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Momentaufnahme. Sören PrescherЧитать онлайн книгу.

Momentaufnahme - Sören Prescher


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Rauschen, aber schon nach kurzem Suchen fand Jenny einen Sender, der eine alte Reggae-Nummer spielte. Unschlüssig ob sie den Sender lassen sollte, runzelte sie die Stirn, ließ die Hand aber sinken.

      »Immerhin besser als California Dreaming.«

      Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster. Bäume, Häuser und eine verwaiste Straße. Alles wirkte ruhig … und langweilig. Bestimmt war es der beste Ort zum Ausspannen und wohl auch der ideale Platz für ihre Eltern. Jenny hingegen fühlte sich wie ein Eskimo in der Sahara. Den kommenden Wochen sah sie mit Schrecken entgegen.

      Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Ihre Mom streckte den Kopf zur Tür hinein. »Bist du so weit?«

      »Ich komme gleich.«

      Ihre Mom nickte. »Dad und ich warten draußen.« Sie verschwand hinaus, ließ die Tür aber angelehnt. Jenny überprüfte vor dem Spiegel kurz ihr Aussehen und verließ das Motelzimmer.

      3

      Zwei Stunden und einen Spaziergang später saß sie mit ihren Eltern im hiesigen Restaurant – zumindest, wenn man es so nennen wollte. Marcys Diner zählte sicher nicht zu den attraktivsten Orten der Welt, war aber offenbar der einzige in Milton, an dem heute noch eine warme Mahlzeit zu bekommen war. Skeptisch stimmte sie allerdings, dass sie sich als einzige Gäste im Lokal aufhielten. War das Essen so miserabel oder existierte irgendwo noch ein zweites Diner, das sie übersehen hatten?

      Aber nicht nur Marcys Diner wirkte wie ausgestorben. Auch auf der Straße sah sie kein einziges Auto. Fußgänger waren Jenny in den letzten Stunden ebenfalls nur eine Handvoll aufgefallen. Wohin um alles in der Welt hatte es sie bloß verschlagen? Selbst der Aufenthalt in einem Bootcamp dürfte spaßiger sein als das, was ihr bevorstand.

      Ihren Eltern schien die Stille überhaupt nicht aufzufallen. Sie hatten ausschließlich Augen füreinander. Wie zwei verliebte Teenager strahlten sie sich an. Wohlmöglich überlegten sie, wo sie am besten knutschen konnten. Oder sie füßelten bereits unter der Tischplatte.

      Angewidert verzog Jenny das Gesicht. Ganz bewusst vermied sie es, hinabzublicken. Einerseits war die Harmonie ein schönes Zeichen. Kein falsches Wort kam ihren Eltern über die Lippen und beide schienen stets im Voraus zu ahnen, was der andere gleich sagen würde.

      Anderseits waren die zwei Mom und Dad. Sie beim Flirten – oder Schlimmerem – zu beobachten, war in etwa so prickelnd wie die Vorstellung, sich Gabeln in die Augen zu rammen. Letzteres hatte aber wenigstens den Vorteil, dass sie sich das Elend nicht länger hätte mit anschauen müssen.

      Während sie die beiden so sah, kamen ihr erste Zweifel, ob diese überschwängliche Freundlichkeit wirklich ein Teil des Wir-versuchen-es-zu-kitten-Plans war, oder ob sie sich vollkommen auf dem falschen Dampfer befand. Vielleicht hatte sie sich die Probleme der Familie nur eingebildet oder überdramatisiert.

      Sie beschloss, die beiden ihr Ding durchziehen zu lassen und war froh, als sie auf der Straße ein paar Jugendliche vorbeilaufen sah. Die ganze Gruppe lachte, als kämen sie direkt aus einem Adam-Sandler-Film. Vier Mädchen und vier Jungen waren es. Allesamt in ihrem Alter. Einer davon war ein athletischer Blondschopf, der mit Sicherheit zum Sportteam der hiesigen Highschool zählte und die Herzen der Mädchen reihenweise brach. Wie auf ein Stichwort lächelte er ihr zu. Jenny wurde ganz warm im Bauch. Schüchtern lächelte sie zurück. Vielleicht würde der Aufenthalt in Milton doch nicht so langweilig verlaufen.

      Ein anderer Junge sah, wohin der Blick seines Freundes zielte und klopfte ihm beherzt auf die Schulter. Dadurch wurde er abgelenkt und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Gruppe. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, Jenny ein letztes Mal zuzulächeln.

      Liebend gern wäre sie mit ihm und den anderen Jugendlichen losgezogen. Ganz gleich, wohin sie gingen, alles war besser, als Mom und Dad beim Turteln zuzusehen. Doch um die zurückgewonnene Harmonie ihrer Eltern nicht zu unterbrechen, verwarf sie die Überlegung schnell wieder.

