Butler Parker 132 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
unterstrich auch seine Vertraulichkeit, die er an den Abend legte.
Ein wirklicher Inselbewohner hätte sich einem Unbekannten nie derart intim offenbart und von seinen privaten Dingen und Verhältnissen gesprochen. So etwas tat man einfach nicht.
»Ich werde irgendwo ein kleines Hotel übernehmen«, redete der Unbekannte inzwischen munter weiter. »Dann lasse ich andere für mich arbeiten, verstehen Sie?«
»Eine interessante Vorstellung, von der ich nur zu träumen wage«, gab Josuah Parker zurück. Nun stand es mit letzter Sicherheit fest: Dieser Mann wollte etwas von ihm. Irgendwann würde er mit einem Angebot herausrücken und die sprichwörtliche Katze aus dem Sack lassen.
Parker kam zu dem Entschluß, seine Abneigung zu überwinden und auf das Spiel einzugehen. Wahrscheinlich plante man etwas gegen Lady Agatha. In solch einem Zusammenhang war es immer wichtig, die Absichten etwaiger Gegner kennenzulernen.
Parker ließ sich zu einem Stout einladen und dann zu einem weiteren. Er opferte sich wieder mal für eine Dame, die nur zu gern gefährlich lebte.
*
Als Parker erwachte, hatte er einen pelzigen Geschmack im Mund. Sein Kopf schmerzte. Er entdeckte, daß er auf einem dicken Fell lag, was ihn verständlicherweise stutzig machte. Er richtete sich auf und nahm zur Kenntnis, daß das Eisbärenfell vor einem offenen Kamin ausgelegt war.
Sekunden später genierte der Butler sich ein wenig.
Er trug nur seine diskret gestreifte Unterhose, die fast bis zu den Knien reichte. Sonst fehlte jede Bekleidung. Er konnte sich nicht erinnern, wie es zu dieser Situation gekommen war. Er stützte sich mit der linken Hand auf, drehte sich zur Seite und stutzte erneut. Neben ihm auf dem Eisbärenfell lag eine Frau, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Sie war fast entkleidet, seiner Schätzung nach etwa vierzig Jahre alt und sah noch recht ansehnlich aus.
Butler Parker räusperte sich diskret, doch sie reagierte nicht darauf. Sie hätte es auch gar nicht mehr gekonnt, denn sie war verblichen, wie Parker es umschrieben hätte. Im Schein des flackernden Kaminfeuers entdeckte Parker einige deutliche Würgemale, darüber hinaus aber auch ein blutbeflecktes Messer, das wohl jene Stichwunde verursacht hatte, die unterhalb der linken Brust der Dame deutlich zu sehen war.
Parker stand auf, fühlte sich noch schlechter und suchte erst mal nach seinen Kleidungsstücken. Er taumelte etwas, als er auf den Sessel zuging, über dessen Lehne sie lagen und hatte Mühe, auf das Geräusch zu reagieren, das plötzlich zu hören war.
»Mensch, was haben Sie denn angerichtet?« fragte eine Stimme entsetzt. »Mann, Parker, sind Sie wahnsinnig? Wie konnten Sie das nur tun?«
Der Butler hatte sich umgewandt und sah den Mann, mit dem er einige Gläser Stout getrunken hatte. Er kam mit schnellen Schritten auf den Kamin zu, beugte sich über die Entseelte und richtete sich dann auf. Er schüttelte immer nur den Kopf und war nicht fähig, jetzt etwas zu sagen.
»Sie sehen mich überrascht«, sagte Parker, während er sich ankleidete und zusah, wie sein Gastgeber sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzündete.
»Überrascht? Mann, das ist Mord! Das wird Sie für den Rest des Lebens ins Zuchthaus bringen.«
»Eine unerfreuliche Vorstellung«, antwortete Josuah Parker.
