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Familie Dr. Norden 729 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Familie Dr. Norden 729 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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Wenn Waltraud die Augen schloß, meinte sie, Mann und Kind wie in einem Film vor sich zu sehen und hörte sogar die vertrauten Stimmen wieder. Aber Leana war längst groß und Fritz vor vielen Jahren gestorben. Ein warmes Gefühl durchflutete Traudis Herz, als sie an Fritz dachte, den Mann, der ihr Leben schließlich doch noch lebenswert gemacht hatte, indem er die unglückliche, damals gerade schwangere Frau bei sich aufgenommen und somit ehrbar gemacht hatte. Niemals war ein Vorwurf über seine Lippen gekommen, und stets hatte er Leana freundlich, wenn auch distanziert, behandelt.

      Doch die zufriedenen Jahre waren vergangen und verschwanden im Nebel der Erinnerung. Waltraud bemerkte selbst verwundert, wie sehr sie ihr Kurzzeitgedächtnis immer öfter im Stich ließ. Dafür trat die Zeit in ihrer Erinnerung auf einmal klar und deutlich hervor, die vor ihrer Ehe mit Fritz lag. Unter all den Bildern, die vor ihrem geistigen Auge aufstiegen, war eines besonders deutlich, das Gesicht eines Mannes, jung und gutaussehend. Schmerzlich berührt stöhnte Traudi auf, das Herz in ihrer Brust schlug hart gegen die Rippen. Sie öffnete die Augen und verdrängte die Bilder, die ihr nur Wehmut bereiteten. Langsam ging sie wieder zurück auf die Terrasse, als sie bemerkte, wie der Boden bedrohlich unter ihren Füßen zu schwanken begann.

      Panik stieg in ihr auf, der Gedanke zu stürzen und dann hilflos auf dem Boden zu liegen, gab ihr die Kraft, sich zum stützenden Geländer zu schleppen. Waltraud ermahnte sich, tief ein- und auszuatmen. Aus Erfahrung wußte sie, daß sich ihr aufgeregtes Herz bald beruhigen würde.

      Endlich, nach schier endlos scheinenden Minuten, kam der Boden unter ihren Füßen wieder zur Ruhe. Erleichtert legte sie die wenigen Meter bis zur rettenden Bank zurück, auf der sie sich schwerfällig niederließ. Während sie erschöpft in die blasser werdende Nachmittagssonne blinzelte, dachte sie daran, daß die Anfälle immer häufiger kamen. Bisher hatte sie mit niemandem darüber gesprochen, nicht mit Dr. Wallner und nicht mit Leana. Sie hatte Angst davor, in ein Pflegeheim abgeschoben zu werden.

      *

      Christian spürte ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend, als er kurz vor dem verabredeten Zeitpunkt am Fischbrunnen ankam. Neugierig sah er sich um, ob er zwischen all den Menschen, die sich dort im hellen Sonnenschein tummelten, ein bekanntes Gesicht entdeckte. Doch Saskia und Leana schienen noch nicht da zu sein. So nutzte er die Gelegenheit, sich ein wenig auf dem weitläufigen Marienplatz umzusehen. Trotz aller guten Vorsätze war er seit seinem Umzug nach Konstanz nicht mehr in seine alte Heimat zurückgekehrt, und voller Wehmut dachte er an die lustigen Ausflüge, die er als Sechzehnjähriger mit den beiden zwei Jahre jüngeren Mädchen hierher unternommen hatte. Viele Jahre lang waren sie ein eingeschworenes Team gewesen, das allerlei Streiche ausgeheckt hatte. Aber wie alles im Leben hatte auch dieses unbeschwerte Glück ein Ende gefunden.

      Noch ehe die Verwirrungen der Liebe ihre Gemeinschaft zerstören konnte, hatte sich Christians Vater, Dr. Christian Thaller senior, entschieden, zurück nach Konstanz zu gehen. Ein alter Kollege war verstorben und somit der Weg frei, sich seinen Jugendtraum von einer eigenen Praxis zu erfüllen.

      Versonnen lächelte Christian in sich hinein. Die Wunden der Trennung waren längst verheilt, und er freute sich auf seine Zeit hier in München. Die Behnisch-Klinik war ein hervorragender Ort, um seine medizinischen Kenntnisse zu vertiefen, ehe er die Praxis seines Vaters in Konstanz übernehmen würde.

      »Ist das nicht unser kleiner Chrissi? Groß ist er geworden, findest du nicht?« Eine amüsierte Frauenstimme riß ihn aus seinen Gedanken, und neugierig blickte er sich um. Neben ihm an den Brunnen gelehnt standen zwei gutaussehende Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, und musterten ihn interessiert. Die eine hatte blondes, fast krauses Haar, das sie zu einer frechen Frisur aufgesteckt hatte. Sie trug ein bauchfreies, wild gemustertes Shirt über der engen Hüfthose und gefährlich hohe Sandalen. Sofort war ihm klar, daß es sich dabei nur um die wilde Saskia handeln konnte. Leana dagegen machte ihrem eleganten Namen alle Ehre. Ein sommerliches Twinset, dem sein hoher Preis anzusehen war, ergänzte die schwarze Caprihose, zu der sie flache Slipper in derselben Farbe trug. Kein modischer Schnickschnack störte das vollkommene Bild einer selbstbewußten, offenbar erfolgreichen Frau.

