Dr. Norden Bestseller 342 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
section>
Dr. Daniel Norden betrachtete die hübsche junge Patientin, die mit gefalteten Händen vor ihm saß, mit forschenden Blicken.
Annelore Heilwig, einundzwanzig Jahre, Fremdsprachenkorrespondentin, unverheiratet. Sie war schwanger.
»Es stimmt also«, sagte sie leise, »ich werde ein Kind haben.«
»Sie freuen sich nicht?« fragte Dr. Norden vorsichtig.
Sie sah ihn an, ihr Blick war traurig und abwesend, ihr Gesicht ausdruckslos. »Ich habe keinen Grund mehr, mich zu freuen, aber wenigstens mein Kind wird mir bleiben.«
Ihr Verhalten und ihre Worte stimmten Dr. Norden sehr nachdenklich. »Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Frau Heilwig, gleich welcher Art, sagen Sie es mir bitte. Ich kann zumindest versuchen, Ihnen zu helfen.«
»Danke, Herr Dr. Norden«, sagte Annelore leise.
Dr. Norden bemerkte mit Erleichterung, daß ihr Gesichtsausdruck nicht mehr so – so hoffnungslos war. »Vielleicht haben Sie schon einmal vom Christopherus-Heim gehört. Es ist ein neueingerichtetes Heim für unverheiratete Mütter, die Hilfe brauchen. Das Heim steht unter der Schirmherrschaft meiner Frau und«, Dr. Norden lächelte sein sympathisches Lächeln, »mir. Wir versuchen in den einzelnen Fällen vor allem menschlich zu helfen. Manchmal sind junge Frauen in dieser Situation sehr allein – trotz unserer doch so modernen und aufgeklärten Gesellschaft.«
»Es ist bewundernswert, Herr Doktor, was Sie alles für Ihre Patienten tun. Wer dankt Ihnen denn das?«
Daniel Norden lachte. »Etwas zu tun, um Dank zu erhoffen, ist so eine Sache. Wir versuchen nur zu helfen, wenn es uns möglich ist.«
Jetzt lächelte Annelore. Dr. Norden sah es mit Erleichterung.
»Ja, Herr Doktor, von diesem Christopherus-Heim habe ich schon gehört. Und ich würde gern, wenn es möglich wäre, dort wohnen. Es wäre eine große Hilfe für mich, denn ich muß meine Stellung sofort aufgegeben.«
»Sie wissen aber doch, daß Sie Kündigungsschutz genießen?« fragte er verwundert.
»Ja, das weiß ich, aber aus ganz persönlichen Gründen muß ich kündigen. Ich möchte jetzt aber nicht darüber sprechen.«
»Wir fragen nicht nach Gründen, wenn wir jemanden im Christopherus-Heim aufnehmen.«
»Ich habe genügend Ersparnisse, um über die nächsten Monate hinwegzukommen«, erklärte sie. »Später werde ich ja wohl eine Stellung finden.«
»Aushilfsweise könnte ich Ihnen auch jetzt eine in den Roth-Werken verschaffen«, bot Dr. Norden kurz entschlossen an. Er war überzeugt, daß Fred Roth dagegen keinen Widerspruch erheben würde.
Fred Roth war ein Unternehmer von Format, immer bereit zu helfen. Einst ein dankbarer Patient, mittlerweile ein Freund der Familie Norden.
Annelore Heilwig machte einen sehr sympathischen Eindruck, und Dr. Norden fühlte, daß sie viel verzweifelter war, als sie zugeben wollte.
»Ich wäre natürlich froh, wenn ich noch ein paar Monate arbeiten könnte, aber ich möchte nicht, daß mein früherer Chef erfährt, wo ich eine neue Beschäftigung gefunden habe.« Sie blickte auf. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, Herr Dr. Norden. Es sind ganz persönliche Gründe, die mir Entscheidungen abverlangen, denen ich mich offengestanden noch nicht ganz gewachsen fühle.«
Sie war intelligent, ehrlich und hatte zweifellos Charakter. Ein Verhältnis mit dem verheirateten Chef? Dr. Norden traute es ihr nicht zu, aber Liebe ging manchmal ganz seltsame Wege. Ein Urteil stand ihm nicht zu. Annelore mußte geholfen werden, das stand im Vordergrund. Er war ahnungslos, in welch dramatisches Schicksal er da wieder einmal verstrickt wurde.
Dr. Norden sollte die Vorgeschichte aus Annelores Mund erfahren, als sie zwei Tage später ein Appartement im ChristopherusHeim bezog und die Zusicherung von dem Industriellen Fred Roth hatte, bis zu ihrer Niederkunft in seiner Firma arbeiten zu können.
Es war eine traurige Geschichte, die Dr. Daniel Norden und seine Frau Fee noch lange beschäftigen sollte.
