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Onkel Wanja. Szenen aus dem Landleben in vier Akten. Anton TschechowЧитать онлайн книгу.

Onkel Wanja. Szenen aus dem Landleben in vier Akten - Anton Tschechow


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Erst in einem Monat? …

       (Astrow und Sonja gehen ins Haus; Marija Wassiljewna [21]und Telegin bleiben am Tisch sitzen; Jelena Andrejewna und Wojnizkij gehen auf die Terrasse.)

      JELENA ANDREJEWNA. Und Sie, Iwan Petrowitsch, haben sich wieder unmöglich aufgeführt. Mußten Sie Marija Wassiljewna reizen und vom Perpetuum mobile sprechen! Und heute beim Frühstück haben Sie wieder mit Alexander gestritten. Wie häßlich!

      WOJNIZKIJ. Wenn ich ihn aber doch hasse!

      JELENA ANDREJEWNA. Alexander zu hassen, haben Sie keinen Grund. Er ist wie alle. Nicht schlechter als Sie.

      WOJNIZKIJ. Wenn Sie Ihr Gesicht sehen könnten, Ihre Bewegungen … wie träge Sie dahinleben! Ach, wie träge!

      JELENA ANDREJEWNA. Ach ja, träge und langweilig! Alle schimpfen auf meinen Mann, alle sehen mich mit Mitleid an: Die Unglückliche, sie hat einen alten Mann! Dies Mitgefühl mit mir, wie ich es durchschaue! Was hat doch eben Astrow gesagt: Ihr alle zerstört ohne Sinn und Verstand die Wälder, und bald wird es keine mehr geben auf Erden. Ebenso sinnlos verderbt ihr den Menschen, und bald wird es, dank euch, auf Erden keine Treue mehr geben, keine Reinheit, keine Bereitschaft, sich aufzuopfern. Warum könnt ihr eine Frau nicht unbeteiligt ansehen, wenn sie euch nicht gehört? Weil – da hat der Doktor recht – weil in euch allen der Geist der Zerstörung sitzt. Euch tun nicht die Wälder leid, nicht die Vögel, die Frauen nicht und ihr euch nicht einmal selbst.

      WOJNIZKIJ. Ich mag diese Philosophie nicht.

       (Pause.)

      JELENA ANDREJEWNA. Dieser Doktor hat ein erschöpftes, nervöses Gesicht. Ein interessantes Gesicht. Sonja [22]gefällt er offensichtlich. Sie ist in ihn verliebt, und ich verstehe sie. Seit ich hier bin, war er schon dreimal da. Aber ich bin schüchtern und habe mich kein einziges Mal mit ihm unterhalten, wie es sich gehört; ich war nicht freundlich zu ihm. Er muß schlecht von mir denken. Vielleicht sind wir beide, Iwan Petrowitsch, deshalb so gute Freunde, weil wir beide so stumpfsinnige, langweilige Menschen sind! Stumpfsinnige Menschen! Gucken Sie mich nicht so an, ich mag das nicht.

      WOJNIZKIJ. Kann ich Sie anders anschauen, wenn ich Sie liebe? Sie sind mein Glück, mein Leben, meine Jugend! Ich weiß, meine Aussichten sind gering, gleich Null, aber ich brauche ja nichts, erlauben Sie mir nur, Sie anzuschauen, Ihre Stimme zu hören …

      JELENA ANDREJEWNA. Leiser, man kann Sie hören!

       (Sie gehen ins Haus.)

      WOJNIZKIJ (ihr folgend). Erlauben Sie mir, von meiner Liebe zu sprechen, jagen Sie mich nicht weg, das allein schon wird für mich das größte Glück sein …

      JELENA ANDREJEWNA. Das ist quälend …

       (Beide sind ins Haus gegangen. – Telegin klimpert eine Polka; Marija Wassiljewna notiert etwas am Rande ihrer Broschüre.)

       Vorhang.

      [23]Zweiter Akt

       Das Eßzimmer im Hause Serebrjakows. – Nacht. – Man hört, wie der Nachtwächter im Garten an sein Schallholz klopft.

