Anwaltshure 3 | Erotischer Roman. Helen CarterЧитать онлайн книгу.
Außenanlage. Rabatten zogen sich nun unter den Fenstern hin, zunächst noch zurückhaltend bepflanzt, bald aber bunter werdend und schließlich in einer Art floralem Crescendo vor dem Haupteingang jene Gäste umfließend, die hier mit ihren Limousinen vorfuhren.
Und wie meine Blicke auf dieses Portal fielen, das von einem auf Säulen ruhenden Vordach überragt wurde, befand ich mich auf einer Empore, die rund um die gewaltige Eingangshalle führte. Über meinem Kopf spannte sich eine gewaltige, mit riesigen Gemälden verzierte Decke. Die Seitenwände zierten überlebensgroße Porträts irgendwelcher historischer Ahnen. Die Damen in üppig wallenden Röcken, die Herren mit den elegantesten Uniformen. Und zwischen diesen Gemälden standen Ritterrüstungen, als gelte es, die archaischen Ursprünge des Geschlechts in Erinnerung zu halten.
Meine Finger umklammerten den Handlauf der Ballustrade, während ich auf den steinernen Boden hinabblickte. Hallende Schritte ließen mich zurückschnellen. Ich wollte bereits in Deckung gehen, als ich eine tiefe, beinahe grollende Stimme meinen Namen rufen hörte. »Miss Hunter?«
Es gab keinen Zweifel. Der Entführer aus dem Maybach! Ertappt beugte ich mich wieder ein wenig nach vorn und sah, dass der Mann mittlerweile in die Mitte der Halle getreten war und mit weit aufgerissenen Augen zu mir nach oben schaute. »Miss Hunter! Könnten Sie bitte runterkommen? Mr MacNeill würde gern mit Ihnen sprechen.«
Seine Stimme schien noch immer nachzuhallen, während ich leicht schwankend die mächtige Treppe hinunterging. Eine Treppe, wie gemacht für Scarlett O’Hara. Nur, dass die sich sicherlich nicht so hätte festklammern müssen, wie ich, da ich offensichtlich eine gewisse Höhenangst entwickelte.
Am Fuß der Treppe nahm mein Entführer mich in Empfang. Doch anstatt meine Hände zu fesseln, streckte er mir die seine entgegen und verkündete herzlich: »Thomas O’Leary, Miss Hunter. Oder darf ich Emma sagen?«
Für einen Mann, dessen Schwanz ich schon so gut wie im Mund gehabt hatte, war er auffallend zurückhaltend ...
Was für eine Entführung war das denn?
»Mister O’Leary ...«, erwiderte ich perplex.
»Ich darf Sie ins Kaminzimmer begleiten? Mr MacNeill hat einen leichten Luncheon für Sie herrichten lassen. Sie sind sicher hungrig.«
Er war so eifrig wie ein neu eingestellter Diener. Seinen vornehmen Anzug vom Vortag hatte er gegen eine legere Jeanshose und ein Polohemd getauscht. Noch immer sah er distinguiert aus und attraktiv. Dabei war er eher der Typ, den man sah, wahrnahm und gleich wieder vergaß.
Wir durchquerten die Halle, wobei mein Kopf von all den Fragen sirrte, die ich stellen wollte. Doch da er offensichtlich vorhatte, mich dem Boss vorzuführen, schenkte ich mir das.
Thomas hielt mir die Tür auf und ich blickte in einen herrlichen Raum, der seinem Namen wirklich alle Ehre machte. In einem wunderschönen rustikalen Kamin prasselte ein behagliches Feuer, vor dem man einen wuchtigen, ledernen Ohrensessel aufgestellt hatte. An der Seite gab es eine passende Club-Couch, über die ein Foulard geworfen worden war. In dem Sessel saß ein Mann, der meinen Atem stocken ließ. Seine langen Beine waren lässig übereinander geschlagen, während seine Hände gefaltet auf seinem Bauch ruhten. Sein dunkelblondes Haar glitt in leichten Wellen bis weit über seine Schultern und lenkte den Blick fast von seinem ruhigen, ovalen Gesicht ab. Die gesamte Erscheinung mir gegenüber schien einem anderen Jahrhundert entsprungen. Lediglich die enge blaue Jeans und das um einen Knopf zu weit geöffnete schwarze Hemd erinnerten daran, dass MacNeill sehr wohl in unser Jahrhundert gehörte. Er mochte Anfang, Mitte dreißig sein, hatte aber die Aura eines älteren Mannes.
