Dr. Norden Classic 39 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
ihrer Lebhaftigkeit hatte sie etwas Rührendes an sich, und unwillkürlich musste Daniel lächeln.
»Bis auf ein kaputtes Fenster zu Hause glücklicherweise nicht. In der Praxis ist offenbar das Dach kaputt, und meine Freundin und Kollegin Jenny Behnisch bittet mich um Hilfe. Sie betreibt eine renommierte Privatklinik.« Unwillkürlich musste Daniel an Ricardas Bemerkung von vorhin denken. »Dieses Krankenhaus ist zwar viel kleiner als die Londoner Bridge-Klinik, ihr aber durchaus ebenbürtig. Die Behnisch-Klinik ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt für ihre ausgezeichnete Versorgung. Qualifizierte Fachkräfte wie Sie werden dort übrigens immer gesucht. Melden Sie sich, wenn ich ein gutes Wort für Sie einlegen soll.« Er nestelte eine Visitenkarte aus der Jackentasche und reichte sie der Krankenschwester.
Lächelnd revanchierte sich Ricarda mit der Karte ihres Freundes.
»Und das hier ist die Adresse von Sebastian. Er ist spezialisiert auf Dachschäden.« Sie lachte herzlich über ihren eigenen Scherz. »Bestimmt hat er in nächster Zeit viel zu tun. Aber wenn Sie sagen, dass Sie mich kennen, bekommen Sie sofort einen Termin. Versprochen!«
»Vielen Dank!« Erfreut steckte Daniel die Karte ein. Dann wurde es Zeit für den Abschied. »Dann wünsche ich dem jungen Glück alles Gute! Ich drücke Ihnen die Daumen.«
Ricarda winkte ihm und machte sich auf den Weg zum nächsten Taxi, das hinter seinem parkte. Daniel konnte beobachten, wie sie die Beifahrertür öffnete, sich zum Fahrer beugte und ihn mit einem Redeschwall übergoss.
Lächelnd wandte er sich ab und stieg in sein Taxi. Schon jetzt wusste er, dass er diesen Sebastian Hühn auf jeden Fall anrufen würde. Natürlich würde das in erster Linie deshalb geschehen, weil er die Dienste des Handwerkers in Anspruch nehmen musste. Aber wenn er dabei erfuhr, wie die Geschichte zwischen der Krankenschwester und dem Dachdecker weiterging, hatte er auch nichts dagegen.
*
»Sie wollen in diesem Zustand in die Klinik gehen?«, erkundigte sich die Haushälterin der Familie Norden unwillig und musterte ihre Chefin Felicitas unwillig. Dabei schüttelte sie den Kopf. »Kein Mensch hat was davon, wenn Sie vor Schwäche zusammenbrechen. Mal abgesehen davon, dass Sie die Patienten anstecken könnten«, versuchte sie, Fee mit vernünftigen Argumenten davon abzuhalten, das Haus zu verlassen.
Doch die Ärztin dachte gar nicht daran, Jenny Behnischs Hilferuf zu ignorieren.
»Das klingt ja so, als wäre ich halb tot«, verteidigte sie sich, während sie in eine Jacke schlüpfte. »Ich habe nur eine kleine Erkältung, mehr nicht. Falls es Sie beruhigt: Ich binde mir einen Mundschutz um und helfe nur dort, wo ich nicht unmittelbar mit Patienten in Berührung komme.« Aus Erfahrung wusste Fee, dass in solchen Notlagen jede helfende Hand gebraucht wurde. Und wenn sie nur Betten schieben oder Verbandmaterial auffüllen konnte, so war das immer noch besser, als tatenlos zu Hause herum zu sitzen.
Auf dem Weg in den Flur rief Fee nach ihrem zweitältesten Sohn.
»Felix!« Sie wartete, bis er oben am Treppenabsatz auftauchte. »Ich versuche, irgendwie in die Klinik zu kommen. Kümmerst du dich bitte inzwischen ein bisschen um Lenni und hilfst ihr beim Aufräumen?« Ihr Blick wanderte über die Scherben im Wohnzimmer. Ein großer Ast lag mitten auf dem Teppich.
»Ich brauch keinen Babysitter!«, schimpfte Lenni in ihrer Sorge um Fee ungehalten. »Mir wäre es lieber, Felix würde Sie begleiten und darauf aufpassen, dass Sie sich nicht übernehmen.« Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und machte ihrem Unmut lautstark Luft.
Doch die Ärztin winkte nur ungerührt ab.
»Ich hab doch schon mehr als einmal bewiesen, dass Unkraut nicht vergeht«, lächelte sie versöhnlich und griff nach ihrer Tasche. »Und bitte informiert mich, sobald ihr was von Dan hört. Sein Handy ist aus, und ich mach mir große Sorgen.« Obwohl sich Felicitas tatsächlich nicht so gut fühlte, wie sie vorgab, winkte sie zum Abschied und machte sich auf den Weg in die Behnisch-Klinik.
