Dr. Laurin Classic 41 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
will jetzt alles darauf schieben. Es ist schrecklich peinlich, aber sie hetzt überall herum«, erklärte Jürgen Roth.
»Sie hetzt gegen die feinen Pinkel«, sagte Antonia ironisch.
Nun mußte Jürgen Roth sogar ein bißchen lachen. »Konstantin ist unübertrefflich«, sagte er. »Der Junge hat einen so trockenen Humor, daß ich manchmal nicht ernst bleiben kann.«
»Jetzt werden wir uns aber lieber mal um diese Frau Remke kümmern. Ich werde das in die Hand nehmen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, ist immer noch Frau Dr. Schöler Schulärztin. Sie mag mich zwar nicht, aber das soll mich nicht hindern, mal mit ihr zu sprechen. Und wenn es gar nicht anders geht, muß das Gesundheitsamt eingeschaltet werden«, sagte Antonia.
O ja, sie konnte sehr energisch werden, diese bezaubernde Frau Dr. Antonia Laurin. Das hatte sie schon manchmal bewiesen.
Sie ließ sich die Adresse von Frau Remke geben und machte sich gleich auf den Weg zu ihr.
*
Dr. Laurin hatte es endlich fertiggebracht, Helmut Höhne zu überreden, nach Hause zu fahren.
Patrick schlief jetzt. Marga Höhne wartete ungeduldig auf ihren Sohn. Stumm umarmten sie sich.
Stockend erzählte er, aber schon bald wurde er von seiner Mutter unterbrochen.
»Schollmeier«, sagte sie. »Ich hatte gleich kein Vertrauen. Aber wenn er dafür verantwortlich ist, wird er es büßen, so wahr ich Marga Höhne heiße.«
Sie hatte das gleiche Temperament wie ihr Sohn, aber Helmut war jetzt viel zu deprimiert, um sich noch zu erregen.
»Was nützt alles, wenn Katja daran stirbt«, flüsterte er.
»Sag das nicht. Um Himmels willen, Junge, das darfst du nicht denken! Dr. Laurin ist ein bekannter, ein sehr guter Arzt. Wäre Katja doch nur gleich in die Prof.-Kayser-Klinik gegangen.«
Es war jetzt müßig, darüber zu reden, warum sie das nicht getan hatte. Die Klinik Dr. Schollmeier war eben die nächste gewesen.
Ihr war auch trostlos zumute, aber sie wollte ihrem Sohn das Herz nicht noch schwerer machen. Tränen traten ihr in die Augen, als sie das schlafende Baby betrachtete, für das sein Vater heute keinen Blick gehabt hatte.
Herrgott, laß Katja leben, betete sie. Sie wußte nicht, daß Schwester Marie das gleiche tat.
»Wenn die nächste Injektion das Fieber nicht drückt, sehe ich keine Chance mehr«, sagte Dr. Laurin leise.
»Aber vielleicht war es ihre einzige Chance, daß sie dieses Fieber bekam«, bemerkte Dr. Petersen gedankenvoll.
»Ich nehme an, daß sie ständig Zwischenblutungen hatte und sich die Natur so selbst helfen wollte. Dann sind diese Blutungen durch ein Mittel eingedämmt worden, und der Fäulnisherd in der Gebärmutter breitete sich aus.«
»Genau, Herr Petersen. Das waren auch meine Überlegungen. Wir stimmen wieder einmal völlig überein. Ich muß Schollmeier sprechen. Er muß mir Auskunft geben.«
»Sie sagen das so skeptisch«, bemerkte Dr. Petersen.
»Weil ich Bedenken habe, daß er Auskunft geben wird. Halten Sie es bitte nicht für Konkurrenzneid, wenn ich sage, daß ich keine sonderlichen Sympathien für diesen Kollegen hege.«
»Konkurrenzneid brauchen Sie wahrhaftig nicht zu hegen«, meinte Petersen. »Guter Gott, niemand würde Ihnen das zutrauen.«
»Niemand? Nun, vielleicht Dr. Schollmeier. Wir wissen doch beide, welche Gefahren unser Beruf mit sich bringt. Wir wissen auch, daß menschliches Versagen manchmal totgeschwiegen wird. Wir haben doch unsere Berufsehre, wir Ärzte.« Das klang sehr sarkastisch. »Die Götter in Weiß müssen unfehlbar sein, sagt man nicht so? Aber genug der Worte. Ich werde Schollmeier anrufen.«
Allerdings war das ein vergeblicher Versuch. Dr. Schollmeier sei bei einer schweren Entbindung, wurde ihm gesagt. Ob man ihm etwas ausrichten könne.
