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Dr. Laurin Classic 52 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Dr. Laurin Classic 52 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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hatte.

      »Ich habe keine Angehörigen«, erwiderte sie nach einem kurzen Schweigen tonlos. »Mein Name ist Martina Reinke.« Sehr zögernd kam es über ihre Lippen.

      »Beruf?«, fragte Michael nun knapp.

      »Ich habe keinen Beruf. Ich wollte mir hier eine Stellung suchen.«

      »Dann sind Sie nicht versichert?«, fragte er.

      »Nein, ich bin nicht versichert, und deshalb möchte ich Ihnen auch nicht zur Last fallen.«

      »Na, davon wollen wir jetzt mal gar nicht reden. Unser Chef ist großzügig.«

      »Aber ich habe kein Geld, keine Stellung und bin hier auch nicht gemeldet. Und ich habe nicht mal Kleidung. Ich weiß nicht, wo die ist.«

      Michael hatte das eigentümliche Gefühl, dass sie etwas verschweigen wollte, aber er wollte sie nicht drängen.

      »Ja, wenn Sie keine Kleidung haben, dann werden Sie ohnehin noch ein bisschen bei uns bleiben müssen, bis wir welche besorgt haben. Aber vielleicht hat man Ihre Sachen inzwischen doch am Ufer gefunden.«

      Ein todtrauriger Ausdruck legte sich plötzlich über ihr Gesicht, und in den schönen grauen Augen lag so viel Resignation, dass er erschüttert war. Nun kam ihm der Gedanke auch, dass sie den Tod gesucht haben könnte, in einer ausweglosen Situation, allein auf der Welt, ohne Freunde, die ihr helfen konnten.

      Man musste mehr von ihr in Erfahrung bringen, wenn ihr hier geholfen werden sollte. Aber jetzt hatte es nicht den Anschein, als wolle sie mehr über sich sagen.

      »Was haben Sie sich gedacht, als Sie mich retteten?«, fragte sie plötzlich.

      »Gedacht? Gar nichts. Wir sind ins Wasser gesprungen.«

      »Und sonst hat niemand versucht, mich herauszuholen?«

      »Es war niemand da, ein Segelboot ausgenommen. Aber von dort hat Sie wohl niemand bemerkt.«

      Dann war wieder Stille, und als er sich an der Tür umdrehte, sah er, dass sie die Hände über ihr Gesicht gelegt hatte.

      Dr. Sternberg war der erfahrenere Arzt und auch Menschenkenner. Er hatte bald heraus, dass Martina etwas verschweigen wollte, aber er glaubte doch, das Mädchen richtig einzuschätzen, wenn er sie als intelligent und guterzogen beurteilte.

      Dr. Sternberg war eine eindrucksvolle Persönlichkeit, ein interessanter Mann, und war während vieler Jahre als Arzt auch mit vielen und den verschiedensten Schicksalen konfrontiert worden. Eins glaubte er mit Bestimmtheit von diesem jungen Gesicht ablesen zu können: ein leichtes und frohes Leben hatte Martina nicht gehabt. Ihr Alter gab sie mit zweiundzwanzig an. Nach ihren Papieren gefragt, erwiderte sie zögernd, dass die wohl bei ihren übrigen Sachen sein müssten.

      Wenn sie noch keinen Beruf ausgeübt hätte, was würde sie denn dann für eine Vorstellung haben, fragte Dr. Sternberg sie ruhig.

      Sie zuckte die Schultern und blickte auf die Bettdecke.

      Sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick wieder in Tränen ausbrechen.

      »Ich mag Kinder sehr«, sagte sie dann. »Kindergärtnerin wäre ich gern, aber das ist eine lange Ausbildung. Herr Doktor, kann ich den Aufenthalt hier vielleicht abarbeiten?«

      Sie ist stolz, dachte er. »Darüber reden wir noch«, sagte er freundlich. »Sie brauchen sich darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.«

      Auf jeden Fall wollte er mit Dr. Laurin darüber sprechen. Man konnte das Mädchen vielleicht zuerst einmal ins Tabea-Heim schikken. Dort wurde immer Hilfe gebraucht, und auch an anderen Möglichkeiten würde es kaum mangeln, wenn sie den ehrlichen Wunsch zur Arbeit hatte. Aber dazu brauchte sie zuerst mal ihre Papiere. Ob sie sich etwas hatte zuschulden kommen lassen? Nein, danach sah sie nicht aus. Aber konnte man es mit Bestimmtheit behaupten? In der Verzweiflung geriet ein so junger Mensch schnell einmal auf Abwege. Ein bisschen vorsichtig musste man schon sein. Man hatte auch in der Prof.-Kayser-Klinik schon allerhand erlebt.

      Für heute war seine Tätigkeit in der Klinik beendet. Dr. Hillenberg war jetzt schon so selbständig, dass man ihm die Verantwortung überlassen konnte.