Dabei hatte sie für Annelore so glücklich angefangen.
Glücklich, weil sie sich geliebt glaubte von Fabian Hartenstein, dem jungen Abteilungsleiter in der Sörensen AG, in der sie als Fremdsprachenkorrespondentin beschäftigt war.
*
Fabian Hartenstein genoß den Vorzug, einige Male von seinem Chef eingeladen zu werden, nicht ahnend, daß Annabel Sörensen, die einzige Tochter des Fabrikanten, dazu den Anlaß gab.
Henning Sörensen erfüllte seiner Tochter jeden Wunsch.
Annabel war ein überaus zartes Mädchen, das keinerlei Interesse für Geselligkeit oder gar für einen Mann zeigte, bis sie Fabian Hartenstein kennenlernte. Oft kränkelnd, lebte sie auf, wenn sie mit ihm zusammentraf. Sie hatte ihrem Vater gesagt, daß sie keinen größeren Wunsch hätte, als Fabians Frau zu werden.
Henning Sörensen trug die Last eines Wissens mit sich, das ihn in einen tiefen Zwiespalt stürzte. Eine Last, die er allein tragen mußte. Seine Frau Ellen, die er über alles liebte, durfte davon nichts erfahren. Henning Sörensen wußte, daß seine Tochter an einer unheilbaren Krankheit litt, daß ihr Leben nur von kurzer Dauer sein würde.
Ellen Sörensen liebte ihre einzige Tochter abgöttisch. Sie hatte sich so sehr mehrere Kinder gewünscht. Da ihr aber dieser Wunsch nicht erfüllt worden war, war Annabel ihr ein und alles. Henning Sörensen mußte fürchten, daß seine Frau den Schicksalsschlag, den ein früher Tod Annabels mit sich bringen würde, nicht verwinden könnte.
Und so hoffte er immer noch, daß Annabel gerettet werden könnte, er hoffte es erst recht, als er zufällig einen Artikel las, in dem geschildert wurde, daß eine junge Frau durch die Geburt eines Kindes von der Leukämie geheilt worden war.
Was Henning Sörensen nicht wußte, war, daß Fabian mit Annelore Heilwig verlobt war, denn sie hatten diese Verlobung geheimgehalten.
Es war ein trüber Oktobertag gewesen, als Henning Sörensen Fabian zu sich rief. Annabels zwanzigster Geburtstag stand vor der Tür, vielleicht ihr letzter, wie Sörensen von Professor Dittmar erfahren hatte. Aber daran wollte Sörensen nicht glauben. Er war bereit, alles zu opfern, um Annabel zu retten, und damit auch seine Frau, denn Ellen konnte es nicht verborgen bleiben, daß Annabel immer durchsichtiger wurde, müder und gleichgültiger, daß sie nur auflebte, wenn Fabian Hartenstein bei ihnen war.
Er machte jedoch keine Anstalten, sich mehr als nur höflich mit der Tochter seines Chefs zu unterhalten. Fabian schien nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß ihm da eine riesige Chance zugespielt werden sollte.
Henning Sörensen sah sich in der Not seines Herzens gezwungen, offen mit Fabian zu sprechen.
Leicht fiel es ihm nicht, doch wer wollte ihm das verdenken? Er war bleich, übernächtigt, unsicher, als Fabian Hartenstein das Chefzimmer betrat.
Henning Sörensen hatte seine Sekretärin weggeschickt, damit jede Möglichkeit, daß dieses Gespräch oder auch nur Bruchstücke davon belauscht werden könnten, ausgeschaltet war.
»Es ist eine ganz persönliche Angelegenheit, wegen der ich Sie zu mir gebeten habe, Herr Hartenstein«, begann er stockend. »Es handelt sich um meine Tochter. Ich will offen mit Ihnen reden. Von Ihrer Entscheidung hängt alles ab.« Er sprach schnell, sah Fabian dabei nicht an. »Ich muß Sie jedoch um vollste Diskretion bitten. Niemand darf wissen, was ich Ihnen sage.«
Fabian war völlig konsterniert gewesen, immer noch ahnungslos und auch arglos.
»Selbstverständlich können Sie auf meine Diskretion rechnen, Herr Generaldirektor«, sagte er beklommen.
»Meine Tochter liebt Sie«, stieß Henning Sörensen hervor, »und ich möchte Sie bitten, Annabel zu heiraten.«
Fabian Hartenstein war fassungslos. »Sie bitten mich?« stotterte er. »Aber… «
Sörensen fiel ihm gleich ins Wort. »Hören Sie mich bitte erst an, bevor Sie weitersprechen. Annabel ist krank. Ich weiß, daß sie nicht mehr lange leben wird.