»Nein, das möchte ich selbst mit ihm besprechen«, sagte Dr. Laurin scharf.
*
Schwester Marianne, die Dr. Laurins Anruf entgegengenommen hatte, war Dr. Schollmeier treu ergeben. Sie war jung und hübsch, und ihre Beziehungen zu dem Gynäkologen waren durchaus nicht nur beruflicher Natur.
Gewissensbisse brauchte sie sich darüber nicht zu machen, denn Dr. Schollmeier war seit einigen Monaten geschieden, und Schwester Marianne wiegte sich in der Hoffnung, einmal Frau Schollmeier zu werden.
Heute war ein recht aufregender Tag für sie. Begonnen hatte es damit, daß Frau Höhne, wie bestellt, gekommen war. Aber so ganz wohl war es Schwester Marianne nicht bei dem Gedanken, daß es nur eine Ausrede gewesen war, daß Dr. Schollmeier im OP unabkömmlich sei. Er war ganz einfach mit beträchtlicher Verspätung in der Klinik erschienen. Ihm sei nicht gut gewesen, hatte er erklärt, und so hatte er auch ausgesehen.
Nicht, daß Marianne ihm etwas nachgetragen hätte, aber sie kannte ihn immerhin so gut, daß sein Unwohlsein mal wieder auf übermäßigen Alkoholgenuß zurückzuführen sein könnte.
Nun war er jedenfalls wieder da und voll in Aktion. Der Anruf von Herrn Höhne hatte Schwester Marianne nicht in Bedrängnis bringen können, da sie ihn nicht entgegennahm. Sie erfuhr erst von ihrer Kollegin Hanna davon, die Dr. Schollmeier gegenüber nicht gar so tolerant war.
»Wenn da was passiert ist, kann er ganz schön was auf den Deckel kriegen«, hatte Hanna gesagt.
»Und du fliegst, wenn du so dumm daherredest«, fauchte Marianne die Ältere an.
Schwester Hanna war ein verträgliches Wesen. Sie wollte keinen Streit, aber sie hatte in letzter Zeit schon manchmal überlegt, ob sie nicht doch die Stellung wechseln solle.
Daß so manches nicht in Ordnung war, blieb ihren wachen Augen auch nicht verborgen.
Immerhin hatte er auch seine charmanten Seiten, der Chefarzt Dr. Reinhard Schollmeier. Aber auch ein dickes Fell, wie Schwester Hanna für sich vermerkte.
Als Dr. Laurin anrief, brauchte Schwester Marianne nicht zu lügen. Da befand sich der Chefarzt tatsächlich im Operationssaal. Es war eine Kaiserschnittentbindung.
Schwester Marianne überlegte nur, was ausgerechnet Dr. Laurin von Schollmeier gewollt hätte. Auf Dr. Laurin war Dr. Schollmeier nämlich gar nicht gut zu sprechen. Dr. Laurins Stimme hatte so scharf und gar nicht verbindlich geklungen. Sie wurde ein Unbehagen nicht los.
Es war halb sechs Uhr, als Dr. Schollmeier aus dem Operationssaal kam. Sein schmales Gesicht hatte einen verkniffenen Ausdruck.
»Was ist los, Reinhard?« fragte Marianne leise.
»Wir sind im Dienst«, fauchte er sie an. »Vergiß das nicht.«
»Sie sehen so besorgt aus, Herr Chefarzt«, sagte sie kleinlaut.
»Ach was, besorgt. Frauen mit fast vierzig, sollten keine Kinder mehr in die Welt setzen wollen. Das Risiko ist immer groß.«
Marianne hielt den Atem an.
Er ging weiter. Sie starrte ihm nach.
Dr. Fiedler, der Assistenzarzt, erst seit einigen Tagen an der Klinik, wankte totenbleich an ihr vorbei. Sie wagte nicht, eine Frage an ihn zu stellen. Sie wagte allerdings auch nicht, Dr. Schollmeier von Dr. Laurins Anruf zu berichten.
*
Zusammengesunken saß indessen Helmut Höhne wieder in der Klinik. Schwester Otti schaute ab und zu nach ihm. Sie hatte ihm auch eine Tasse Tee und Sandwiches gebracht. Er rührte nichts an.
Dr. Laurin hatte die dritte Injektion gemacht. Das Fieber sank etwas ab, aber das Thermometer stand immer noch auf 39,5.
»Wir müssen alles auf eine Karte setzen, Petersen«, sagte er. »Länger kann ich nicht warten, sonst überlebt sie die Nacht nicht mehr.«
»Und sonst?« fragte Petersen. Dr. Laurin zuckte die Schultern.