      Aber wie so oft traf er mit Dr. Laurin zusammen, und so viel Zeit nahmen sie sich auch an diesem Sonntagmorgen, um sich bei einem Kaffee zu unterhalten. Als Dritter im Bunde fehlte eigentlich nur Dr. Petersen, denn diese drei Ärzte waren die ideale Besetzung für die führenden Stellen einer Klinik. Es sollte damit gewiss nicht gesagt werden, dass die anderen Ärzte nicht zu diesem Team gepasst hätten, aber wenn sich einmal drei Männer zusammenfanden, die sich so blendend verstanden, die so viel gemeinsam hatten in der Auffassung ihres Berufes und auch in ihrem Privatleben, dann war es schon verständlich, dass die gute Schwester Marie so verklärt dreinschaute wie jetzt, wo, als sei er gerufen, auch noch Lars Petersen erschien.

      »Wollte nur mal nachschauen, was diese kleine Lebensmüde macht«, erklärte er. »Ich habe die Kinder zum Kindergottesdienst gebracht, und es lohnt sich nicht, dass ich zwischendurch heimfahre.«

      Das war das Neueste auch bei den drei Laurin-Kindern, dass sie plötzlich mit Begeisterung in den Kindergottesdienst gingen. Aber es war ein neuer junger Pfarrer gekommen, der es meisterhaft verstand, mit ihnen umzugehen. Und was die Laurin-Kinder taten, das mussten Ronald und Nikki natürlich auch tun.

      »Hast du eben Lebensmüde gesagt?«, fragte Leon, der jetzt nicht an den Kindergottesdienst dachte.

      »War sie das nicht?«, fragte Lars. »Ich habe mir die Geschichte durch den Kopf gehen lassen. Wir kennen den See. So weit hineinzuschwimmen, kostet doch schon Anstrengung genug. Man spürt, wie die Kräfte erlahmen. Man schwimmt nicht weiter, sondern kehrt um. Aber nach Hillenbergs Schilderung muss sie in die Seemitte geschwommen sein.«

      »Sie kann die Orientierung verloren haben«, warf Dr. Sternberg ein. »Allerdings… diese Kopfverletzung…«, er unterbrach sich und schwieg nachdenklich.

      »Sie lässt darauf schließen, dass sie sich in einem Boot befunden hat, aber es ist kein treibendes Boot gefunden worden. Ich habe mich auch danach erkundigt«, sagte Lars.

      »Es könnte ein Leck gehabt haben und abgesackt sein«, meinte Leon. »Ich habe mich schon manches Mal gewundert, was für alte Kähne da noch vermietet werden.«

      »Aber das ist dennoch ziemlich teuer, und Martina behauptet, kein Geld zu haben«, erklärte nun Dr. Sternberg.

      »Sie behauptet es«, meinte Leon. »Sagt sie die Wahrheit?«

      »Sie ist ein verzweifelter junger Mensch«, sagte nun wieder Eckart Sternberg. »Man kann es in ihren Augen lesen. Sie ist keine Lügnerin.«

      »Du scheinst länger mit ihr gesprochen zu haben. Erzähle«, forderte Leon den Freund auf. Und alle drei vergaßen, dass sie heute eigentlich dienstfrei hatten und den Sonntag ganz ihrer Familie widmen wollten. Aber wenn es um ein Menschenleben ging, kam es auf eine halbe Stunde nicht an, und die junge Martina konnte nicht ahnen, wie ernsthaft bereits über sie beratschlagt wurde.

      »Auf jeden Fall bleibt sie erst einmal hier«, sagte Dr. Laurin. »Morgen werde ich mich mal mit ihr unterhalten, und eventuell könnte sie dann bei uns vorerst Arbeit finden. Karin muss nämlich unbedingt zur Kur. Ihre Arthritis macht ihr schwer zu schaffen. Es kommt darauf an, ob sie wirklich mit Kindern umgehen kann, aber das können unsere am besten selbst entscheiden.«

      »Ich bin jedenfalls erst mal gespannt, was Karin sagt.«

      »Sie wird nachgeben müssen, und sie wird es auch. Sie plagt sich arg«, erklärte Leon. »Sie soll einen schönen Lebensabend haben.«

      Lars Petersen blickte auf seine Armbanduhr. »Höchste Zeit, dass ich die Kinder wieder abhole. Du lieber Himmel, es ist gleich elf Uhr. Heute Nachmittag wollen wir Moni und ihre Geschwister abholen, damit sie den Schrecken leichter überwinden. Bis morgen, Freunde!«

      Das war nicht so hingesagt. Für sie war ihre Freundschaft etwas Bindendes, eine Verpflichtung in jeder Lebenslage. Sie konnten sich hundertprozentig aufeinander verlassen.

      *


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