Familie Dr. Norden 732 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
von schön kann ja wohl im Moment keine Rede sein.« Camilla hatte alle Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. Aber sie war nicht umsonst Schauspielerin. »Trotzdem nett, daß Sie mich besuchen.« Lächelnd legte sie die Zeitschrift beiseite und musterte ihren Besucher kritisch. Statt der weißen Klinikkleidung trug er jetzt Jeans und ein schlichtes T-Shirt, unter dem sich seine trainierten Muskeln abzeichneten. »Gut schauen Sie aus.«
»Ein Lob aus Ihrem Munde? Das ist mehr, als ich mir je erhofft hatte«, entgegnete Kai und verdrehte die Augen schwärmerisch zum Himmel.
»Sie sind wohl ein Charmeur der alten Schule«, lachte Millie belustigt.
Diese Bemerkung sollte fröhlich klingen, doch Kai verstand sie offensichtlich falsch. Mit einem Schlag wurde er ernst. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, und ein gefährlicher Ausdruck blitzte in seinen Augen auf.
»Machen Sie sich bitte nicht lustig über mich«, entfuhr es ihm etwas herrisch.
»Aber das tue ich doch gar nicht. Es war nur so originell gerade. Sie haben Talent zur Komödie«, wollte sie ihn beschwichtigen, doch das waren wiederum genau die falschen Worte.
»Sie halten die Gefühle anderer Menschen also für komisch? Eine interessante Einstellung«, erklärte er mit eisiger Stimme, ohne Camilla aus den Augen zu lassen. Plötzlich schien er ein anderer Mensch zu sein, grausam und kalt. Unter seinem Blick fühlte sie sich eingeschüchtert und ängstlich.
»Aber das stimmt doch gar nicht«, flüsterte sie und drängte sich schutzsuchend in die Ecke ihres Bettes. »Ganz im Gegenteil. Ich freue mich darüber, daß Ihnen meine Arbeit gefällt. Außerdem wollte ich mich dafür bedanken daß Sie meine Mutter sofort angerufen haben«, beeilte sich Camilla zu versichern. Kai musterte sein Gegenüber. Langsam entspannten sich seine Züge wieder. Der Respekt, den Camilla ihm ganz offensichtlich entgegenbrachte, stimmte ihn versöhnlich. Seine Miene wurde weich, die vollen Lippen lächelten spöttisch.
»Sie wissen doch, daß ich Ihnen jeden Wunsch erfülle.« Er zog ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen vollendeten Kuß darauf.
Camilla beobachtete ihn verdutzt dabei. Jetzt war er wieder ganz der freundliche junge Mann, der sich auf Frauen verstand. Litt sie unter Wahnvorstellungen, oder hatten sie diese eindrucksvollen blauen Augen noch vor Sekunden eisig und bedrohlich angestarrt?
»Woran denken Sie denn?« fragte er jetzt beinahe liebevoll und holte sie mit seiner Frage in die Wirklichkeit zurück
»Ach, nichts.« Camilla zog ihre Hand zurück, um sich über die Augen zu fahren. Der Unfall war vermutlich doch nicht ganz spurlos an ihr vorbeigegangen.
»Sie können mir alles anvertrauen. Ich habe immer ein offenes Ohr für Ihre Probleme«, erklärte er herzlich, doch seine warmen Worte klangen wie eine Drohung in ihren Ohren. »Als Schauspielerin sind Sie doch sicher oft sehr einsam.«
»Eigentlich nicht.« Camilla wußte nicht, wie sie sich Kai gegenüber verhalten sollte. »Meine Mutter begleitet mich fast immer«, erklärte sie vorsichtig.
»Aber Freunde? Haben Sie Freunde?«
»Ein paar Jugendfreunde, aber die habe ich lange nicht mehr gesehen. Es fällt eben schwer, Kontakte zu pflegen, wenn man soviel unterwegs ist.«
»Fehlt Ihnen nicht manchmal jemand, dem Sie Ihr Herz aussschütten können. Jemand, mit dem Sie Erfolge und manchmal auch vernichtend Kritiken teilen können?« forschte Kai ungewöhnlich feinfühlig weiter. Der Ausdruck in seinen Augen war jetzt unglaublich zärtlich. Noch nie zuvor hatte ein Mann Camilla so angeschaut. Ein Schauer rann ihr über den Rücken.
»Manchmal schon. Aber warum fragen Sie?«
»Weil ich dieser Freund sein möchte.« Er lächelte sie mit seinen vollen Lippen gewinnend an. »Darf ich?«
»Aber wir kennen uns doch kaum«, wagte sie einen leisen Einspruch, was für ein widersprüchlicher Mann, dachte sie bei sich.
