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Der Arzt vom Tegernsee 51 – Arztroman. Laura MartensЧитать онлайн книгу.

Der Arzt vom Tegernsee 51 – Arztroman - Laura Martens


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genoß es, mit sanften Ruderschlägen über den See zu gleiten. Sie dachte daran, wie ihre Mutter sonntags immer mit ihr auf den See hinausgefahren war. Es war wunderschön gewesen, mit ihr allein zu sein. Sie hatte sich zu Hause nicht wohl gefühlt. Ihr Vater war sehr auf seine Macht bedacht gewesen und hatte ständig von ihr Rechenschaft gefordert. Mit ihrer Mutter konnte sie lachen und scherzen, mit ihrem Vater war das nicht möglich gewesen. Und wie oft hatten sich ihre Eltern gestritten! Meistens war es nur um Kleinigkeiten gegangen, wie ein Pfund Zucker, das ihre Mutter zu viel gekauft hatte, oder mal eine Tafel Schokolade für sie.

      Plötzlich schreckte die junge Frau aus ihren Tagträumen auf. Ein weißes, ziemlich großes Motorboot steuerte direkt auf sie zu. Der Kerl am Steuer muß verrückt sein, dachte sie entsetzt und versuchte, mit heftigen Ruderschlägen ihr Boot aus der Gefahrenzone zu bringen.

      In ihrer Angst vor einem Zusammenstoß machte Barbara eine unbedachte Bewegung. Das Boot kippte, und sie stürzte ins Wasser. Eiskalt schlug es über ihr zusammen. Die Kälte raubte ihr fast den Atem. Sie bekam nicht mit, wie das Motorboot wendete und in die entgegengesetzte Richtung davonraste.

      Die junge Frau tauchte hustend aus dem Wasser auf. Sie griff nach dem Tau ihres Ruderbootes und zog es zu sich heran. Nachdem sie mehrmals versucht hatte, es herumzudrehen, schwamm sie mit ihm auf das Ufer zu, das noch ein ganzes Stück entfernt lag.

      Vor ihr tauchte ein zweites Motorboot auf. Wenige Meter von ihr entfernt stoppte es. Ein dunkelhaariger Mann warf ihr einen Rettungsring zu. Barbara umklammerte ihn hastig. Nur wenig später half ihr der Mann an Bord und hüllte sie fürsorglich in eine warme Decke ein.

      »Kommen Sie, setzen Sie sich erst einmal«, bat er und führte sie zu einer Bank, auf der ein weiches Polster lag. »Ich kümmere mich um Ihr Ruderboot.«

      »Danke«, murmelte Barbara und bemühte sich, vor Kälte nicht mit den Zähnen zu klappern. Sie hielt nach dem Motorboot Ausschau, das sie fast gerammt hätte, konnte es aber nicht sehen. In die Decke gehüllt, beobachtete sie, wie der Fremde das Tau ihres Ruderbootes an seinem Schiff befestigte und auch noch die beiden Ruder aus dem Wasser fischte.

      »Wie geht es Ihnen?« erkundigte sich der Mann.

      Barbara zwang sich zu einem Lächeln. »Schon viel besser«, erwiderte sie. »Mit einem unfreiwilligen Bad im See hatte ich natürlich nicht gerechnet.«

      Er reichte ihr ein Handtuch. »Ich heiße Arno Vögele«, stellte er sich vor. »Ein Glück, daß ich zur rechten Zeit dagewesen bin.« Er schaute über den See. »Schade, daß mir das Boot, das Sie fast gerammt hätte, völlig unbekannt ist.«

      »Sieht nicht aus, als wüßte sein Besitzer, wie man sich auf dem Wasser zu benehmen hat«, sagte Barbara und stellte sich ebenfalls vor. »Ich mache zur Zeit Urlaub in Rottach-Egern«, fügte sie hinzu.

      »Das trifft sich gut«, meinte Arno Vögele. »Ich lebe in Rottach-Egern.« Er nahm ihr das Handtuch ab und hängte es über die Reling.

      In rascher Fahrt kehrten sie nach Rottach-Egern zurück. Arno vertäute sein Boot an der Mole, half Barbara an Land und brachte das Ruderboot in den Verleih zurück. Die junge Frau wartete auf ihn. Er hatte ihr angeboten, sie zu ihrem Studio zu fahren. Sie fand Arno Vögele ausgesprochen nett. Er machte auf sie einen sehr verläßlichen Eindruck.

      Maria Huber stand im Hof, als die jungen Leute kamen. Barbara blieb nichts anderes übrig, als ihr zu erzählen, was passiert war. Ihre Wirtin schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schimpfte über die Rowdys, die den See unsicher machten.

      »An Ihrer Stelle, würde ich diesen Kerl anzeigen«, sagte sie.

      »Das würde ich gern, Frau Huber, leider weiß ich nicht, um wen es sich handelt.«

      »Es ging alles sehr schnell«, fügte Arno hinzu. »Mir ist es wichtiger gewesen, Frau Schneider aus dem Wasser zu ziehen, als diesen Kerl zu verfolgen.«

      »Natürlich ist so etwas wichtiger«, pflichtete ihm Maria Huber bei.