      4

      Jenny hatte befürchtet, in der Nacht durch laute Geräusche aus dem Nebenzimmer wachgehalten zu werden. Doch Gott war ihr gnädig und ließ sie weder ein übermütiges Kreischen noch Bettquietschen hören. Was allerdings nichts zu sagen haben musste. Ein Grund mehr, auch am Morgen besser gar nicht erst darüber nachzudenken.

      Der Krimskramsshop an der Straßenecke kam ihr dafür gerade recht. Vor allem die zwei zum Bersten gefüllten Zeitschriftenregale dürften einiges an Ablenkung zu bieten haben. Jenny griff nach einer Modeillustrierten, stellte aber nach wenigen Seiten fest, dass ihr Geschmack und der der Redakteure nie denselben Weg gehen würden. Ganz egal, was sie schrieben, Rüschenblusen kämen für sie niemals in Frage. Ebenso wenig wie gepunktete Shirts.

      Als sie nach einer anderen Zeitschrift greifen wollte, sah sie eine schlanke Brünette ungefähr in ihrem Alter auf sich zukommen. Jenny erkannte sie sofort. Sie war eines der Mädchen, das gestern an Marcys Diner vorbeilaufen war.

      »Hi«, sagte sie.

      »Hi«, erwiderte Jenny im selben Tonfall.

      »Urlaub oder neu hergezogen?

      »Urlaub. Bin nur über den Sommer hier.«

      »Dann gehörst du bestimmt zu den Leuten aus Boston, die gestern drüben im Motel eingecheckt haben.«

      »Genau! Woher weißt du was?«

      »Milton ist ein ziemlich kleiner Ort. Neuigkeiten sprechen sich schnell herum. Sehr viele Besucher haben wir hier nicht.«

      Jenny verkniff sich eine spitze Bemerkung und griff nach einer Flasche Coke Light. »Wo seid ihr denn gestern Abend hingegangen? Ich habe euch von Marcys Diner aus gesehen. Ist hier irgendwo was los?«

      »Leider nicht. Am Stadtrand gibt es zwar einen Club, aber ansonsten sieht es echt öde aus. Ein paar der Jungs surfen, die anderen schwimmen oder albern herum. Ist auf jeden Fall besser, als im Ort zu versauern oder sich das Hirn wegzukiffen.«

      Jenny nickte. »Ich bin zwar erst kurze Zeit hier, aber so richtig spannend scheint es wirklich nicht zu sein.«

      »Da möchte ich nicht widersprechen. Ich heiße übrigens Sheryl. Sheryl Foster.«

      »Ich bin Jenny Bradfield.«

      »Hast du heute Nachmittag schon was vor, Jenny Bradfield?«

      Sie tat, als müsste sie darüber nachdenken, aber eigentlich war die Antwort klar. »Nein, habe ich nicht.«

      »Wenn du Lust hast, komm doch mit uns zum Strand. Da ist zwar auch bloß sonnen, ins Wasser gehen und ablästern angesagt, dürfte aber spannender sein, als seinen Nachmittag im Motelzimmer oder bei einem Spaziergang mit den Ellies durch die Stadt zu verbringen.«

      »Wem sagst du das? Ich wäre gern dabei.«

      »Toll. Sagen wir, ich hol dich so gegen zwei ab?«

      Jenny nickte und überlegte, ob sie ihr den Weg beschreiben sollte, aber Sheryl kannte sich mit Sicherheit bestens aus. »Zwei klingt gut. Ich warte auf dem Parkplatz vor dem Motel auf dich.«

      »Super. Ich muss dann mal wieder. Meine Mutter wartet daheim auf irgendein Soßenpulver, das ich ihr holen soll.« Sheryl verdrehte die Augen.

      Dann verabschiedeten sie sich lächelnd.

      Jenny freute sich auf den Nachmittag. Zwar musste sie noch ihre Eltern überreden, aber das würde vermutlich kein Problem sein. Mom und Dad waren ja derzeit genug mit sich selbst beschäftigt.

      5

      Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit stand Jenny am Treffpunkt, musste aber nicht lang auf Sheryl warten. Sie schlenderten die Hauptstraße entlang, aber weder der kleine 7-Eleven-Laden noch das Herrenmodegeschäft interessierten Jenny sonderlich. Ihre Gedanken kreisten um Sheryls Freunde und ihre Aufregung wuchs mit jedem Schritt. Wie waren die anderen drauf? Wie würden sie sie finden? Schließlich war sie nicht nur eine Fremde, sondern kam noch dazu aus der Großstadt. Waren die Landleute in so was nicht immer ziemlich eigen? Vermutlich war das bloß ein Klischee. »Wie viele sind eigentlich in deiner Clique?«

      Sheryl


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