Dr. Norden Bestseller Classic 49 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Isabells Koffer aus dem Hotel. Sie konnte sich umkleiden, denn in Daisys Sachen verschwand das zierliche Persönchen. Dann fuhren sie an die Osterseen und machten einen langen Spaziergang.
Sie unterhielten sich angeregt, aber über ihren Vater und ihren Bruder sprach Isabell nicht, auch Donna wurde nicht erwähnt.
*
Zu Donna wurde Dr. Norden am Nachmittag gerufen. Es paßte nicht in seinen Plan, denn er mußte ziemlich weit fahren, aber sie hatte es so dringend gemacht, daß er sie nicht warten lassen konnte.
Tatsächlich war sie in schlechter Verfassung, so heiser, daß sie kaum sprechen konnte, aber auch in einem außergewöhnlichen Erregungszustand. Dafür gab sie allerdings keine Erklärung.
»Ich war gestern schon nicht gut beisammen«, sagte sie, »aber Daisy wollte ich doch gratulieren. Sie bedeutet mir viel.«
Donna wohnte fürstlich. Ihr Heim war der Landsitz, der seit Generationen ihrer Familie gehörte. Hier, in dieser Umgebung, mußte man sie als die Baronesse von und zu Rettinghaus betrachten, und immer wieder setzte es Dr. Norden in Erstaunen, daß sie darauf überhaupt keinen Wert zu legen schien.
»Daß ich hier wohne, ist ein sentimentaler Entschluß«, hatte sie einmal gesagt. »Ich möchte nicht auf meine Pferde verzichten.«
Der Unterhalt dieses Landsitzes mußte Unsummen kosten, aber nichts verriet, daß diese nicht vorhanden wären. Das Haus, der Park, die Ställe waren in bestem Zustand. Doch die junge Besitzerin war in denkbar schlechter Verfassung.
Das Sprechen fiel ihr schwer, und Dr. Norden stellte fest, daß sie eine Kehlkopfentzündung hatte.
»Ich wäre dafür, daß dies klinisch untersucht würde, Baronesse«, sagte er.
»Donna«, krächzte sie ungehalten. »Wie oft soll ich das noch sagen?«
»Dann eben Donna«, sagte Dr. Norden. »Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, daß Sie das Rauchen einstellen sollten.«
»Ich rauche nicht mehr viel«, erwiderte Donna. »Das – kommt immer, wenn ich…« sie unterbrach sich und wandte sich ab. »Hubertus ist tot, Dr. Norden«, flüsterte sie heiser.
Er ergriff ihre Hand. »Es hat Sie erschüttert, Donna«, sagte er leise.
»Er war mein Bruder, mein einziger Verwandter. Er wollte mich noch sprechen, aber ich zog es vor, Daisy zum Geburtstag zu gratulieren. Mein Bruder ist im Gefängnis gestorben, Dr. Norden. Vielleicht gerade in dem Augenblick, als ich sagte, daß er unseren Namen nicht mit Ruhm bekleckert hat. Aber ich wußte nicht, daß er Kehlkopfkrebs hatte. Werde ich auch daran sterben? Ist es ein Erbübel?«
»Aber nein, Donna«, erwiderte Dr. Norden bestürzt. »Jetzt sollten Sie davon und überhaupt nicht so viel sprechen.«
»Aber ich muß mit jemandem sprechen. Hubertus muß es gewußt haben, daß er nicht lange lebt. Und er wollte leben. Deshalb hat er all diese Dummheiten gemacht. Er hat sie gemacht, weil ich kein Geld herausrückte. Aber ich wollte nicht, daß dieses Haus unter den Hammer kommt.«
Sie faßte sich an die Kehle, und Dr. Norden legte seine Hände um ihre Schultern.
»Ich bringe Sie jetzt zu einem Facharzt, Donna«, sagte er.
»Ich muß dafür sorgen, daß Hubertus begraben wird«, flüsterte sie.
»Ich muß dafür sorgen, daß sich Ihr Zustand nicht verschlimmert. Bitte, seien Sie vernünftig.«
»Wozu? Ist dieses Leben nicht sinnlos? Ich habe viel verloren, und auch alle Illusionen. »Schluchzend brach sie nun zusammen.
Dr. Norden mußte zur Injektionsspritze greifen. Es blieb ihm jetzt keine Wahl. Donna zitterte am ganzen Körper. Der totale Nervenzusammenbruch konnte nur noch durch ein Beruhigungsmittel verhindert werden.
Es dauerte zehn Minuten, bis sich die Wirkung bemerkbar machte, und diese Minuten wurden ihm zur Ewigkeit.