      Während Barbara sich in ihrem Studio duschte und umzog, wartete Arno Vögele im Haupthaus und trank eine Tasse Kaffee. Er hatte Barbara zum Essen eingeladen. Die junge Frau gefiel ihm. Sie hatten ihren Schock relativ schnell überwunden gehabt und kein großes Getue um ihren Unfall gemacht.

      Es dauerte nicht lange, bis Barbara kam. Sie trug weiße

      Jeans und ein dazu passendes Hemd. Ihre Haare hatte sie im Nacken zusammengesteckt. Er stand auf und ging ihr entgegen. »Hübsch sehen Sie aus«, stellte er fest.

      »Ich mußte etwas tun, um den Eindruck zu revidieren, den ich vorhin auf Sie gemacht habe. Bestimmt habe ich auf Sie wie eine nasse Katze gewirkt.«

      »Ich liebe Katzen«, erklärte er grinsend.

      Sie fuhren zum Restaurant »Benji«. Auf dem Weg dorthin erzählte ihr Arno, das Michaela Ahlert, die Frau des Besitzers, in seiner Werbeagentur arbeitete. Er lachte leise auf und fügte hinzu: »Es ist das erste Mal, daß ich in weiblicher Begleitung ins Benji komme. Michaela wird es kaum fassen können.« Er wandte ihr kurz das Gesicht zu und zwinkerte. »Ich bin ein wenig in Michaela verliebt gewesen. Es war ein schwerer Schlag für mich, als sie Benjamin Ahlert den Vorzug gab.«

      Nun mußte auch Barbara lachen. »Wie es aussieht, sind Sie gut darüber hinweggekommen.«

      »Es ist mir nichts anderes übriggeblieben. Benjamin Ahlert hätte es sich schön verbeten, wenn ich mit einer Fiedel in der Hand auf der Treppe seines Restaurants gesessen hätte, um Nacht für Nacht seiner Frau ein Ständchen zu bringen.«

      Der junge Mann gefiel Barbara immer besser. Selten zuvor hatte sie jemanden auf Anhieb so sympathisch gefunden. Es kam ihr vor, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Sieht aus, als hätte ich einen Freund gefunden, dachte sie. Mit Arno Vögele konnte man bestimmt durch dick und dünn gehen.

      Michaela Ahlert war angenehm überrascht, daß ihr Chef in Begleitung einer jungen Dame erschien. Sie wußte nur zu gut, daß er nach wie vor sehr viel für sie übrig hatte. Er erzählte ihr von Barbaras Abenteuer und davon, daß der Fahrer des fremden Motorbootes ohne eine Verwarnung davonkommen würde.

      »Das ist wirklich mehr als ärgerlich«, meinte Michaela. »Manche Leute glauben, daß Sie sich auf unserem See so richtig austoben können.«

      »Ihn wird bestimmt irgendwann das Schicksal ereilen«, sagte Barbara. Jetzt, nachdem sie ihren Schock überwunden hatte, begann sie, ihr Abenteuer zu genießen. Wäre sie nicht auf dem See gekentert, hätte sie niemals Arno Vögele kennengelernt.

      Da es zu kühl war, auf der Terrasse zu essen, hatten sie sich einen Tisch neben einem der Panoramafenster ausgewählt. Sie bestellten Fisch und Weißwein. Das Essen schmeckte ausgezeichnet, und Barbara beschloß, während ihres Urlaubs das »Benji« öfter aufzusuchen.

      Arno erkundigte sich, ob sie sich schon lange am Tegernsee aufhielt. Die junge Frau verriet ihm, daß sie sogar hier geboren worden war.

      »Ich war acht Jahre alt, als meine Mutter mit mir nach Frankfurt zog«, sagte sie. »Sie konnte das Leben an der Seite ihres Mannes nicht länger ertragen. Es ist das Beste gewesen, was sie tun konnte. Dadurch hat sie mir ein normales Leben ermöglicht.«

      »Was hat Ihnen Ihr Vater angetan?« erkundigte sich Arno. »Bei einer Scheidung ist es doch meistens so, daß die Kinder in ihren Gefühlen zwischen Vater und Mutter hin und her gerissen werden.«

      »Ja, gewöhnlich ist es so«, gab Barbara zu und fragte sich, ob sie sich nicht schämen mußte, weil sie so willig mit ihrer Mutter mitgegangen war. Nein, ganz bestimmt nicht! Sie hob den Kopf. »Mein Vater hat uns das Leben zur Hölle gemacht. Meine Mutter bekam sehr wenig Haushaltsgeld, obwohl er ein sehr wohlhabender Mann ist, und sie mußte es bis auf den Pfennig genau abrechnen. Aus jedem Gramm Mehl hat er eine Staatsaffäre gemacht. Ich bin oft abends hungrig ins Bett gegangen, weil nichts im Haus war, was ich hätte essen können, und mein Vater sich geweigert hat, auch nur ein paar Mark herauszugeben, damit meine Mutter noch etwas einkaufen konnte.«

      Конец


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