Mami Bestseller 19 – Familienroman. Gisela ReutlingЧитать онлайн книгу.
nannte.
*
Er rief bereits am Montag an.
»Hoffentlich halten Sie mich nicht für aufdringlich«, sagte er mit leichter Verlegenheit in der Stimme, »aber ich konnte es einfach nicht mehr erwarten.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, gab Christiane zurück. »Ich finde es nett, daß Sie an mich gedacht haben.«
Sie redeten ein wenig hin und her, dann fragte Andreas Veidt:
»Darf ich heute wieder zu Ihnen kommen, nur für ein Stündchen? Mir fällt augenblicklich in meinem möblierten Zimmer die Decke auf den Kopf!«
»Wie schrecklich, das kann ich natürlich nicht zulassen!« scherzte Christiane.
»Das heißt also, daß ich kommen darf?« Es klang ein wenig atemlos. Dann fügte er hinzu: »Sie müssen mir aber erlauben, daß ich diesmal etwas zu essen mitbringe. Ich will mich schließlich nicht von Ihnen durchfüttern lassen!«
Er kam, und er brachte eine Menge leckerer Kleinigkeiten mit, die er in einem Delikatessengeschäft eingekauft hatte.
»Waldorf-Salat – Schinkenröllchen – französischer Käse…« Christiane schüttelte leicht den Kopf, als sie alles auf Teller und Schüsselchen legte. »Sie sollten sich doch nicht so in Unkosten stürzen!«
Aber er strahlte wie ein Junge. »Manchmal muß man auch ein bißchen leichtsinnig sein können!« erklärte er. »Seit einer Woche ist für mich jeder Tag ein Fest!«
Christiane steckte Weißbrotscheiben in den Toaster. »Warum ausgerechnet seit einer Woche?« wollte sie wissen.
»Weil ich Sie vor einer Woche wiedergefunden habe, Christiane! – Erlauben Sie mir, daß ich Sie Christiane nenne?«
Sie hatte ein entzückendes Lächeln um den Mund, als sie ihm zunickte: »Ich erlaube es, Andreas!«
Das Blut stieg ihm in die Stirn, als er sie so lächeln sah. Vielleicht war es ihr selbst gar nicht bewußt, wie mädchenhaft und bezaubernd sie in diesem Augenblick aussah. Er hatte es ihr noch nicht sagen wollen, aber die Worte drängten sich ihm einfach über die Lippen: »Ich glaube, ich liebe Sie, Christiane!«
Sie spürte, wie ihr das Herz bis in den Hals klopfte. »Das sagen Sie einfach so daher, in der Küche, bei den Vorbereitungen für das Abendessen?«
»Ja, warum nicht, wenn mir danach zumute ist? Brauchen Sie dafür Musik und Kerzenlicht? Ich nicht.« Er trat auf sie zu und umfaßte sacht ihre Arme. »Es ist wahr, ich liebe Sie, Christiane, und dagegen kann ich gar nichts machen.«
Es begann plötzlich brenzlig zu riechen, und Christiane machte sich von Andreas los, um den Toaströster abzuschalten. »Würden Sie denn etwas dagegen unternehmen, wenn Sie es könnten, Andreas?« fragte sie leise, bevor sie sich ihm wieder zuwandte.
»Um Himmels willen, nein! Das einzige, was mich verwirrt, ist, daß es so schnell über mich gekommen ist. Ich dachte immer, ich würde viel mehr Zeit brauchen, um ganz sicher zu sein.«
Sie sahen sich an wie zwei Menschen, die wissen, daß ihnen etwas Wunderbares geschehen ist. Dann flüsterte Christiane, überwältigt, ganz im Bann dieses köstlichen, unverlierbaren Augenblicks: »Mir geht es genau wie dir, Andreas…«
»Christiane!« Ungestüm zog er sie an sich und küßte sie, und ein heißes, nie empfundenes Glücksgefühl stieg schmerzhaft in Christiane auf und drohte ihr das Herz zu sprengen.
Endlich lösten sie sich ein wenig voneinander, aber Andreas hielt sie noch immer fest. »Ich kann es noch gar nicht fassen«, murmelte er voller Zärtlichkeit und blickte ihr dabei in die Augen.
»Bisher glaubte ich kaum daran, daß es sie wirklich gibt: die große Liebe, die einen plötzlich packt und nicht mehr losläßt. Und auf einmal kann ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen.«
»Ich habe, bevor du kamst, noch nichts von Liebe gewußt, Andreas«, gestand Christiane. Sie ließ die Stirn gegen seine Schulter sinken. Nach einem kleinen Schweigen lachte sie leise auf. »Ich habe auch schon manches zu hören bekommen, weil ich nie einen Freund hatte, der mich vom Büro abholte oder mit dem ich zum Tanzen ging. Aber ich hatte einfach kein Interesse dafür, weißt du.« Sie hob den Kopf und lächelte ihm zu. »Es war eben noch keiner wie du!«
Und für diese Worte mußte Andreas wieder die weichen roten Lippen seiner Liebsten küssen.
