Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. ОтсутствуетЧитать онлайн книгу.
der Gruppe ist für die Kunden auch optisch zu sehen. Seit 2014 hält in den Büros eine neue und edlere Gestaltung Einzug, sukzessive werden alle Filialen umgebaut. Im Inneren herrscht angenehmes gedämpftes Licht unter bunten Lampenschirmen, es gibt Pflanzen, und stilvolle Regale präsentieren typische Produkte aus verschiedenen Ländern. Die improvisierte Einrichtung der Anfangsjahre mit ihren Holzgestellen und Pappschachteln voller Dokumente ist verschwunden. Dafür gibt es schöne Lounges mit bequemen Sitzgelegenheiten, wo man Kaffee trinken und in interessanter Lektüre schmökern kann, falls man mal auf «seinen» Berater oder seine Beraterin warten muss. In den Augen Walo Kamms ist damit ein weiteres Etappenziel erreicht: «In dieser wunderschönen Umgebung mit den verheissungsvoll leuchtenden Bilderwänden fühlen sich Kunden und Mitarbeitende richtig wohl und schon halb auf Weltreise … Zudem wage ich auch die Behauptung, wir hätten nicht nur die schönsten Reisebüros, sondern auch die charmantesten ReiseberaterInnen …»
Mit dem stetigen Ausbau veränderten sich die Aufgaben Walo Kamms. Ende 2007 gab er die Tätigkeit als Clubchef und Chefredaktor des Globetrotter-Magazins an Andy Keller ab und konzentrierte sich primär aufs Strategische. Als Aktionär hält er grosse und kleinere Beteiligungen. Zu 25 Prozent ist er Mitbesitzer der ganzen Globetrotter Group, zu 5 Prozent des Globetrotter Travel Service und 50 Prozent der Multimediafirma Explora Events. Seine substanzielle Beteiligung an Transa Backpacking, Marktführer für Outdoor- und Reiseausrüstung, hat er kürzlich dem neuen Transa-Besitzer Beat Zaugg verkauft.
Der einstige Backpacker Walo Kamm amtet längst als mehrfacher Verwaltungsrat, studiert langfristige Entwicklungen, fungiert als interne Informationsdrehscheibe, gibt vielerlei Feedback und Inputs und berät Privatkunden. Daneben stellt er in jedem Globetrotter-Magazin 16 besondere Reisebücher vor und schickt monatlich persönliche Infos plus ein lebensphilosophisches Buch oder aufklärendes Reisethema an rund 50 Kaderleute der Group. Und besonders gern ist er in der Programmredaktion von Explora Events tätig, wo er als Scout im In- und Ausland neue Referenten mit Topthemen sucht. Zudem ist er privat als Mentor und Mäzen tätig.
Freie Lebenszeit wichtiger als Bankguthaben
Bedeuten eine ausgebaute Organisation und ein strategisches Denken, die sich in Reglementen und in einem ausformulierten Leitbild ausdrücken, nicht eine Abkehr von den Anfängen, in denen dem Spontanen immer viel Raum zukam? Der Geist der Gründerperiode ist für Walo Kamm nach wie vor lebendig: «Der Reiseenthusiasmus aller Beteiligten ist so intensiv wie je.»
Um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und um die ganze Welt stets besser kennenzulernen, erhalten alle Mitarbeitenden inklusive Kader schon seit Beginn jedes Jahr vertraglich bis zu zwölf Wochen Ferien zugesichert (fünf Wochen bezahlt, was darüberhinausgeht, wird mit dem 13. Salär, Überstunden und Boni abgerechnet). Selbst noch längere Auszeiten sind möglich. In diesem Fall muss gekündigt werden – ohne aber vor einer ungesicherten Zukunft zu stehen; in einem Gespräch kann eine Wiedereinstellung vereinbart werden. Die Grosszügigkeit hat natürlich ihren Preis. Die Gruppe beschäftigt, gemessen am Umsatz, 15–20 Prozent mehr Angestellte als andere Reisebüros. «Dafür sorgen die authentischen Erfahrungsberichte der Berater bei den Kunden für optimale und aktuelle Informationen und öffnen den Geist für ganz Neues», berichtet Walo Kamm über eine ursprünglich gebliebene Facette der Unternehmensgruppe.
Oft dachte der Gründer über die Zukunft nach, auch was seine Nachfolge betraf. Eine Lösung zeichnete sich schon frühzeitig ab und wurde etappenweise umgesetzt. Bei der Holdingfirma Globetrotter Group ist der langjährige erfolgreiche Leiter des Globetrotter Travel Service André Lüthi bereits bei der Gründung im Jahr 2009 zum Gesamtverantwortlichen geworden. Somit sitzt er an der Schlüsselstelle von 15 Firmen (und einem halben Dutzend weiterer Beteiligungen) und kümmert sich um mindestens 23 Marken. An der Gruppe hält er wie Walo Kamm 25 Prozent der Aktien.
