Der Arzt vom Tegernsee 51 – Arztroman. Laura MartensЧитать онлайн книгу.
In einem Nebenraum des Restaurants »Benji« fand an diesem Samstagabend die Abschiedsparty für Dr. Mara Bertram statt, zu der Dr. Eric Baumann seine Angestellten eingeladen hatte. Michaela Ahlert,
die Frau des Besitzers, hatte
den Raum wunderschön geschmückt. Es gab Rostbraten und verschiedene Salate. Zum Nachtisch hatte sich Benjamin Ahlert ein Spezialdessert einfallen lassen.
»Ich weiß noch gar nicht, wie ich in Zukunft ohne dich auskommen soll, Mara«, sagte Eric in der kleinen Rede, die er im Anschluß an das Essen hielt. »Es war eine schöne Zeit mit dir gewesen. Es wird schwer sein, einen Ersatz für dich zu finden.«
Die junge Ärztin stand auf und meinte: »Ich möchte die Zeit in deiner Praxis nicht missen, Eric. Ich habe eine Menge von dir lernen können und vor allen Dingen…«, sie blickte liebevoll Dr. Martin Hellwert an, »… habe ich es dir zu verdanken, daß ich Martin kennenlernen durfte.«
Die Tür des Nebenzimmers öffnete sich, und Erika Bohn trat ein. Sie hatte ihr bestes Kleid angezogen und war am Vormittag beim Friseur gewesen. Im Moment wirkte sie ziemlich gehetzt. »Bitte entschuldigen Sie, daß ich erst jetzt komme«, bat sie und wandte sich dann direkt an Dr. Baumann: »Ich mußte noch einiges für Michaela erledigen. Sie fährt morgen in den Urlaub.«
Katharina Wittenberg, die Haushälterin des Arztes, sah Frau Bohn kopfschüttelnd an. »Warum denken Sie nicht auch einmal an sich selbst?« fragte sie. »Michaela ist bereits über fünfundzwanzig. Ich meine, eine junge Dame dieses Alters sollte gelernt haben, ihre Sachen zu richten.« Es machte sie wütend, daß sich Erika so von ihren Kindern ausnutzen ließ. Nicht einmal den gemütlichen Abend, zu dem Dr. Baumann eingeladen hatte, schienen sie ihr zu gönnen.
»Michaela hat so viel zu tun, Frau Wittenberg«, verteidigte Erika Bohn sofort ihre Tochter. »Sie geht den ganzen Tag arbeiten.«
Eric mußte seiner Haushälterin hundertprozentig recht geben. Erika Bohn hatte vier Kinder, und keines von ihnen schien in der Lage zu sein, selbst für seine Sachen sorgen zu können. Selbst der älteste Sohn Wolfgang, der schon lange ausgezogen war, brachte ihr nach wie vor seine Kleidung zum Waschen und zum Bügeln. Der Arzt wußte allerdings auch, daß man Erika kaum noch ändern konnte. Sie war überzeugt, nach wie vor für ihre Kinder sorgen zu müssen, und vergaß allzu oft sich selbst darüber.
Er stand auf und rückte für die Putzfrau einen Stuhl. »Bitte, setzen Sie sich, Frau Bohn«, bat er. »Daß Sie zu spät gekommen sind, macht nichts. Die Küche bietet trotzdem noch einiges für Sie.«
Benjamin Ahlert erschien keine fünf Minuten später und brachte höchstpersönlich das Essen für Erika. »Guten Appetit, Frau Bohn«, wünschte er.
»Danke«, erwiderte sie. »Das sieht ja köstlich aus.«
»Das schmeckt auch so«, sagte Mara Bertram und lächelte ihr zu.
Katharina Wittenberg blickte zu Franziska Löbl hinüber, die mit ihrem Verlobten an der Längsseite der Tafel saß. Manfred Kessler schien nur Augen für die junge Frau zu haben. Da Franziska seit einem Unfall in ihrer Kindheit nicht mehr sprechen konnte, unterhielt sie sich mit ihm in der Gebärdensprache. Manfred hatte sie innerhalb weniger Wochen gelernt, um seiner zukünftigen Frau das Leben etwas zu erleichtern. So mußte sie nicht aufschreiben, was sie zu ihm sagen wollte.
Allen fiel auf, welches Einvernehmen zwischen den jungen Leuten herrschte. Und auch Dr. Baumann und seine Haushälterin, die erst etwas Bedenken gegen Herrn Kessler gehabt hatten, waren inzwischen überzeugt, daß die beiden später eine gute Ehe führen würden. Sie hatten sich ein Haus in Bad Wiessee gekauft und lebten bereits dort.
Auch Tina Martens, Erics Sprechstundenhilfe, hatte ihren Freund Joachim mitgebracht. Die junge Frau schaute zu dem Hund hinunter, der es sich ihr zu Füßen bequem gemacht hatte. Obwohl Franzl zu Beginn des Essens eine große Portion Fleisch bekommen hatte, war er noch auf Betteltour gegangen und hatte von jedem einen Obulus verlangt. Nun schlief er den Schlaf der Gerechten.
