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Heimische Exoten. Mareike MildeЧитать онлайн книгу.

Heimische Exoten - Mareike Milde


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So gibt es seit Jahren sehr engagierte Diskussionen zwischen Förstern, Jägern und Sikawildbefürwortern im Arnsberger Wald in Nordrhein-Westfalen. Hin und wieder wurde die Hoffnung geäußert, der Wolf könne sich schnellstmöglich wieder in den Wäldern Nordrhein-Westfalens ansiedeln, damit der Artenbestand auf natürliche Weise dezimiert und so in Schach gehalten wird. Das ist bisher noch nicht passiert. Und ob man dem Wolf erklären kann, dass er vorzugsweise das gebietsfremde Sikawild reißen soll und vom heimischen Rotwild bitte die Zähne lässt, bleibt abzuwarten. Wohl aber hat sich der wiedererstarkte Luchs als Reißer des Wildes bemerkbar gemacht. Die Zahlen sind aber noch zu gering, um eine deutliche Bestandsminderung zu erwirken.

      Im Schaffhauser Wald ist man nun dazu übergegangen, in Aufforstungen Eschen, Fichten und Douglasien einzeln zu ummanteln, damit sie überhaupt die Chance haben, gesund zu wachsen.

      In einigen Regionen wird Sikawild immer noch in Gehegen gehalten und für den Fleischverzehr gezüchtet. Es eignet sich sehr gut für eine deftige grobe Bratwurst, die man vor allen Dingen zur Winterzeit auf Weihnachtsmärkten in Revierförstereien zu essen bekommt.

      Seit einer Stunde sitze ich nun schon unbeweglich auf meinem hölzernen Thron, ich bin regelrecht verwurzelt mit dem Baum, da knackt es leise unter mir im Gehölz. In meinen Augenwinkeln sehe ich ein weißgetupftes Getier, das am Boden schnüffelt. Ganz langsam drehe ich den Kopf und wir blicken uns einen Moment an, der Sikahirsch und ich. Sein Geweih ist noch nicht sehr groß und es hat erst zwei Verästelungen. Er wird es im April oder Mai abgeworfen haben; bis zur nächsten Brunftzeit im September wird es wieder groß sein, damit er bei seinen Rivalen einen guten Stand hat und die Damenwelt beeindrucken kann. Er ist allein unterwegs und ich staune, dass mir wirklich ein Sikahirsch als erstes wildes Tier in diesem Wald über den Weg läuft. Die Hirsche sind meist allein unterwegs, nur die jungen Männchen rudeln sich in Jungsgruppen zusammen. Die Sikakühe leben am liebsten mit ihren Mädels in Zehnergruppen zusammen. In der Brunftzeit, also im September, beginnen die Revierkämpfe der Männchen, und wer die Damen am meisten beeindruckt, darf einen Harem von vier bis sechs Weibchen gründen – aber nur, wenn er denn auch gut riecht. Und das erreicht das Sikamännchen, indem es sich eine Kuhle scharrt, diese mit seinem Urin füllt, und sich anschließend ausgiebig darin suhlt. So parfümiert und eingesalbt schmelzen die Damen dahin und sind zutiefst beeindruckt, sofern er auch noch einen guten Kampf abliefert. Das übliche Einparfümieren gibt es also nicht nur in der Menschenwelt, sondern es spielt auch in der Sikawelt eine wesentliche Rolle.

      Sobald der Haremsclub steht, muss er immer wieder gegen rivalisierende Hirsche verteidigt werden. Bei den Kämpfen krachen die frisch gewachsenen Geweihe aneinander, dass es nur so knallt, und auch wenn der Hirsch seine Damen erfolgreich verteidigen konnte, fängt der Stress jetzt erst an, denn er hat eine Mission. Bei sechs Damen ist er ganz schön beschäftigt, weshalb er in der Brunftzeit rund 30 Prozent seiner Körpermasse verliert. Wer hat schon Zeit zu fressen, wenn es um nichts weniger als den Erhalt der eigenen Art geht.

      Das Sikawild ist in Deutschland als potenziell invasiv eingestuft. In allen Ländern wird immer wieder darüber diskutiert, ob es auf die Black List der unerwünschten Arten aufzunehmen ist. Noch ist dies nicht erfolgt, weder in der Schweiz noch in Deutschland. Der Grund für die Überlegung sind nicht nur ihre Fressgewohnheiten – Wurzeln und Stämme heimischer Bäume –, sondern auch die mögliche Hybridisierung mit heimischem Rotwild. In einem wissenschaftlichen Experiment von Forschern der britischen Universität Sussex und des Museums für Naturgeschichte im französischen Obterre wurde herausgefunden, dass sich die Sikadamen nämlich sehr gerne mit den Rothirschmännchen paaren. Und das, obwohl sich der Paarungsruf eines Sikahirsches als trillerndes Pfeifen mit anschließendem Brummen sehr von dem tiefen Röhren eines Rothirsches unterscheidet. Diese unterschiedlichen Laute werden sich aber erst ausgebildet haben, nachdem sich die Populationen voneinander getrennt hatten, damals vor Millionen von Jahren. Und im evolutionären Gedächtnis der Sikadamen hat das tiefe Röhren ihrer Urahnen immer noch einen Platz im Herzen, sodass einer Paarung nichts im Wege steht. Andersherum, also von Sikahirsch zu Rothirschdame, funktioniert die Paarung übrigens erst, wenn sich das Wild über längere Zeit aneinander gewöhnt hat und die Laute des jeweils anderen (das Sikawild hat zehn verschiedene Klangrufe!) kennengelernt hat. Die Sorge der Sikagegner besteht nun darin, dass sich Nachkommen aus diesen beiden Arten zu einer komplett neuen, urheimischen Art entwickeln und das eigentliche Rotwild nach und nach ausstirbt. Diese sogenannten Hybride, also eine Mischung aus zwei Arten innerhalb einer Familie, gälten mit ihrer Geburt höchstwahrscheinlich als neue heimische Tierart, und nicht wie das Sikawild als Neozoen. Einige von diesen Mischwesen soll es bereits an mehreren Orten geben und sie sind auch als eigenständige Gattung fortpflanzungsfähig. Eine neue Art unterstünde dann natürlich auch dem heimischen Jagdrecht samt aller Schonfristen und Auflagen, und dass es dazu kommt, möchte man vielerorts unterbinden. In Schaffhausen gibt es kein Rotwild; hier besteht diese Gefahr nicht. Im Arnsberger Wald konnte man bislang auch noch keine Hybride feststellen, allerdings kann es grundsätzlich sein, dass solche Nachkommen optisch gar nicht erkennbar sind, sondern nur über genetische Tests klassifiziert werden können.

