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Sophienlust 312 – Familienroman. Bettina ClausenЧитать онлайн книгу.

Sophienlust 312 – Familienroman - Bettina Clausen


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aus dem Boden gewachsen stand plötzlich Denise von Schoenecker, die Mutter von Nick und Henrik, vor ihm.

      Ihr Gesicht war ernst. »Ich habe dich beobachtet, Chris.«

      Es wurde ihm zuerst heiß, dann kalt. Keine Ausrede wollte ihm einfallen.

      Doch Denise wartete gar nicht erst auf eine Erklärung. »Komm!«, sagte sie und ging voraus.

      Chris trottete hinter ihr her. Dabei fragte er sich ängstlich, was sie vorhatte. Wollte sie die Kinder zusammenrufen?

      »Du wirst jetzt mit mir zusammen die Kaninchen wieder einfangen«, sagte Denise.

      Schneeweißchen und Rosenrot waren nicht ausgerissen. Sie saßen friedlich in der Nähe ihres Gitters. Als Denise und Chris kamen, hob Rosenrot schnuppernd die Nase. Denise hob es auf und befahl:

      »Nimm das andere.«

      Chris gehorchte.

      Die beiden trugen die Kaninchen zurück und setzten sie wieder in ihre luftige Behausung. Mit gesenktem Kopf blieb Chris neben dem Gitter stehen. Jetzt musste die Bestrafung kommen.

      »Ich werde vergessen, was ich gesehen habe«, sagte Denise.

      Sprachlos schaute Chris zu ihr empor. Sie wollte es wirklich nicht den anderen erzählen?

      »Natürlich nur, wenn du mir versprichst, so etwas nie wieder zu machen«, fuhr Denise fort.

      »Ich verspreche es.«

      »Gut, damit ist die Sache erledigt.« Denise klopfte ihm leicht auf die Schulter und ging zurück zum Haus.

      Über den Zwischenfall sprach Denise mit keinem. Sie kannte Christians Beweggründe. Der Junge wollte seiner Umwelt wehtun, weil ihm weh getan worden war. Dagegen richtete man auch mit Strenge und Strafe nichts aus. Nur die Zeit konnte ihm darüber hinweghelfen.

      Chris ging zum Spielplatz.

      Heidi saß im Sandkasten und baute Burgen. Pünktchen, Angelika und Vicky flochten Kränze aus Wiesenblumen. Hauptsächlich aus Gänseblümchen. Henrik schlug Purzelbäume auf dem Rasen und forderte Fabian auf, es ihm nachzumachen.

      Chris setzte sich auf den Rand des Sandkastens.

      »Willst du mitmachen?«, fragte Heidi.

      »Nein.«

      »Dann eben nicht.« Heidi klatschte eine Handvoll feuchten Sand an einen Turm, der daraufhin zusammenfiel.

      »Das musst du anders machen«, sagte Chris. Er stellte fest, dass er eigentlich doch gern mitspielen wollte.

      Unbewusst erstickte Heidi seinen Versuch mitzuspielen. »Wenn du nicht mitspielst, brauchst du auch nichts zu sagen. Ich mache das allein.« Sie baute einen neuen Turm.

      Chris stand auf und ging fort. Neben Henrik und Fabian setzte er sich ins Gras. »Jetzt versuchen wir den Handstand«, schlug Henrik vor. Er schaute Chris an: »Kannst du auf den Händen stehen?«

      »Klar.«

      »Mach es vor«, verlangte Fabian.

      »Keine Lust. Mach du es doch vor.«

      »Ich kann es nicht«, sagte Fabian. »Ich kippe immer um dabei. Versuchen wir lieber etwas anderes.«

      »Was?«, fragte Henrik. Er saß im Schneidersitz im Gras.

      »Wettlaufen«, schlug Fabian vor. »Wer zuerst da vorn bei der Kastanie ist.«

      Henrik blinzelte gegen die Sonne. »Eigentlich hab ich keine Lust. Vielleicht will Chris mitlaufen?«

      Chris schüttelte den Kopf. »Das ist mir zu dumm.«

      »Dir ist alles zu dumm«, rief Fabian aufgebracht. »Dann schlag doch einmal selber etwas vor!«

      Chris presste die Lippen zusammen.

      »Siehst du, dir fällt auch nichts ein.«

      Chris widersprach ihm: »Ich weiß schon etwas, aber ich sag’s euch nicht.«

      »Dann behalt’s eben für dich.« Henrik winkte ab.