Die Ahlerts kamen mit vier Flaschen Sekt. Sie stellten sie vor Mara Bertram auf den Tisch. »Schließlich müssen wir alle auf Sie anstoßen, Frau Doktor«, meinte Benjamin. »Wir werden Sie in der Praxis von Doktor Baumann zwar vermissen, freuen uns aber dennoch mit Ihnen.«
»Es wird bestimmt eine gewaltige Umstellung für Sie sein, Frau Doktor Bertram«, sagte Michaela. »Zum Glück soll es sich bei Doktor Häußermann um einen sehr umgänglichen Mann handeln.«
»Und selbst, wenn es nicht so wäre, würde es nicht viel ausmachen«, warf ihr Mann ein. »Immerhin werden Sie im Januar seine Praxis übernehmen.«
»Eine Umstellung wird es auf jeden Fall«, erwiderte sie junge Ärztin. »Und ehrlich gesagt, es wird mir etwas bange, wenn ich daran denke, daß ich schon am Montag nicht mehr in der Praxis von Doktor Baumann arbeite.« Sie schaute zu Franzl hinunter, der es sich inzwischen neben ihr bequem gemacht hatte. »Und dich werde ich natürlich auch vermissen, Franzl.« Liebevoll streichelte sie ihn.
»Kaum zu glauben, daß Sie einmal vor Franzl Angst hatten«, bemerkte Katharina Wittenberg. Sie konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem sie Mara kennengelernt hatte. Damals war ihr die junge Ärztin äußerst unsympathisch gewesen.
»Franzl hat mir beigebracht, daß nicht jeder Hund so bissig ist wie der, der mich als Kind angefallen hat«, sagte Mara. »Was nicht heißen muß, daß ich um manche Hunde nicht auch heute noch einen großen Bogen mache. Kindheitserinnerungen sind nicht so leicht abzuschütteln.«
Dr. Martin Hellwert legte den Arm um ihre Schultern. »Ich
habe beschlossen, mir einen Neufundländer anzuschaffen«, scherzte er.
»Zutrauen würde ich es dir ohne weiteres, Martin«, erklärte seine Freundin und küßte ihn auf die Wange.
»Werden Sie wieder einen Praxisassistenten einstellen, Doktor Baumann?« erkundigte sich Michaela Ahlert, nachdem sie alle zusammen auf Maras Zukunft angestoßen hatten.
Dr. Baumann nickte. »Ja, das werde ich wohl tun. Die Arbeit wäre sonst kaum zu schaffen.« Er schenkte Tina Martens ein bedauerndes Lächeln. »Während der nächsten Zeit werden wir beide alle Hände voll zu tun haben«, sagte er. »Leider hat sich auf meine Annonce wegen einer weiteren Sprechstundenhilfe auch noch niemand gemeldet. Sieht aus, als müßten wir uns vorläufig so behelfen.«
»Wird uns wohl kaum etwas anderes übrigbleiben«, erwiderte die junge Frau. »Zum Glück habe ich es gelernt, auch mit dem Ozongerät umzugehen.«
Erika Bohn tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Haben Sie schon gehört, daß Frau Gabler und Herr Hofmeister im nächsten Monat heiraten?« erkundigte sie sich.
»Nein«, sagte Mara Bertram.
»Ich habe auch noch nichts davon gehört«, bemerkte Tina. »Neulich habe ich Andrea Stanzl und Klaus Riedl in der Stadt gesehen. Sie sind Arm in Arm am See spazierengegangen. Vielleicht nehmen sie die Hochzeit auf dem Leinerhof zum Anlaß, ihre Verlobung zu verkünden.«
»Davor müssen sie noch eine fast uneinnehmbare Festung stürmen«, meinte Katharina Wittenberg. »Klaus’ Großmutter dürfte mit ihrer Verlobung überhaupt nicht einverstanden sein. Sie kann Frau Stanzl nach wie vor nicht leiden. Als ich Beate Riedl neulich beim Einkaufen getroffen habe, hat sie kein gutes Haar an der jungen Frau gelassen.«
»Hoffen wir, daß sie zur Vernunft kommt«, warf Eric ein. »Sie ist eifersüchtig auf Andrea und meinte, weil sie ihren Enkel großgezogen hat, müßte er nun Tag und Nacht für sie dasein. Frau Gabler hat deswegen schon des öfteren mit ihr gesprochen. Leider scheint die alte Frau unbelehrbar zu sein.«
»Wenn sie so weitermacht, wird sie ihren Enkel verlieren«, warf Benjamin Ahlert ein.
Mara Bertram und ihr Freund standen auf und gingen durch die Verbindungstür auf den schmalen Balkon hinaus, der sich an der Längsseite des Restaurants entlangzog. Eine mit Efeu bewachsene Mauer schirmte ihn gegen die große Terrasse ab, die auf den See hinausführte und die wie jeden Abend voll besetzt war. Martin Hellwert legte den Arm um die Schultern der jungen Ärztin. Schweigend blickten sie zum nachtdunklen Himmel hinauf.
»Weißt