      »Erkennst du uns nicht, oder hat es dir die Sprache verschlagen?« fragte Saskia mit lustig blitzenden Augen, als er ihren Gruß nicht erwiderte.

      »Oh, entschuldigt, ich war so in euren bezaubernden Anblick vertieft…«, stammelte er verlegen.

      »Immer noch der alte Charmeur«, stellte Saskia fest und umarmte Christian herzlich. Mit dieser spontanen, freundschaftlichen Geste war das Eis gebrochen. Auch die etwas zurückhaltendere Leana folgte dem Beispiel ihrer Freundin.

      »Gut schaust du aus.« Anerkennend musterte sie Chris, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte.

      »Ein bißchen altmodisch für meinen Geschmack«, neckte Saskia den jungen Arzt.

      »Findest du? Ich fühle mich im Anzug einfach wohler als in einer Jeans.« Unsicher blickte er an sich herab.

      »Laß dich von Sasa nicht durcheinanderbringen. Ich mag Männer mit Anzug besonders, wenn sie dazu ein lässiges Shirt tragen wie du.«

      »Da habe ich ja Glück gehabt, daß ich wenigstens fünfzig Prozent der Erwartungen erfüllen kann«, lachte Chris. Zwei Grübchen erschienen auf seinen Wangen, als er seine Begleiterinnen anstrahlte. »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich freue, euch wiederzusehen. Wie ist es euch in den vielen Jahren denn ergangen?«

      »Das besprechen wir am besten bei einer kühlen Flasche Weißwein. Ich kenne ein schönes Weinlokal mit wunderbarem Innenhof ganz in der Nähe. Der ideale Ort, um einen Tag wie diesen zu feiern«, schlug Lea vor. Noch ehe die beiden anderen zustimmen konnten, klingelte ihr Handy. Mit einem entschuldigenden Schulterzucken nahm sie es an ihr Ohr.

      »Was gibt’s denn, Mizzi?« fragte sie ungeduldig in den Apparat. Ihre Miene wurde jedoch schlagartig konzentriert, als sie den Worten ihrer Sekretärin lauschte, die wie ihre Chefin kein Wochenende kannte. »Steinberg erwartet mich in einer Stunde zum Mittagessen? Wieso erfahre ich erst jetzt davon?«

      »Er ist auf der Durchreise zur Konkurrenz und hat sich zu einem spontanen Zwischenstop entschieden«, erklärte Mizzi Wolke aufgeregt. Es ging um einen wichtigen Auftrag, an dem Lea schon seit Monaten arbeitete.

      »So ein Mist! Warum kann ich nicht einmal einen freien Tag genießen?« seufzte Lea kurz. »Aber das Geschäft geht vor. Wenn ich daran denke, daß mir dieser Auftrag nach all der Arbeit durch die Lappen gehen könnte, wird mir ganz schlecht. Wo will er mich treffen?«

      »In einer Stunde im Tantris.«

      »Gut, ich werde dort sein.« Resigniert drückte Leana eine Taste ihres Handys und kehrte zurück zu ihren Freunden, die sich etwas abseits unterhielten und bestens zu amüsieren schienen. »Schlechte Nachrichten, liebe Leute«, kündigte sie betreten an.

      »Laß mich raten.« Saskia musterte ihre Freundin eindringlich. »Die gute Mizzi Wolke hat vergessen, dir einen dringenden Lunchtermin mitzuteilen.«

      »So ähnlich. Kannst du dich an Steinberg erinnern? Ich habe dir doch von diesem Auftrag erzählt, hinter dem ich schon seit Monaten her bin.«

      »Keine Ahnung, das hast du wohl mal wieder vergessen.«

      »Komisch, und ich dachte… na egal. Auf jeden Fall ist Steinberg heute überraschend in der Stadt und erwartet mich in einer Stunde im Tantris. Es tut mir leid, aber ich muß euch heute allein lassen. Glaubt ihr, ihr schafft das ohne die alte Lea?« versuchte sie, die unangenehme Situation etwas ins Lächerliche zu ziehen.

      »Ich bin das ja inzwischen schon gewohnt, von den Steinbergs, Hochmuts und wie sie alle heißen, verdrängt zu werden«, erklärte Saskia trocken. »Aber wie sieht’s mit Chris aus?« wandte sie sich an ihren Jugendfreund.

      »Als Arzt habe ich für deine Situation vollstes Verständnis. Ich bin auch immer auf dem Sprung und habe nicht viel Privatleben.« Er lächelte Lea verständnisvoll zu, und die atmete insgeheim auf.

      »Du bist ein Schatz, Christian. In ein paar Stunden bin ich wieder bei euch und lade euch als Entschädigung auf ein großes Eis ein. Ist das ein Angebot?«

      »Mal


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