André Lüthi, der 1987 zu Globetrotter stiess und sich dann bald zum Dipl. Tourismusexperten HF ausbilden liess, gilt als seltenes Kommunikationstalent und hat auch seine Fähigkeiten in der operativen und strategischen Tätigkeit bewiesen. Lüthis Redetalent und Auftrittsfreude führten auch dazu, dass er viele Vorträge hält, laufend interviewt wird und beim Schweizer Fernsehen ein gern gesehener Gast ist. Bei Ringier hat er es zum Nachwuchspromi geschafft. Er ist auch seit vielen Jahren im Vorstand des Schweizer Reiseverbands (SRV) und in etlichen Gremien von Hilfswerken und Firmen vertreten. Sein Nachfolger als CEO beim Globetrotter Travel Service, Dany Gehrig, hat ähnliche Fähigkeiten. Zudem sind beide ausgesprochene Sportstypen – vor allem Mountainbiker und Marathonläufer.
Eine weitere Veränderung ergab sich Ende 2018. Andy Keller, der Dritte im Bunde des Geschäftsleitungs-Trios, der 1982 die Filiale Bern aufgebaut und seit 1991 zur Geschäftsleitung gehört hatte, trat nach 38 Jahren in den Ruhestand. Ende 2007 hatte er die Chefredaktion des Globetrotter-Magazins von Walo Kamm übernommen und die lange Folge stimmungsvoller Bildreportagen, aufklärender Interviews und selbstkritischer Hintergrundberichte weitergeführt. Bei Andy Kellers Abschiedsfest sagte Walo Kamm über seinen Kollegen den bemerkenswerten Satz: «Die 38 Jahre mit Andy waren die 38 besten Jahre in der Geschichte von Globetrotter.»
Von der Pioniermentalität zum Verantwortlichkeitsdenken
Wie wird sich der Weg des Unternehmens in der ferneren Zukunft gestalten? Ist die Lust am Entdecken und Reisen in einer Welt aufrechtzuerhalten, in der sich der Verbrauch der natürlichen Ressourcen in unkontrollierbarer Art zu entwickeln droht? Tragen Flüge nicht zu einer weiteren Schädigung der Atmosphäre bei? Beeinträchtigen die Besucher ferner Länder nicht ursprüngliche Lebensweisen?
Walo Kamm ist sich der Problematik wohl bewusst: «1980 übernahm ich vom österreichischen Forscher und Publizisten Robert Jungk das Credo des ‹Sanften Reisens›, heute auch ‹Faires Reisen› oder ‹Nachhaltiger Tourismus› genannt, und baute es noch weiter aus.» Die Achtung vor fremden Menschen und Kulturen, die soziale und ökologische Verträglichkeit, seit Anbeginn Prinzipien Kamms, fanden nun eine verbindliche Formulierung. Mit reisephilosophischen Artikeln, Berichten über Freiwilligeneinsätze und aufklärenden Büchern leistet Walo Kamm zusammen mit den Mitarbeitenden des Unternehmens einen Beitrag zur Sensibilisierung der Individualreisenden.
Mit der Überzeugungsarbeit allein ist es für Walo Kamm jedoch nicht getan. Seit den Anfängen unterstützt er Hilfswerke und Entwicklungsorganisationen, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit allen Lebewesen und der Erde einsetzen. Schon 1990 spendete Globetrotter dem WWF 100000 Franken für die Bewahrung des Regenwaldes. Globetrotter-Kunden können seit 2005 im Rahmen von Zielen, wie sie die international tätige Schweizer Stiftung Myclimate formuliert hat, zusätzlich freiwillige Beiträge leisten. Die Gelder fliessen unter anderem in ein Globetrotter-Klimaschutzprojekt in Indien, in dem Briketts aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt werden. «Wir dürfen kommenden Generationen die Erde nicht als ausgeplünderte Ruine hinterlassen», fordert Walo Kamm schon seit den 1980er-Jahren.
Anklänge an den Anfang
Der weitgehende Rückzug aus dem Tagesgeschäft ermöglicht es Walo Kamm nicht nur, sich mit den Fragen der globalen Verantwortung zu beschäftigen. Nun gibt es auch mehr Zeit für die innere Besinnung. Mit den Kreativkräften des Universums, den Welten des Körperlich-Sinnlichen und des Geistigen, dem ewigen Werden und Vergehen hat er sich seit je intensiv auseinandergesetzt. «Meine Suche nach neuen Erkenntnissen führte mich schon in frühen Jahren zu persönlichen Begegnungen mit vielen aussergewöhnlichen Persönlichkeiten – vom Dalai Lama und Bhagwan/Osho bis Jiddu Krishnamurti, Neale Walsch und Deepak Chopra», erklärt Walo Kamm und fügt hinzu: «Auch wenn ich gegen organisierte Religion in Form der traditionellen Machtstrukturen bin, finde ich doch das ursprüngliche Gedankengut Buddhas, die Bergpredigt von Jesus, die Weisheit der Sufis und das ‹Tao Te King› von Laotse sehr nützlich als spirituelle Leitlinien fürs Leben.»
Die Reisepraxis wird deswegen nicht vernachlässigt. Der Globetrotter Kamm ist ungeachtet von Knieproblemen immer noch gelegentlich irgendwo in der weiten Welt anzutreffen. Über seine Rolle als alter und neuer Weltenwanderer legt er ein erfrischendes Bekenntnis