»Das ist stark untertrieben, Parker. Warum nur haben Sie sie umgebracht?«
»Wer ist die Dame, wenn man fragen darf?«
»Unsere Hausbesorgerin. Können Sie sich denn nicht mehr erinnern? Sie haben sie umgebracht.«
»Das erwähnten Sie bereits«, sagte der Butler. »Die Tatsachen reden leider eine nur zu deutliche Sprache.«
»Die arme Rose Floyden«, trauerte der Mann. »Das hat sie bestimmt nicht erwartet, als Sie mit ihr hierher in die Bibliothek gingen, Parker.«
»Davon sollte man wohl ausgehen. Wie war doch noch Ihr Name? Ich bitte zu entschuldigen, daß ich unter einer momentanen Gedächtnislücke zu leiden scheine.«
»Wie ich heiße? Mensch, Parker, ich bin doch Rodney, Rodney Bottning. Können Sie sich tatsächlich nicht mehr erinnern?«
»Und wo befinde ich mich?«
»In Sir Richard Bromleys Haus. Was machen wir jetzt? Wir müssen die Polizei verständigen, das ist doch klar, oder?«
»Wo befindet sich Sir Richard?« fragte Parker und warf einen schnellen, aber auch scheuen Blick auf die Tote vor dem Kamin.
»Der macht Urlaub«, erwiderte der Mann, der sich als Rodney Bottning vorgestellt hatte. »Parker, Sie werden doch hoffentlich nicht auf den Gedanken kommen, etwa mich ...?«
Während der Butler des Hauses Bromley noch redete, wich er vorsichtig in Richtung Tür zurück.
»Ich bin kein Doppelmörder«, antwortete Josuah Parker.
»Vielleicht gibt’s einen Weg, die Sache hier unter den Teppich zu kehren«, sagte Rodney Bottning.
»Wie darf ich Ihre Anmerkung interpretieren?« fragte Butler Parker.
»Na ja, von dieser Geschichte wissen nur Sie und ich«, sprach Rodney Bottning weiter. »Und dazu sind wir Kollegen, verstehen Sie?«
»Momentan bin ich nicht in der Lage, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen«, gestand der Butler.
»Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Mister Parker. Ich meine … Sollte man nicht ... Also, wenn wir Mistreß Floyden ...«
»Ich sollte mich zu meiner schrecklichen Tat bekennen.« Parker streckte sich und schaute hinüber zum Telefon. »Ja, das sollte ich. Ich habe schließlich einen Menschen umgebracht, wenn ich die Dinge richtig beurteile.«
Parker ging zum Wandtisch und griff zum Telefonhörer. Plötzlich aber tauchte sein Berufskollege Rodney Bottning neben ihm auf und drückte den Hörer zurück auf die Gabel. Dazu schüttelte er den Kopf.
»Tun Sie’s nicht«, sagte er eindringlich. »Ein Leben lang in einem Zuchthaus. Sie können sich das wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen.«
»Und was schlagen Sie vor, Mister Bottning?«
»Wir schaffen die Leiche, äh, ich meine, ich werde die Tote aus dem Haus schaffen.«
»Wobei ich Ihnen behilflich sein könnte.«
»Ausgeschlossen, Mister Parker! Sie fahren sofort zurück nach Hause. Verstehen Sie, Ihr Alibi muß fugendicht sein.«
»Und wohin gedenken Sie die Bedauernswerte zu bringen?« erkundigte Parker sich interessiert.
»Ich setze sie irgendwo ab. Mir wird schon was einfallen. Wir haben da draußen im Park einen verschlammten Teich. Ersparen Sie mir die Einzelheiten, aber ich schaffe das schon.«
»Warum, Mister Bottning, wollen Sie das für mich tun?«
»Berufssolidarität, Mister Parker. Und ich fühle mich halt auch ein wenig schuldig, ich habe Sie schließlich in diese verrückte Situation gebracht. Also, sind Sie einverstanden?«
»Ich werde tief in Ihrer Schuld stehen, Mister Bottning.«
»Dafür helfen Sie mir mal aus der Patsche, einverstanden? Aber jetzt sollten Sie gehen. Benutzen Sie möglichst den Bus und die Untergrundbahn. Ich erkläre Ihnen, wie Sie zurück in die City kommen.«
Butler Parker ließ sich aus dem Raum drängen und stand nach wie vor unter einem Schock. Dennoch sorgte er für den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone und legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten linken Unterarm. Dann schritt er hinaus in den Morgen, der sich gerade erst ankündigte.
*
»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte Lady Agatha Simpson ihren Butler.
Sie sah ihn vorwurfsvoll an und erhob sich aus dem tiefen Ledersessel des Salons. Sie trug einen bis