Familie Dr. Norden 732 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
gestand Stephan und fröstelte. Er lag immer noch auf dem Bauch vor dem Wagen und spürte, wie die Kälte durch sein dünnes Hemd kroch. »Schon immer träumte sie von einer Hochzeit in Weiß mit allem drum und dran. Mir ist das alles eigentlich ein bißchen zuviel. Trotzdem fange ich langsam an, mich auf den Tag zu freuen.«
»Das sollten Sie auch.« Camilla drückte Stephans Hand herzlich. »Bitte, erzählen Sie mir...« Sie stockte. Von Ferne erklang das Geräusch des Martinshorns. Die ersehnte Rettung nahte. Trotz der kurzweiligen Unterhaltung hatte sie von Minute zu Minute gespürt, wie ihre Kräfte schwanden.
»Gleich sind Sie in Sicherheit«, las Stephan ihre Gedanken. »Obwohl ich unser Gespräch gern fortgesetzt hätte.«
»Aber Sie besuchen mich doch in der Klinik, nicht wahr? Schließlich möchte ich mich gebührend für Ihre Hilfe bedanken«, erklärte Camilla schwach. »Nicht auszudenken, was aus mir geworden wären, wenn Sie nicht gewesen wäre.« Sie schauderte. Aber Stephan hatte keine Gelegenheit mehr, auf diese Feststellung zu antworten. In diesem Augenblick kamen zwei Sanitäter die abfallende Böschung hinuntergeklettert. In weiser Voraussicht hatte Stephan seinen Wagen gut sichtbar und beleuchtet am Straßenrand zurückgelassen.
»Da sind wir. Wie geht es der Verletzten?« erkundigte sich Kai Fürmann, einer der beiden Retter.
»Sie ist bei Bewußtsein. Aber ihre Beine sind eingeklemmt«, erklärte Stephan Humbolt bereitwillig und stand ächzend auf, um den Sanitätern Platz zu machen. Kai kniete nieder und leuchtete mit seiner Taschenlampe ins Innere des Wagens.
»Aber Sie sind ja Camilla Rosen, die Schauspielerin«, rief er überrascht aus. »Ich bin ein großer Fan von Ihnen.«
»Das freut mich!« stöhnte Millie auf. »Bitte, helfen Sie mir. Ich kann mich nicht bewegen.«
Kai war ein vernünftiger Mensch, der mit großer Konzentration bei der Arbeit war.
»Einen Augenblick, ich sehe mal nach, ob ich Sie befreien kann.« Wagemutig fuhr er mit dem ausgestreckten Arm ins Wageninnere, hinab an Camillas Beinen, bis er endlich ihre Füße ertasten konnte, die zwischen den Pedalen steckten. »Jetzt könnte es ein bißchen weh tun. Ich versuche, Sie freizubekommen. Achtung!« warnte er, als er das linke Bein zu fassen bekam. Vorsichtig versuchte er, es zu bewegen. Camilla stöhnte auf vor Schmerz.
»Das bringt doch nichts«, quetschte sie heraus. »Holen Sie lieber die Feuerwehr.«
»Wie lange wollen Sie noch hier liegen?« schalt Kai und arbeitete weiter.
Millie schrie auf, aber endlich war der Fuß frei. Danach ging alles ganz schnell. Auch das zweite Bein war gleich befreit, und mit vereinten Kräften hoben Kai und sein Kollege die verletzte Schauspielerin aus dem Wrack. Stephan konnte nicht mehr tun als tatenlos danebenzustehen und zuzuschauen, doch die Erleichterung über den Erfolg der Bemühungen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Wollen Sie mitkommen in die Klinik?« erkundigte sich Kai Fürmann, als Camilla endlich im Rettungswagen lag und ihre Wunden versorgt werden konnten.
»Nein, nein, für mich wird es höchste Zeit, nach Hause zu kommen. Meine Verlobte wird sich schon ängstigen.« Stephan warf einen Blick in den Rettungswagen. »Alles Gute, und gute Besserung.« rief er Camilla zu, die bleich und erschöpft auf der Liege lag. »Wir sehen uns dann in der Behnisch-Klinik. Ich habe die schönste im ganzen Umkreis für Sie ausgesucht. War selbst schon einmal Patient und sehr zufrieden mit der Betreuung.«
»Vielen Dank. Das müssen Sie mir unbedingt erzählen, wenn Sie mich besuchen kommen.« Trotz der Schmerzen gelang Camilla ein dankbares Lächeln. Dann warf Kai die Türen des Krankenwagens zu. Es wurde Zeit, daß die Verletzte in der Klinik gründlich untersucht wurde.
