunde. Darüber hinaus hat er dich mit einem Video erpresst!«, sprudelte es aus Gerda heraus.
»Vergewaltigt? Video? Erpresst?«, echote Vera mit zitternder Stimme. Sie war erschüttert und irritiert.
»Stimmt«, antwortete Thomas bedrückt, »das Video ist Anfang dieses Jahres aufgetaucht und ich glaube, dass darin der Kern von Marias und Susannes Zorn auf dich liegt. Es dauert etwa eine halbe Stunde und zeigt, wie du Sex mit drei Männern und zwei Frauen hast. Oder besser gesagt, sie mit dir, da du doch recht teilnahmslos erscheinst. Es lässt sich nicht drum herumreden: Es ist eine sehr ausschweifende Orgie. Die Qualität des Videos ist relativ schlecht, allerdings hat es viel Staub aufgewirbelt. Da Manfred auf dem Video nicht zu sehen ist, gingen alle davon aus, dass er nicht dabei war und du ihn betrogen hast. Vor Kurzem haben wir das Original zugespielt bekommen. Da gibt es noch ein paar zusätzliche Szenen, auf denen Manfred und sein Busenfreund Kurt zu sehen sind, wie sie dir eine Menge Alkohol einflößen und sich ebenfalls an dir vergehen – da hast du dich noch aktiv zu wehren versucht.«
Mit weit aufgerissenen Augen saß Vera auf der Couch und hörte zu. Gerda hatte ihr einen Arm um die Schultern gelegt und drückte sie an sich.
»Dieses Video war der Grund dafür, warum du damals zu mir gekommen bist. Deiner Aussage nach entstand es, nachdem du fluchtartig aus einem Swingerclub geflohen warst, in den dich Manfred genötigt hatte. Er hat dir damit gedroht, es in Umlauf zu bringen und dafür zu sorgen, dass es auch deine Chefs bekommen, wenn du nicht das tust, was er will. Die Zeit mit ihm muss wirklich schlimm gewesen sein, und es schien wie eine göttliche Fügung, dass du damals Gerda wiedergetroffen hast. Sie war es auch, die dich dazu überredet hat, Kontakt mit mir aufzunehmen – und ich habe dir geraten, ihn sofort anzuzeigen und die Scheidung einzureichen, wozu du damals allerdings noch nicht bereit warst.«
»Ich