      »Mache ich auch.« Chris stand auf.

      »Wo willst du hin?«, fragte Henrik.

      »Das geht dich nichts an!« Chris schlurfte weiter. Das, was Henrik noch sagte, verstand er nicht.

      Bella, die altersschwache Schäferhündin, trottete hinter ihm her. Chris blieb stehen. »Hau ab«, zischte er.

      Bella blieb stehen.

      Als er weiterging, trottete Bella ebenfalls weiter. Immer hinter ihm her. Chris machte einen plötzlichen sprunghaften Schritt zurück, um Bella zu erschrecken. Doch Bella reagierte nicht ängstlich. Sie wusste, dass ihr die Kinder nichts taten. Ganz Sophienlust behandelte sie, die altersschwache Bella, rücksichtsvoll.

      »Was läufst du mir dauernd nach, du dummes Vieh? Ich mag dich nicht. Hau ab!« Chris gab der Hündin einen Schlag aufs Hinterteil.

      Bella schaute ihn nur erstaunt an und blieb weiter hinter ihm.

      Chris begann zu laufen, so schnell er konnte. Bella hielt das für ein Spiel. Sie wollte hinter Chris herspringen, aber es ging nicht.

      »Sieh nur die arme Bella an!« Pünktchen beschattete ihre Augen mit der Hand. »Chris! Lauf nicht so schnell«, rief sie.

      Chris tat, als höre er sie nicht. Er rannte weiter und war Bella endlich los.

      Wieder saß er allein in einem Winkel des Parks und träumte. Da passierte es ihm wieder. In letzter Zeit kam es dauernd vor. Wenn er an den Vater dachte, in Gedanken ein schönes Bild von ihm malte, dann machte sie dieses Bild kaputt. Dann sah er plötzlich neben dem geliebten Gesicht des Vaters diese Frau, Vaters Freundin. Aber er wollte sie doch gar nicht sehen. Nicht einmal an sie denken wollte er. Doch plötzlich war ihr Gesicht da und lächelte den Vater an. So, wie sie es damals getan hatte.

      Chris erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem der Vater sie zum ersten Mal mitgebracht hatte. Es war furchtbar gewesen. Nur noch Augen für diese Frau hatte der Vater gehabt. Und dann hatte er sogar ihre Hand gehalten. Chris wusste noch genau, dass er damals den Wunsch gehabt hatte, diese Frau zu verprügeln.

      Eine Bewegung hinter ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Es war eine sanfte Berührung. Chris drehte sich um. Da stand Bella hinter ihm und berührte mit der Nase seinen Rücken. Ganz sacht, als wollte sie sich für die Störung entschuldigen. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten ihn treuherzig an. Chris schluckte. Dann legte er seinen Arm um Bellas Hals und grub sein Gesicht in ihr Fell. Bella hielt ganz still.

      Sie rührte sich nicht.

      Das war fast so beruhigend, wie vom Vater umarmt zu werden. Chris erzählte der alten Schäferhündin seinen ganzen Kummer. Dann gab er ihr das letzte Bonbon, das er in seiner Hosentasche fand. Aber Bella wollte es nicht. Vielleicht deshalb nicht, weil sie keine guten Zähne mehr hatte und auch nicht mehr genug.

      »Arme Bella.« Chris streichelte sie.

      Als er Stimmen hörte, ließ er Bella los und rückte von ihr ab.

      »Hier bist du.« Pünktchen zwängte sich durch die Äste eines Gebüschs. »Was machst du hier?«

      »Nichts.«

      Misstrauisch schaute Pünktchen von Chris zu Bella. »Hast du ihr etwas getan?«

      Chris nickte mit einem schadenfrohen Glitzern in den Augen. »Ich habe sie geschlagen.«

      Pünktchen holte tief Luft. »Was fällt dir ein …« Da sah sie, dass Bella zu Chris kam und ihn beschnupperte. »Das würde sie nicht tun, wenn du sie geschlagen hättest.«

      »Was würde sie nicht tun?« Chris rückte wieder von Bella ab.

      »Zu dir kommen und dich beschnuppern«, sagte Pünktchen. Sie wurde einfach nicht schlau aus Chris. »Du bist richtig komisch.«

      »Du auch. Ihr seid alle komisch.« Chris drehte


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