»Wir können uns kennenlernen. Denken Sie doch daran, wie allein Sie in der nächsten Zeit sein werden. Die Genesung wird Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen, in denen Sie nicht arbeiten können. Was für eine Gelegenheit, um Freundschaft zu schließen!«
Dem konnte Camilla nichts entgegensetzen. Abgesehen von dem kurzen Moment, in dem sie sich von ihm auf subtile Art und Weise bedroht gefühlt hatte, war ihr seine Gegenwart recht angenehm. Er schien kultiviert und gebildet und verstand es, ihr die Zeit zu vertreiben. Meine lebhafte Phantasie hat mir sicher nur einen Streich gespielt, beruhigte sich Camilla in Gedanken und lächelte plötzlich. Sie war einfach zu mißtrauisch.
»Warum denn eigentlich nicht? Dann hat sich die Sache mit der Autogrammkarte wohl wieder erübrigt.«
»Keineswegs«, Kai lächelte. »Ich bin froh, wenn ich dich immer bei mir haben kann.« Sorgfältig verstaute er das Foto, das Millie ihm daraufhin reichte, in der Innentasche seiner Jacke. Dann setzte er sich wieder ans Bett und begann eine interessante Unterhaltung, die Camilla ganz in ihren Bann zog. Scheinbar zufällig teilten sie viele Interessen, Kai verstand es, lebhaft und mitreißend von seinen Vorlieben zu erzählen. Klassische Musik und das Theater waren seine Leidenschaften, die auch Camilla über alles liebte. Aber er verstand sich genausogut auf so weltliche Dinge wie das Kochen. Eifrig tauschten sie Rezepte aus und gaben sich auch Tips. Als Millie schließlich etwas müde wurde und sich in die Kissen zurücklegte, hielt er sofort in seiner Erzählung inne und betrachtete sie aufmerksam.
»Du brauchst jetzt Ruhe, Millie. Schlaf dich aus, und träum was Schönes. Morgen komme ich wieder.« Nur für eine Sekunde wunderte sie sich darüber, daß er ihren Spitznamen kannte, den nur ihre Mutter benutzte. Doch sie war zu müde, um sich über diese Kleinigkeit Gedanken zu machen. Vielmehr spürte sie ein leises Bedauern darüber, daß Kai gehen wollte. Schon wollte sie widersprechen, doch er legte bestimmt einen Finger auf ihre Lippen, auf den er zuvor einen Kuß gehaucht hatte. Mehr geschah nicht zwischen ihnen, und doch war alles anders als zuvor. Als die Tür hinter Kai zufiel, schloß Camilla leise seufzend die Augen. Sie war von den widersprüchlichsten Gefühlen erfüllt, hatte aber keine Kraft mehr, sich damit auseinanderzusetzen. Sanft hüllte sie der Schlaf ein, und sie ließ sich einfach fallen, um Ruhe und Erholung zu finden.
*
Bleich und von Schweißausbrüchen geplagt saß Stephan Humbolt an seinem Schreibtisch und versuchte, sich auf die Unterlagen zu konzentrieren, die vor ihm lagen.
»Du siehst aber gar nicht gut aus heute morgen«, erklärte sein Kollege und guter Freund Ulrich Herbst, als er ihm eine Akte brachte.
»Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich wie eine leere Flasche Scotch«, versuchte Steve zu scherzen.
»Aha, einen über den Durst getrunken?« grinste Uli schadenfroh. »War wohl recht lustig am Wochenende.« Das Hobby des Chefs war in der Firma kein Geheimnis und gab Anlaß für manch gutmütigen Spott.
»Nein und ja. Auf jeden Fall scheine ich mir eine saftige Erkältung geholt zu haben.«
»Habt ihr draußen gespielt?« Ulrich warf einen zweifelnden Blick aus dem Fenster und in den wolkenverhangenen Himmel.
»Nein, das war ja das Pech. Ich war ganz schön verschwitzt. Auf dem Nachhauseweg am Freitag wurde ich dann Zeuge eines Unfalls und mußte bis zum Eintreffen des Notarztes draußen warten. Das scheint mich umgeworfen zu haben.«
»Du meine Güte. Was ist denn passiert?«
»Eine junge Schauspielerin ist nach der Premierenfeier am Steuer eingenickt. Ihr Wagen durchbrach eine Leitplanke und stürzte eine Böschung hinab«, erzählte Steve bereitwillig. »Schwer verletzt ist sie Gott sei Dank nicht, aber sie hatte sich die Beine verklemmt. Ich leistete ihr Gesellschaft, bis der Notarzt kam.«
»Du hast Camilla Rosen gerettet?« Uli starrte seinen Freund mit großen Augen an. »Ich habe von dem Unfall in der Zeitung gelesen. Der Name des Retters ist unbekannt.«
»Ist mir auch lieber so«, erklärte Steve lakonisch. »Berühmt oder nicht, was macht das schon? Ich habe ihr geholfen, wie ich jedem