Nachdenklich blieb Stephan Humbolt noch kurz am Straßenrand stehen und blickte den kleiner werdenden Rücklichtern des Rettungswagens nach. Inzwischen hatte es leicht zu regnen begonnen, und ein plötzliches Zittern schüttelte ihn. Auch für ihn wurde es Zeit, nach Hause zu fahren und seine durchgefrorenen Glieder mit einem anständigen Drink wieder auf die richtige Temperatur zu bringen, ehe er zu Ariane ins warme Bett schlüpfte. Bei dem Gedanken an seine Verlobte wurde ihm ganz warm ums Herz, und er brannte darauf, ihr von seinem Erlebnis zu erzählen. Frierend, aber zufrieden, stieg er in seinen Wagen und machte sich endgültig auf den Heimweg. Als er in die Straße einbog, in der die gemeinsame Wohnung im ersten Stock eines modernen Mehrfamilienhauses lag, stellte Stephan überrascht fest, daß noch Licht brannte. Das verhieß nichts Gutes.
»Schön, daß du dich auch mal wieder blicken läßt, Steve. Ich dachte schon, du übernachtest heute auswärts.« Eingehüllt in ihren seidenen Morgenmantel saß Ariane auf der Couch und warf ihrem Verlobten einen herausfordernden Blick zu.
»Warum bist du denn noch wach, Ria? Du weißt doch ganz genau, daß es spät wird, wenn ich auftrete«, versuchte er, die Brisanz aus der Situation zu nehmen. Doch Ariane hatte den ganzen Abend Zeit gehabt, ihre Eifersucht zu schüren.
»Spät nennst du das also!« funkelte sie ihn böse an. »Halb drei Uhr morgens nenne ich früh. Sieht ganz danach aus, als ob du viel Spaß hattest.«
»Nicht mehr als sonst auch«, seufzte Stephan ergeben. Da war sie wieder, ihre grenzenlose Eifersucht, die ihm das Leben mitunter zur Hölle machte. »Wenn ich mir zuerst einen Drink machen darf, erkläre ich dir alles. Mir ist nämlich höllisch kalt, und ich brauche dringend eine Stärkung.« Erst jetzt fiel Arianes Blick auf sein völlig verschmutztes Hemd.
»Was hast du denn angestellt?«
»Das will ich dir ja erklären, aber du läßt mich nicht zu Wort kommen, du kleine Furie.« Steve schenkte ihr einen nachdenklichen Blick. Er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, wie er sie beruhigen konnte. »Aber ich liebe es, wenn deine Augen Funken sprühen vor Eifersucht. Das zeigt mir immerhin, wie lieb du mich hast. Und außerdem bin ich sehr froh, daß du noch wach bist. Dann kann ich dir nämlich alles erzählen.« Damit war Ria aller Wind aus den Segeln genommen. Sie schluckte und setzte eine schuldbewußte Miene auf.
»Es tut mir leid, Steve, ich wollte mich nicht so aufregen.« Sie wußte genau, wie sehr er unter ihrer krankhaften Eifersucht litt und wollte den Schaden begrenzen. »Es ist nur so, daß der Wirt vom Hotel angerufen hat. Die Hochzeitsgäste passen nicht alle in die Stube, die wir uns ausgesucht haben. Er schlägt den großen Saal vor, aber das wollte ich nicht allein entscheiden.« Sie warf ihm einen treuherzigen Blick zu.
»Du bist so lange aufgeblieben, um mir das zu sagen?«
»Du weißt doch, wie wichtig mir die Hochzeit ist.«
»Allerdings. Und du weißt, wie gern ich darauf verzichten würde. Wozu brauchen wir einen Trauschein, wo wir uns doch auch so lieben?« Stephan nahm einen ganz tiefen Schluck von seinem Whiskey, der ihm sofort Magen und Glieder wärmte.
»Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen. Schon als Kind träumte ich von einer Hochzeit in Weiß, mit Kutsche und Brautjungfern und allem, was dazugehört. Und du bist mein Märchenprinz, der mich in sein Schloß entführt«, seufzte Ariane verzückt und schmiegte sich eng an ihren Steve.
»Das ehrt mich ja sehr, aber erstens ist diese Wohnung kein Schloß und zweitens...«
»Psst! Ich weiß, was du sagen willst.« Ria legte ihm lächelnd einen Finger auf die Lippen. »Tu es einfach mir zuliebe. Das ist der Beweis, den ich von dir brauche. Wenn du erst ganz mir gehörst, bin ich zufrieden und werde nie mehr eifersüchtig sein. Ich schwöre!«
Mit einer theatralischen Geste hob sie die Hand und lächelte ihn schmelzend an. Stephan schluckte den Kommentar, der ihm auf den Lippen lag, hinunter. Er wußte, daß es sinnlos war, ihr zu widersprechen und erhob sich mißmutig, um ins Bett zu gehen. »Aber was ist denn, Schatz? Du wolltest mir doch etwas erzählen!« rief sie ihm erstaunt hinterher.
»Das hat wirklich noch Zeit bis morgen.« Mit diesen Worten verschwand er im Schlafzimmer, und Ariane blieb nichts anderes übrig, als ihm nach kurzer Bedenkzeit zu folgen.
*
Wie eh und je begann der Samstagmorgen im Hause