Er dachte daran, welche Selbstbeherrschung Donna stets an den Tag legte, wenn sie in Gesellschaft war. Man war geneigt, sie als oberflächlich, genußsüchtig und überheblich einzustufen.
Dr. Norden wußte auch, daß sie keine enge Bindung an ihren Bruder gehabt hatte. War noch mehr auf sie eingestürmt?
Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, daß es sie tief getroffen haben könnte, Arne Thurgau in Gesellschaft einer anderen Frau gesehen zu haben, aber er wollte jetzt keine Fragen stellen, die etwas aufwühlten, was ihr noch mehr schaden könnte. Willenlos folgte sie ihm dann zu seinem Wagen. Er brachte sie zu seinem Freund Dr. Dieter Behnisch, in dessen Privatklinik eine Untersuchung möglich war, wenn man Dr. Forster hinzuzog.
Als Donna in ein Krankenzimmer gebracht worden war, sank sie auf das Bett und schlief sofort
ein.
»Sie scheint die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben«, sagte Dr. Norden. »Die Dosis, die ich ihr gespritzt habe, war nicht sehr stark.«
»Dann gib mir mal einen Hinweis, was mit ihr los ist, Daniel«, sagte Dr. Behnisch.
Es war nicht allzuviel, was Daniel Norden wußte. Hubertus von und zu Rettinghausen war zwei Jahre jünger gewesen als seine Schwester. Die Mutter war kurz nach seiner Geburt gestorben, der Vater vor fünf Jahren bei einem Jagdunfall, den man als Selbstmord hinstellen wollte. Donna hatte erreicht, daß solche Vermutungen aus der Welt geschaffen wurden.
»Weil ihr Vater ein Kehlkopfleiden hatte und ihr Bruder nun an einem Kehlkopfkrebs gestorben ist, meint sie, daß sie dieses Leiden auch geerbt hat«, erklärte Daniel. »Aber meine Meinung ist, daß es bei ihr psychisch bedingt ist. Ich möchte jedoch diese Diagnose bestätigt wissen, Dieter.«
»Werden wir machen«, erwiderte sein Freund. »Aber was war denn eigentlich mit ihrem Bruder? Ich bin nicht über ihn informiert.«
»Er war ein Spieler, ein leidenschaftlicher Spieler, und als ihm das Geld ausging, begann er zu pumpen. Es blieb nicht dabei. Er hatte kein Glück im Spiel. Mit seinem Namen hatte er immer Kredit, ließ sich in krumme Geschäfte ein und verkaufte gefälschte Bilder, als angeblich echte und angeblich auch aus Familienbesitz, die er selbst gefälscht hatte. Er nutzte ein Talent unrechtmäßig aus. Eigentlich ist es schade um ihn. Er war begabt. Eines Tages, vor ein paar Monaten, kam es auf und er wurde zu zweijähriger Gefängnisstrafe verurteilt. Deshalb legt Donna auch keinen Wert auf den Namen Rettinghaus. Sie hat nicht mal versucht, alles zu vertuschen. Sie ist mir ein Rätsel, aber anscheinend habe ich sie verkannt.«
»Warum?«
»Ich möchte dazu vorerst nichts sagen. Darüber muß ich selber noch nachdenken, Dieter.«
»Und, wie ich dich kenne, mit Fee sprechen«, sagte der andere nachdenklich.
»Recht hast du. Halt mich schnellstens auf dem laufenden.«
»Selbstverständlich.«
*
Mit dem Bescheid mußte Dr. Norden bis zum nächsten Tag warten, aber mit seiner Frau Fee hatte er lange über Donna gesprochen.
»Diese Geschichte mit dem Bruder muß doch ein entsetzlicher Schlag für sie gewesen sein«, meinte Fee. »Und es geschieht ja oft, daß gerade bei so selbstbeherrschten Menschen eine Reaktion eintritt, die sich auch physisch äußert.«
Fee Norden konnte mitreden, da sie selbst Ärztin war, wenn sie auch ihren Beruf nicht mehr ausübte, seit sie Mutter geworden war.
»Wie hat sie eigentlich auf Isabell reagiert?« fragte Daniel. »Eifersüchtig?«
»Nicht die Spur! Sie fragte Isabell später, ob sie einen Bruder hätte, der René heißt. Da wurde Isabell blaß, erwiderte aber, daß sie nur einen Bruder namens Markus hätte.«
»Du hast beide aber auch sehr genau beobachtet, Fee«, stellte Daniel fest.
»Sie sind sehr gegensätzlich, und ich habe überlegt, wer die stärkere Persönlichkeit wäre.«
Daniel