Der Malaiische Archipel. Alfred Russel WallaceЧитать онлайн книгу.
schwindet, ein Zweck, der eben zweifellos in einem Schutze für das Insekt zu suchen ist. Sein starker und schneller Flug genügt, um es im Fliegen vor seinen Feinden zu schützen, allein wenn es ebenso in die Augen fallend beim Stillsitzen wäre, so würde es bald ausgerottet sein, da ja insektenfressende Vögel und Reptilien in tropischen Wäldern sehr zahlreich vorkommen. Eine sehr nahe verwandte Art, Kallima inachis, bewohnt Indien, wo sie sehr gewöhnlich ist, und Exemplare davon werden vom Himalaya aus in jede Sammlung versendet. Wenn man eine Anzahl von diesen untersucht, so sieht man, dass nicht zwei gleich sind, aber dass alle Verschiedenheiten denen von toten Blättern entsprechen. Jede gelbe, aschgraue, braune und rote Nuance kann man da sehen und Flecken, welche von kleinen schwarzen Punkten gebildet werden und die so genau Schwämmen auf Blättern gleichen, dass es fast unmöglich ist, zuerst nicht zu glauben, dass wirklich solche Schwämme auf den Schmetterlingen selbst gewachsen seien!
Blattschmetterling, fliegend und sitzend (T.W. Wood)
Wenn solche außerordentliche Anpassung wie diese allein stünde, so würde es sehr schwierig sein, irgendeine Erklärung davon zu geben; aber obgleich es vielleicht der vollkommenste Fall von schützender Nachahmung ist, den man kennt, so gibt es noch Hunderte von gleichartigen Ähnlichkeiten in der Natur, und aus der Gesamtheit dieser Erscheinungen ist es möglich, eine allgemeine Theorie abzuleiten über die Art, wie sie allmählich hervorgebracht worden sind. Das Prinzip der Variation und das der »natürlichen Auswahl« oder des Überlebens des Passendsten, wie es von Herrn Darwin in seiner berühmten »Entstehung der Arten« ausgearbeitet ist, liefert die Grundlage für eine solche Theorie; und ich selbst habe mich bemüht, sie auf alle Hauptfälle von Nachahmung anzuwenden in einem Artikel in der Westminster Review für 1867, betitelt: »Nachahmung, und andere schützende Ähnlichkeiten bei den Tieren« (»Mimicry, and other Protective Resemblances among Animals«), auf welchen ich den Leser verweise, der etwas mehr über diesen Gegenstand zu wissen wünscht.
Auf Sumatra sind Affen sehr zahlreich vorhanden, und in Lobo Raman pflegten sie die Bäume, welche das Wächterhaus beschatten, zu besuchen und gaben mir so eine gute Gelegenheit, ihre Sprünge zu beobachten. Zwei Arten von Semnopithecus waren am zahlreichsten – Affen von einer schlanken Form mit sehr langen Schwänzen. Da man nicht viel nach ihnen schießt, so sind sie ziemlich kühn und bleiben ganz sorglos bei der alleinigen Anwesenheit von Eingeborenen; aber als ich herauskam und sie ansah, starrten sie ein bis zwei Minuten auf mich herab und machten sich dann aus dem Staube. Sie springen ungeheuer weit von den Ästen eines Baumes auf die etwas tieferen eines anderen, und es ist sehr unterhaltend zu sehen, wie, wenn einer der starken Führer einen kühnen Sprung wagt, die anderen mit größerer oder geringerer Hast folgen; es kommt dann oft vor, dass einer oder zwei der Letzten gar nicht sich zum Sprung entschließen können, bis die anderen bald außer Sicht sind; dann werfen sie sich verzweifelt und aus Furcht, allein gelassen zu werden, in die Luft, durchbrechen die schwachen Zweige und stürzen oft zu Boden.
Ein sehr seltsamer Affe, der Siamang, war auch ziemlich häufig, aber er ist weit weniger kühn als jene, hält sich mehr in den Urwäldern auf und meidet die Dörfer. Diese Art ist verwandt mit den kleinen langarmigen Affen der Gattung Hylobates, aber ist beträchtlich größer und unterscheidet sich von ihnen durch die Vereinigung der zwei ersten Zehen des Fußes, nahe dem Ende, woher sein lateinischer Name: Siamanga syndactyla. Er bewegt sich viel langsamer als der lebhafte Hylobates, hält sich auf niedrigeren Bäumen und liebt nicht die ungeheuren Sprünge; aber doch ist er sehr lebhaft und kann sich mit seinen sehr langen Armen – der Erwachsene misst fünf Fuß sechs Zoll querüber bei drei Fuß Höhe – zwischen weit auseinanderstehenden Bäumen hin und her schwingen. Ich kaufte einen kleinen, den Eingeborene gefangen und so festgebunden hatten, dass er dadurch verletzt worden war. Er war zuerst ziemlich wild und wollte beißen; aber als wir ihn losgebunden und ihm zwei Stangen unter der Veranda zum Daranhängen gegeben hatten, indem wir ihn an ein kurzes Tau befestigten, das mittels eines Ringes die Stangen entlangglitt, sodass er sich leicht bewegen konnte, wurde er zufrieden und sprang mit großer Schnelligkeit umher. Er aß fast alle Arten Früchte und Reis, und ich hatte gehofft, ihn mit nach England bringen zu können, allein er starb gerade, ehe ich abreiste. Zuerst hatte er gegen mich eine Abneigung, die ich aber dadurch zu beseitigen suchte, dass ich ihn immer selbst fütterte. Eines Tages aber biss er mich beim Füttern so stark, dass ich die Geduld verlor und ihm einen tüchtigen Schlag versetzte, was ich später bereute, da er von da an mich noch weniger leiden konnte. Er erlaubte meinen malaiischen Knaben, mit ihm zu spielen, und konnte sich stundenlang von Stange zu Stange und auf die Dachsparren der Veranda mit so viel Leichtigkeit und Gewandtheit hin und her schwingen, dass er uns eine stete Quelle der Unterhaltung war. Als ich nach Singapur zurückkam, zog er so sehr die Aufmerksamkeit auf sich, da noch niemand vorher einen Siamang lebend gesehen hatte, obgleich er in einigen Teilen der Malaiischen Halbinsel nicht selten ist.
