Der Malaiische Archipel. Alfred Russel WallaceЧитать онлайн книгу.
eine mehr detaillierte Untersuchung, die ich acht Jahre hindurch fortsetzte, bewies mir zur Genüge, dass man unter diese beiden typischen Formen alle Völker des Malaiischen Archipels und Polynesiens klassifizieren kann. Wenn man die Grenze zieht, welche diese Rassen trennt, so findet man sie nahe jener, welche die zoologischen Regionen teilt, allein etwas mehr nach Osten; dieser Umstand erscheint mir höchst bezeichnend dafür, dass dieselben Ursachen die Verbreitung des Menschen beeinflusst haben, welche diejenige anderer animalischer Formen bestimmten.
Der Grund, weshalb nicht genau dieselbe Grenze beiden zukommt, ist genügend ersichtlich. Der Mensch hat Mittel, das Meer zu überschreiten, welche die Tiere nicht besitzen; und eine höhere Rasse hat die Macht, eine niedrigere zu verdrängen oder sie sich zu assimilieren. Die malaiischen Rassen waren durch ihren Unternehmungsgeist für Seefahrten und ihre höhere Zivilisation befähigt, einen Teil der angrenzenden Gegenden zu bevölkern, in welchen sie vollständig an die Stelle der eingeborenen Einwohner getreten sind, wenn überhaupt jemals dort welche ansässig gewesen; sie waren imstande, ihre Sprache, ihre Haustiere, ihre Sitten weit über den Ozean zu verbreiten, über Inseln, auf denen sie nur leise oder überhaupt nicht die physischen oder moralischen Charaktere des Volkes modifizierten.
Ich glaube also, dass alle Völker der verschiedenen Inseln entweder zu den Malaien oder zu den Papuas gezählt werden können; und dass diese zwei keine weiter zu verfolgende Verwandtschaft zueinander haben. Ich glaube ferner, dass alle Rassen östlich von der von mir gezogenen Grenzlinie mehr Verwandtschaft zueinander besitzen als zu irgendeiner der Rassen westlich von dieser Linie; – dass, in der Tat, die asiatischen Rassen die malaiischen einschließen und dass alle eines kontinentalen Ursprunges sind, während alle östlich von diesen wohnenden Rassen des Großen Ozeans (vielleicht einige der nordozeanischen ausgenommen) nicht von irgendeinem existierenden Kontinent herstammen, wohl aber von Ländern, welche noch jetzt existieren oder in neuerer Zeit im Großen Ozean existiert haben. Diese Vorbemerkungen werden den Leser besser in den Stand setzen zueinander die Wichtigkeit zu würdigen, welche ich bei der Beschreibung der Bewohner vieler Inseln den Einzelheiten der physischen Form und des moralischen Charakters beilege.
1Die Halbinsel Malakka. A. d. Übers.
2Englische Meilen. A. d. Übers.
3Die Namen der Inseln, Städte, Berge etc. sind nach den Kiepert’schen Karten geändert. A. d. Übers.
4Mir wurde jedoch gesagt, dass einige Kakadus an einer Stelle im Westen von Bali vorkommen, was beweisen würde, dass jetzt die Vermischung der Produkte dieser Inseln beginnt.
5Phalangista. A. d. Übers.
ZWEITES KAPITEL
SINGAPUR
(Eine Skizze der Stadt und der Insel nach meinen verschiedenen Besuchen in den Jahren 1854 bis 1862)
Wenige Orte sind für einen Reisenden aus Europa interessanter als die Stadt und Insel Singapur, da sie eine Musterkarte ist für die Mannigfaltigkeit der östlichen Rassen, für die vielen verschiedenen Religionen und Sitten. Die Regierung, die Garnison und die ersten Kaufleute sind Engländer, aber die große Masse der Bevölkerung ist chinesisch; sie stellt ihr Kontingent für einige der reichsten Kaufleute, die Landwirte des Binnenlandes und die meisten Handwerker und Arbeiter. Die eingeborenen Malaien sind gewöhnlich Fischer und Bootsleute und sie formieren das Hauptkorps der Polizei. Die Portugiesen von Malakka sind in großer Zahl Handlungsdiener und kleine Kaufleute. Die Klings des westlichen Indiens sind eine zahlreiche Körperschaft von Mohammedanern und wie viele Araber kleine Handelsleute und Ladeninhaber. Die Diener und Wäscher sind alle Bengalesen, und es gibt eine kleine aber in hohem Maße angesehene Klasse von Parsen-Kaufleuten. Außer diesen findet man eine große Menge javanischer Schiffer und Hausbedienter, Handelsleute von Celebes, Bali und vielen anderen Inseln des Archipels. Der Hafen ist voll von Kriegs- und Handelsschiffen vieler europäischer Nationen und Hunderten von malaiischen Prauen und chinesischen Dschunken, von Schiffen von mehreren Hundert Tonnen Last bis hinunter zu kleinen Fischerbooten und Passagier-Sampans; die Stadt weist hübsche öffentliche Gebäude und Kirchen auf, mohammedanische Moscheen, Hindutempel, chinesische Tempel, gute europäische Häuser, massive Warenlager, wunderliche alte Basare der Klings und Chinesen und lange Vorstädte von chinesischen und malaiischen Hütten.