Damit begann eine glückliche Zeit. Sie sahen sich beinahe täglich, sie teilten die kleinen Sorgen und Freuden ihres Alltags miteinander und wurden immer wieder davongetragen von dem großen, alles überwiegenden Glücksgefühl, einander gefunden zu haben.
»Laß mich heute bei dir bleiben«, bat Andreas eines Abends, als es spät geworden war und für ihn in wenigen Stunden die Arbeit im Zeitungsgroßvertrieb begann.
Als sie nickte, nahm er sie in seine Arme. »Du weißt nicht, wie glücklich du mich damit machst, Christiane!«
»Dich und mich«, verbesserte sie ihn. Sein Kuß ließ ihr Blut schneller kreisen, ließ sie eine fast wilde Sehnsucht empfinden, ihm ganz zu gehören. »Ich liebe dich«, sagte sie, und sie sagte es immer wieder. Es gab nichts hinzuzufügen.
Später dachte sie: Wie töricht bin ich einmal gewesen, für Liebe zu halten, was nichts als ein flüchtiger Rausch der Sinne war – und nicht einmal das. So viel wird in der heutigen Zeit über die Liebe geredet und geschrieben, und es schien Christiane jetzt, als würde dieses große Wort damit entweiht, weil in Wirklichkeit doch etwas ganz anderes gemeint war. Dieses »andere« aber war nichts, das hatte sie nun erfahren, wenn nicht auch eine einzige Verbundenheit der Herzen bestand.
*
»Was hast du denn?« fragte Inge Brunn verwundert, als Christiane plötzlich aufstand und das Fenster aufriß. Sie hatten, wie schon manches Mal, in der Frühstückspause eine Tasse Kaffee zusammen getrunken und einen kleinen Plausch gemacht. Und mitten im Gespräch über neue Frühjahrsmoden war Christiane kreidebleich geworden.
Sie hielt sich am Fensterflügel fest und holte tief und mühsam Luft. Endlich wurde ihr etwas besser, und sie wandte sich um. Aber sie war noch immer sehr blaß. »Es ist zu warm im Zimmer, davon muß einem ja übel werden«, murmelte sie und drehte die Heizung ab, die wegen des kühlen Wetters immer noch auf Hochtouren lief. »Na, na«, Inge Brunn hob scherzhaft drohend den Finger, »Übelkeit am Morgen kann auch andere Ursachen haben!«
»Unsinn«, sagte Christiane schroff. »Eine kleine Unpäßlichkeit, das kann doch jedem passieren, oder nicht?«
»Ja, natürlich, ich hab’ ja auch nur Spaß gemacht«, lenkte Inge Brunn ein. »Du bist so empfindlich in letzter Zeit.«
Als die Kollegin wieder in ihr Büro hinübergegangen war, beugte Christiane sich über ihre Arbeit.
»Sehr geehrte Herren, auf Ihren Brief vom 16.4. teilen wir Ihnen mit…«
Christiane starrte auf das vor ihr liegende Blatt Papier, unfähig, sich zu konzentrieren. Eine würgende Angst stieg in ihr empor. Es war manches nicht so, wie es sein sollte in letzter Zeit. Aber sie hatte die Störung in ihrem körperlichen Wohlbefinden nicht wichtig nehmen wollen, und wenn sie doch einmal ein schrecklicher Verdacht durchzuckte, hatte sie ihn sogleich wieder von sich gewiesen. Es konnte nicht sein, es durfte nicht sein, es wäre Wahnsinn! Aber wenig später erhielt Christiane die Gewißheit, daß sie ein Kind bekam. Ein Kind von Uwe Hallweg!
Sie war ratlos und verstört wie nie zuvor und es schien ihr, als hielte eine eiserne Faust ihr Herz umklammert. Dieses Herz, das eben noch im Überschwang der ersten Liebe so selig geschlagen hatte! Sie schützte Arbeit vor, wenn Andreas sie sehen wollte, und weil er gerade ein Zwischenexamen zu bestehen hatte, gab er sich damit zufrieden.
Warum war das Kind, das in ihr wuchs, nicht von Andreas, warum war es von einem Mann, der ihr fremd und gleichgültig geblieben war? Jetzt erst, wo es zu spät war, erfaßte sie bittere Reue darüber, daß sie Uwe Hallwegs Drängen nachgegeben hatte, aus einer Sektlaune heraus,