Als er mein Näherkommen bemerkte, erhob er sich und begrüßte mich mit Handschlag. »Miss Emma Hunter ... Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
Meine Zunge drückte sich durch meine zusammengepressten Zahnreihen. So viel konnte es nicht sein, denn er hatte noch keinen Ständer, dachte ich und musste beinahe lächeln. »Ich wollte, ich könnte das Gleiche von Ihnen sagen, Mr MacNeill.«
Der hochgewachsene Mann deutete mit einer eleganten Handbewegung auf einen kleinen Tisch, wo sich ein Tablett mit Essen befand. Mein Blick fiel auf appetitlich präsentierten kalten Braten, französisches Weißbrot, Salat und auch auf Wein. Mein Magen knurrte so laut, dass es selbst Scotland Yard hätte hören müssen, und doch lehnte ich das Essen ab. Stattdessen starrte ich MacNeill so feindselig wie nur irgend möglich an, was mir fast ebenso schwer fiel, wie die Ablehnung des Essens.
»Sie sollten etwas zu sich nehmen ...«, beharrte er.
»Danke. Aber wie Sie sehen, bin ich keine geübte Geisel. Ich werde nicht jeden Tag betäubt und entführt. Deswegen falle ich auch gleich mal mit der Tür ins Haus und frage, was das alles hier soll. Hätten Sie mich einfach eingeladen ...«
»... wären Sie wohl kaum gekommen«, vervollständigte er meinen Satz.
Ich wollte etwas ungemein schnippisch Geistreiches zu ihm sagen, doch es fiel mir nichts ein. Nur, dass ich mich nicht bedroht fühlte, stellte ich beruhigt fest.
»Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, sagte er ruhig.
Und ich antwortete: »Das ist ein unkonventioneller Schritt für einen Entführer. Daher gehe ich mal davon aus, dass Sie auch noch nicht so geübt sind. Erfahrene Entführer pflegen ihren Geiseln wohl keine Erklärungen abzugeben.«
Mit gesenktem Kopf trat er an einen kleinen Servierwagen, auf dem sich diverse Flaschen befanden, zusammen mit Soda, Eis und Gläsern. Er goss sich Brandy ein und trank langsam.
»Ich habe Sie hierher holen lassen, weil wir ihre Hilfe brauchen.«
»Ich kann nicht behaupten, dass diese Entführung gerade durchschnittlicher wird«, gab ich etwas zickig von mir. »Ach, und übrigens: Wer ist wir?«
Er hielt das Glas vor seinem Mund in der Schwebe und betrachtete mich über den Rand hinweg.
Jetzt hatte ich genug. »Hören Sie zu, Mr MacNeill ... Ich bin nichts weiter, als eine kleine Nutte, die für George McLeod seine Klienten bei Laune hält. Wenn ich mich so umsehe, glaube ich kaum, dass Sie es auf ein Lösegeld abgesehen haben. Das im Übrigen von McLeod kommen müsste, da ich keine großen Reichtümer gehortet habe und auch niemanden sonst kenne, der für mich zahlen würde. Wenn Sie mich jetzt und hier die Zinnen dieses Schlosses hinunterstoßen, wird die einzige Folge sein, dass Mr McLeod per Annonce eine neue Mitarbeiterin suchen würde. Sie sagen, Sie brauchen meine Hilfe. Fein! Und wobei?«
Überraschend ergriff er meine Hand und schob mich zu dem Club-Sofa. »Setzen Sie sich. Es ist alles im grünen Bereich. Ich werde Ihnen keinen Schaden zufügen und Sie werden mir helfen, Miss Hunter.«
Seine Hand fühlte sich samtig und warm an, doch darunter lagen harte, intensiv drängende Muskeln. Wie eine Schülerin bei der Prüfung saß ich auf der Couch. Steif. Während MacNeill sich leicht seitlich gesetzt hatte und sein Bein so über das untere geschlagen, dass es praktisch wie ein Riegel vor meinen Knien ruhte. Im Bruchteil einer Sekunde konnte er die Hand ausstrecken und mich festhalten. Es war keine offene Bedrohung oder gar Einschüchterung, sondern eine einfache Demonstration des Willens.
»Wie Sie bereits selbst erwähnt haben, sind Sie Nutte bei McLeod ... Das heißt, Sie gehen tagtäglich mit Männern ins Bett, die reich und mächtig sind.«
Innerlich nickte ich zustimmend, äußerlich blieb ich ausdruckslos. »Rechte Hand« war ein guter Ausdruck, schoss es mir durch den Kopf und ich musste schmunzeln. »Ich will jetzt wissen, um was es geht.«
MacNeill saugte seine Unterlippe zwischen seine Zähne und nickte. »Kennen Sie eine Gruppe, die sich ›The Avengers‹ nennt?«
Natürlich kannte ich die. Schließlich waren die Zeitungen und Fernsehprogramme voll mit Berichten über diese Leute, die ganz offensichtlich in Robin-Hood-Manier Banker und Manager hereinlegten und ihnen jede Menge Geld abluchsten. Nach den Zockereien der Banken, für die die Bürger geradestehen mussten, erhielten die »Avengers« alle möglichen positiven Reaktionen, von verhaltener Neugierde, bis zu offenem Beifall.
»Ach