Lenni starrte ihr erbost nach.
»Warum ist diese Frau so stur?«
Diese Bemerkung brachte Felix zum Lachen.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«, fragte die langjährige Haushälterin ungehalten. Immer noch grinsend legte Felix den Arm um ihre Schultern.
»Das fragen Sie noch?« Er drückte sie tröstend an sich. »Dabei dachte ich, dass gerade Sie diese Eigenart besonders gut verstehen können. Immerhin sind Sie ja selbst eine Frau.« Er hatte noch nicht, ausgesprochen, als er vorsichtshalber einen großen Schritt zur Seite machte, um Lennis gutmütigem Hieb auszuweichen.
Dabei entging ihm ihr Lächeln nicht und zufrieden damit, die Sorge wenigstens vorläufig aus ihrem Gesicht vertrieben zu haben, machte er sich auf den Weg, den Auftrag seiner Mutter auszuführen und darüber hinaus das klaffende Loch in der Scheibe mit Plastik abzukleben, um die unangenehme Kühle draußen zu halten.
*
»Ricarda!« Die Krankenschwester hörte ihren Namen, als sie gerade in das Taxi steigen wollte, und erkannte die Stimme sofort. Trotzdem wunderte sie sich.
Sie hatte Sebastian gebeten, nicht zum Flughafen zu kommen. Auf das erste Treffen nach so langer Zeit wollte sich die Krankenschwester in aller Ruhe vorbereiten. Ausgiebig baden, die widerspenstigen, rotblonden Haare zähmen, sich sorgfältig schminken und schick anziehen. Sebastian hatte ihr versprochen, ihren Wunsch zu respektieren. Deshalb hielt sie das Rufen für einen Irrtum.
»Ricarda! Nicht einsteigen! Ich bin hier, um dich abzuholen!«
Die Hand auf dem Türholm des Taxis drehte sie sich doch ungläubig um.
»Ist das …?«, stammelte sie. »Nein. Das kann nicht … das kann nicht sein.«
Doch es war wirklich Sebastian, der im Laufschritt und mit strahlendem Lächeln auf sie zu rannte. Augenblicklich zog sich Ricardas Herz zusammen.
Er sah herzergreifend gut aus. Sein welliges Haar war tiefschwarz und reichte ihm bis zu den Schultern. Seine seidige Haut hatte diesen italienischen Braunton, der in unwiderstehlichem Kontrast zu den tiefblauen Augen stand. Daran hatte sich in all den Jahren nichts geändert, und Ricarda konnte es kaum fassen, dass er wirklich vor ihr stand. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie im Gegensatz zu ihm wie eine Vogelscheuche aussehen musste.
»Was machst du hier?«, fragte sie deshalb schroffer als beabsichtigt, als er sie ohne Umschweife in die starken Arme zog.
So dicht an seiner Brust konnte sie sein Herz schlagen fühlen.
»Gott sei Dank!«, raunte er ihr heiser ins Ohr. »Ich hatte solche Angst um dich. Geht’s dir gut?«
»Aber Basti, was machst du hier?«, wiederholte Ricarda ihre Frage. »Du weißt doch, dass ich erst ins Hotel gehen wollte.«
»Nicht böse sein. Aber ich konnte nicht anders.« Noch immer hielt er sie so fest, als wollte er sie nie mehr loslassen. »Als der Sturm losgebrochen ist, habe ich am Flughafen angerufen, um zu erfahren, ob alles in Ordnung ist. Sie haben mir gesagt, dass ihr in Turbulenzen geraten seid. Da konnte ich nicht anders und musste einfach herkommen.« Endlich löste er sich von ihr und schob sie ein Stück von sich, um sie zu betrachten. Sein Blick fühlte sich an wie ein Streicheln auf der Haut, und ein Schauer rann über Ricardas Rücken. »Ricky, ich habe die Rettungswagen hier am Flughafen gesehen. Und dann konnte ich dich nirgends entdecken. Es war schrecklich. Wenn dir was passiert wäre … Das hätte ich mir nie verzeihen können. Schließlich bist du ja nur wegen mir hierher geflogen.« Erst jetzt erkannte Ricarda die Spuren der ausgestandenen Angst auf seinem Gesicht, und vor Rührung zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.
»Jetzt musst du keine Angst mehr haben, Basti. Mir geht’s gut. Aber es war wirklich schlimm und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich wieder beruhigt habe. Zum Glück ist neben mir ein ganz netter Arzt gesessen. Er heißt Daniel Norden und hat einen Dachschaden …« Lachend hielt Ricarda inne. »Ich meine natürlich, dass der Sturm einen Schaden an seinem Praxis-Dach verursacht hat. Deshalb hab ich ihm deine Karte gegeben. Er wird sich mit dir in Verbindung