       Serebrjakow sitzt im Sessel am offenen Fenster und schlummert. Jelena Andrejewna sitzt neben ihm, sie ist ebenfalls eingeschlafen.

      SEREBRJAKOW (blickt auf). Wer ist da? Sonja, bist du’s?

      JELENA ANDREJEWNA. Ich bin’s.

      SEREBRJAKOW. Du, Lénotschka … Der unerträgliche Schmerz!

      JELENA ANDREJEWNA. Dein Plaid ist heruntergefallen. (Sie wickelt ihm die Füße ein.) Ich mache das Fenster zu, Alexander.

      SEREBRJAKOW. Nein, es ist so schwül hier … Ich bin eben eingeschlafen und habe geträumt, mein linker Fuß gehörte nicht zu mir. Von dem quälenden Schmerz bin ich aufgewacht. Nein, das ist nicht die Gicht, eher Rheumatismus. Wie spät ist es denn?

      JELENA ANDREJEWNA. Zwanzig nach zwölf.

       (Pause.)

      SEREBRJAKOW. Such morgen mal in der Bibliothek die Werke von Bátjuschkow. Ich glaube, wir haben sie.

      JELENA ANDREJEWNA. Wie?

      SEREBRJAKOW. Such morgen Batjuschkow heraus. Ich erinnere mich, wir hatten ihn. Aber warum wird mir das Atmen so schwer?

      JELENA ANDREJEWNA. Du bist müde. Die zweite Nacht schon schläfst du nicht.

      [24]SEREBRJAKOW Turgénjew soll durch die Gicht schließlich Herzbeschwerden bekommen haben, heißt es. Ich fürchte, mir wird’s auch so gehen. Dieses verfluchte, widerwärtige Altwerden. Der Teufel soll es holen. Seit ich alt geworden bin, bin ich mir selbst zum Ekel. Ja, und ihr alle schaut mich bestimmt mit Widerwillen an.

      JELENA ANDREJEWNA. Du sprichst von deinem Alter in einem Ton, als ob wir schuld daran wären, daß du alt bist.

      SEREBRJAKOW. Dir vor allem bin ich zuwider.

       (Jelena Andrejewna steht auf und setzt sich weiter weg von ihm.)

       Natürlich, du hast recht. Ich bin nicht dumm und verstehe. Du bist jung, gesund, hübsch, willst leben, und ich bin ein Greis, fast schon ein Leichnam. Glaubst du, ich verstände dich nicht? Es ist natürlich dumm, daß ich bis zum heutigen Tage noch lebe. Aber warte nur, bald befrei ich euch alle von mir. Lange werde ich es nicht mehr machen.

      JELENA ANDREJEWNA. Ich kann das nicht ertragen … sei um Gottes willen still.

      SEREBRJAKOW. Es stellt sich heraus, alle können mich nicht ertragen, fühlen sich angeödet, vergeuden ihr junges Leben, und nur ich genieße mein Leben und bin zufrieden. Nun ja, natürlich ist es so!

      JELENA ANDREJEWNA. Sei still! Du hast mich genug gequält!

      SEREBRJAKOW. Alle habe ich gequält. Natürlich.

      JELENA ANDREJEWNA (unter Tränen). Unerträglich! Sag, was willst du von mir?

      SEREBRJAKOW. Nichts.

      [25]JELENA ANDREJEWNA. Dann sei still. Ich bitte dich.

      SEREBRJAKOW. Merkwürdig, wenn Iwan Petrowitsch oder diese alte Idiotin Marija Wassiljewna zu reden anfängt, dann hören alle zu. Sage ich aber nur ein Wort, dann fangen alle an, sich unglücklich zu fühlen. Sogar meine Stimme ist ihnen widerwärtig. Nun, nehmen wir an, ich bin widerwärtig, ein Egoist, ein Despot – aber habe ich denn nicht im Alter ein gewisses Recht auf Egoismus? Habe ich mir das nicht verdient? Habe ich denn nicht, frage ich, ein Recht auf ein ruhiges Alter, darauf, daß die Menschen auf mich Rücksicht nehmen?

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