Da der Orang-Utan bekanntlich Sumatra bewohnt und tatsächlich hier zuerst entdeckt worden ist, so zog ich viele Erkundigungen über ihn ein; aber keiner der Eingeborenen hatte je von einem solchen Tier gehört und fand auch keinen holländischen Beamten, der irgendetwas davon wusste. Wir können daher schließen, dass er nicht die großen Waldebenen des östlichen Teils von Sumatra bewohnt, wo man ihn natürlich zu finden erwarten würde, sondern wahrscheinlich auf eine begrenzte Gegend im Nordwesten sich beschränkt – ein Teil der Insel, der vollständig in den Händen der eingeborenen Herrscher ist. Die anderen großen Säugetiere von Sumatra, der Elefant und das Rhinozeros, sind viel weiter verbreitet; aber der Erstere ist seltener, als er es vor ein paar Jahren war, und scheint sich schleunigst vor der Ausbreitung der Kultur zurückzuziehen. Um Lobo Raman findet man gelegentlich Fangzähne und Knochen im Wald, aber das lebende Tier kommt hier nie mehr vor. Das Rhinozeros (Rhinozeros sumatranus) ist noch zahlreich vorhanden, und ich sah beständig seine Spuren und seinen Dung; einmal auch störte ich einen beim Fressen, er rauschte durch den Dschungel, fort und ich sah ihn nur einen Moment durch das dichte Unterholz. Ich erhielt einen ziemlich vollkommenen Schädel und eine Anzahl Zähne, die von den Eingeborenen gesammelt worden waren.
Ein anderes seltsames Tier, das ich in Singapur und auf Borneo traf, das aber hier zahlreicher war, ist der Galeopithecus oder fliegende Maki. Dieses Geschöpf besitzt eine breite Membran, die sich rund um seinen Körper zieht bis an die äußersten Zehenspitzen und bis an das Ende seines ziemlich langen Schwanzes. Dadurch ist es befähigt, von einem Baum zum anderen quer durch die Luft zu streichen. Es ist schwerfällig in seinen Bewegungen, wenigstens bei Tage, indem es in kurzen Sätzen von ein paar Fuß einen Baum hinaufgeht und dann einen Augenblick innehält, als ob es ihm schwer geworden wäre. Es hängt während des Tages an den Baumstämmen, wo sein olivfarbenes oder braunes Fell mit unregelmäßigen weißlichen Punkten und Flecken genau der Farbe der gesprenkelten Rinde gleicht und ohne Zweifel dazu beiträgt, es zu schützen. Einmal in der Dämmerung sah ich eines dieser Tiere einen Baumstamm auf einem ziemlich offenen Platz hinaufrennen und dann quer durch die Luft auf einen anderen Baum gleiten, auf welchem es nahe der Basis herunterkam und sofort wieder hinaufzusteigen begann. Ich maß die Entfernung von dem einen Baum zum anderen mit Schritten ab, es waren siebzig Ellen; die Höhe, von der es herabgekommen, schätzte ich auf nicht mehr als fünfunddreißig bis vierzig Fuß, also weniger als eins zu fünf. Das beweist, wie mir scheint, dass das Tier die Fähigkeit haben muss, sich selbständig durch die Luft zu bewegen, sonst würde es auf solche Entfernungen hin wenig Chance haben, genau an dem Stamm herabzukommen. Wie der Cuscus von den Molukken nährt sich der Galeopithecus hauptsächlich von Blättern und hat einen sehr voluminösen Magen und lang gewundene Därme. Das Gehirn ist sehr klein, und das Tier besitzt eine so bedeutende Lebenszähigkeit, dass es außerordentlich schwerfällt, es auf gewöhnliche Weise zu töten. Es hat einen Greifschwanz und gebraucht ihn wahrscheinlich zur Unterstützung beim Futtersuchen. Man sagt, es bekomme nur ein Junges zur Zeit, und meine eigene Beobachtung bestätigte dieses Verhalten, denn ich schoss einmal ein Weibchen mit einem sehr zarten blinden und nackten kleinen Geschöpf, das nahe an seiner Brust hing; es war ganz nackt und sehr gerunzelt und erinnerte mich an die Jungen der Beuteltiere, zu denen es einen Übergang zu bilden schien. Auf dem Rücken und bis über die Extremitäten und die Flughaut ist das Fell dieser Tiere kurz, aber sehr weich und ähnelt in