Bei Weitem die auffallendsten der verschiedenen Menschenarten in Singapur und diejenigen, welche am meisten die Aufmerksamkeit eines Fremden auf sich ziehen, sind die Chinesen, deren Zahl und deren unablässige Tätigkeit dem Platz fast das Ansehen einer Stadt in China geben. Der chinesische Kaufmann ist gewöhnlich ein dickleibiger Mann mit einem runden Gesicht, mit einer Wichtigkeitsmiene und einem kaufmännischen Blick. Er trägt dieselbe Kleidung (einen weiten weißen Kittel und blaue oder schwarze Hosen) wie der gewöhnlichste Kuli, nur von feineren Stoffen, und ist stets sauber und nett; sein langer Zopf, mit roter Seide zugebunden, hängt ihm bis auf die Hacken herab. Er hat ein hübsches Warenlager oder einen Laden in der Stadt und ein gutes Haus auf dem Lande. Er hält sich ein schönes Pferd und Kabriolett und man sieht ihn jeden Abend barhaupt eine Spazierfahrt machen, um die kühle Brise zu genießen. Er ist reich, Besitzer verschiedener Kramläden und Handelsschoner, er leiht Geld zu hohen Zinsen und mit guter Sicherheit, ist sehr genau in Geschäften und wird mit jedem Jahr fetter und reicher.
In dem chinesischen Basar sind Hunderte von kleinen Läden, in welchen eine gemischte Sammlung von Kurz- und Ausschnittwaren zu finden ist und wo viele Dinge wunderbar billig verkauft werden. Man kann Bohrer zu einem Penny das Stück haben, weißen Baumwollzwirn, vier Knäuel für einen halben Penny sowie Federmesser, Korkenzieher, Schießpulver, Schreibpapier und viele andere Artikel ebenso billig oder billiger als in England. Der Ladeninhaber ist sehr gutmütig; er zeigt alles, was er hat, und scheint es gar nicht übel zu vermerken, wenn man nichts kauft. Er lässt etwas ab, aber nicht so viel wie die Klings, welche fast immer zweimal so viel fordern, wie sie willens sind zu nehmen. Wenn man eine Kleinigkeit bei ihm kauft, so wird man später, wenn man bei seinem Laden vorbeigeht, stets angesprochen, gebeten hineinzukommen und Platz zu nehmen oder eine Tasse Tee zu trinken, und es ist zu verwundern, wie der Mann zu leben hat, da so viele die gleichen unbedeutenden Dinge verkaufen. Die Schneider sitzen an dem Tisch, nicht auf demselben; und sowohl sie als die Schuhmacher arbeiten gut und billig. Die Barbiere haben viel zu tun: Köpfe zu scheren und Ohren zu reinigen; zu dieser letzteren Operation benutzen sie einen großen Apparat von kleinen Zangen, Stäben und Bürsten. In der Umgebung der Stadt sind eine Menge von Zimmerleuten und Grobschmieden. Erstere scheinen hauptsächlich Särge und stark bemalte und verzierte Kleiderschränke zu verfertigen. Letztere sind meist Büchsenmacher und bohren die Läufe mit der Hand aus soliden Eisenbarren. Bei dieser mühsamen Arbeit sieht man sie täglich, und sie können eine Büchse mit einem Feuersteinschloss sehr hübsch anfertigen. Überall auf den Straßen sind Verkäufer von Wasser, Gemüse, Früchten, Suppe und Agar-Agar (ein Gelee aus Seetang gemacht), die eine Menge ebenso unverständlicher Rufe produzieren wie die Ausrufer Londons. Andere tragen einen ambulanten Kochapparat an einer Stange, durch einen Tisch am anderen Ende im Gleichgewicht gehalten, und servieren ein Mahl von Schalentieren, Reis und Gemüsen für zwei oder drei Halfpence; während man überall Kulis und Bootsleute trifft, die auf Arbeit warten.
Im Inneren der Insel fällen die Chinesen Waldbäume im Dschungel6 und sägen sie zu Brettern; sie kultivieren Gemüse und bringen es zu Markt; sie ziehen Pfeffer und Gambir, wichtige Exportartikel. Die französischen Jesuiten haben unter diesen Binnenchinesen Missionen errichtet, welche sehr erfolgreich zu sein scheinen. Ich wohnte einmal mehrere Wochen bei dem Missionar in Bukit Timah, ungefähr im Mittelpunkt der Insel; es ist dort eine hübsche Kirche gebaut worden für ungefähr dreihundert Konvertiten. Als ich da war, traf ich einen Missionar, der gerade von Tongking kam, wo er viele Jahre zugebracht hatte. Die Jesuiten betreiben ihr Werk noch durchaus wie von alters her. In Cochinchina, Tongking und