      Kurz bin ich abgeschweift und habe fast vergessen, darüber zu berichten, was sich seit ein paar Minuten unter mir abspielt. Eigentlich spielt sich aber auch nichts ab. Der Sikahirsch schaut mich immer noch an, ich schaue den Sikahirsch an, wir beide sind unbeweglich und neugierig. In Zeitlupe strecke ich meine Hand aus und taste nach dem Feldstecher. Bei einem Abstand von zehn Metern nützt mir dieser nicht viel, aber meine Kamera, die darunter liegt, würde mir sehr helfen und mich beim späteren Campingdinner mit meiner Freundin als erfolgreiche Tierrechercheurin glänzen lassen. Sehr langsam hebe ich den Feldstecher an und strecke die andere Hand nach dem Fotoapparat aus. Dafür muss ich nicht nur meine Hand, meinen Arm, meine Schulter, sondern auch meinen Kopf und Körper vorbeugen, um näher heranzukommen. Nur noch ein kleines Stück, dann habe ich sie in der Hand, die Kamera, den gleichen Weg noch einmal zurück und nur ein winziger Klick, dann ist es geschafft; der Beweis einer geglückten Recherche im Schaffhauser Wald würde doch sicher auch meinen Verlag beglücken. Es knackt, es knackt lauter, irgendwas spielt nicht mit an meinem Körper, ich verliere das Gleichgewicht, rutsche seitlich über den Baumstamm, klammere mich mit beiden Armen fest, finde das Gleichgewicht wieder, doch mit einem lauten KLONG! plumpst die Thermoskanne vom Baum auf den Boden. Verdammt! Der Hirsch ist nicht mehr da, war ja auch klar, bei dem Lärm. Ich sehe ihn noch 20 Meter weiter in aller Gemütlichkeit, fast schon Dickfelligkeit hinfortschlurfen. Richtig erschreckt habe ich ihn wohl nicht. Alles, was mir bleibt, ist unsere Erinnerung, ein Stückchen Rinde unter dem Daumennagel und ein eingeschlafenes Bein, das mir nun das Herabklettern schwer macht. Das stille Sitzen, es ist wohl nicht meins. Es reicht jetzt aber auch. Ich ergreife meine Thermoskanne, schultere meinen Rucksack und mache mich auf die lange Wanderung zurück zum Campingplatz. Ich habe genug gesehen, ich habe genug zum Schreiben. Jetzt mache ich Urlaub.

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      Südamerikanische Laufvögel auf rapsgelben Äckern:

      Die Nandus von der Wakenitzniederung

      Grüne Wälder, frisch bestelltes Ackerland, sanfte Hügel und endlose Weiten, vermeintlich ins Nichts führende, teilbetonierte Feldwege. Ein Heimatroman könnte sie nicht schöner beschreiben, diese friedliche Landidylle rund um Schlagsdorf, rund neun Kilometer nordöstlich von Ratzeburg, an der Landesgrenze von Mecklenburg- Vorpommern zu Schleswig-Holstein.

      Schlagsdorf ist nur einer von vielen kleinen Orten im Landstrich der Wakenitzniederung. Es gibt eine Hauptstraße, eine malerische Kirche, ein paar Einfamilienhäuser im Neubaugebiet, aber das war es dann auch schon. Himmlische Ruhe. Lediglich das Grenzhus, ein 1990 eröffnetes Museum zur 40-jährigen Geschichte der damaligen Bewohner im befestigten Grenzbereich, zieht mehrmals die Woche einen Reisebus voller Geschichtstouristen oder Schulklassen an. In diesen Momenten verwandelt sich die Bäckerei des Ortes in einen Quell des geschäftigen Treibens, 30 Minuten am Tag, schon hupt der Bus zur Abfahrt.

      Eine Zweigstelle des Biosphärenreservats Schaalsee-Elbe ist im gleichen Gebäude wie das Museum untergebracht, der Ranger, Herr Axel, sitzt in einem separaten Häuschen neben dem Busparkplatz, in seinem Büro gibt es Filterkaffee und zwei Besucherstühle,


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