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Der kleine Fürst 262 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der kleine Fürst 262 – Adelsroman - Viola Maybach


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ihren jüngeren Sohn kaum jemals erwähnt hatte. Freilich war Constanze immer davon ausgegangen, dass Amanda das aus reinem Taktgefühl unterlassen hatte, war ihr doch bekannt gewesen, dass ihre beiden Söhne sich nicht verstanden. Sie beruhigte sich wieder.

      »Seltsam«, murmelte Clemens. »Aber ich bin sicher, dass ich mich nicht irre: Sie hat einen zweiten Sohn nie erwähnt.«

      Was mache ich jetzt, dachte Constanze. Rede ich offen mit ihm – oder wenigstens ziemlich offen – oder verschweige ich ihm von jetzt an alles, was unsere Familiengeschichte betrifft?

      Sie begegnete seinem Blick, der offen und klar war. »Wir haben uns nur wenige Male gesehen, Ihre Großmutter und ich, aber sie war mir wichtig«, sagte er. Seine Stimme klang traurig. Sie konnte nicht glauben, dass er ihr das vorspielte.

      Der Brief fiel ihr wieder ein, der angefangene Brief in Amandas Sekretär. War das nicht ein Beweis dafür, dass sie ihm vertrauen konnte?

      »Ich habe vergeblich versucht, meinen Onkel zu erreichen«, sagte sie langsam, »aber er hat sich auf meine Nachrichten nicht gemeldet, er war auch bei der Beisetzung nicht anwesend. Bei der Testamentseröffnung habe ich erfahren, dass er auf seinen Anteil am Erbe verzichtet hat – und dass er mit seiner Familie nach Südfrankreich gezogen ist. Zwar ist er noch an seinem alten Wohnort gemeldet, aber er nutzt das Haus wohl vor allem als deutschen Firmensitz.«

      »Er hat auf sein Erbe verzichtet«, wiederholte Clemens und ließ seinen Blick abermals schweifen.

      »Wollen wir den Tee hier trinken oder lieber …«

      Clemens ließ sie nicht ausreden. »Hier. Ich finde Küchen gemütlich.«

      Unwillkürlich lächelte sie, das war etwas, das sie teilten.

      »Die Heizung funktioniert also auch nicht?«, fragte er.

      Constanze seufzte. »So gut wie nichts funktioniert«, stellte sie dann fest. »Ich habe das zunächst nicht bemerkt, weil ich mich vor allem um meine Oma gekümmert habe, aber nach ihrem Tod, als ich zum ersten Mal mit offenen Augen durch die einzelnen Räume gegangen bin, hat mich fast der Schlag getroffen.«

      »Wahrscheinlich hat Ihr Onkel gewusst«, stellte Clemens nüchtern fest, »dass das Schlösschen in seinem jetzigen Zustand ein Millionengrab ist und deshalb auf sein Erbe verzichtet.«

      Der Gedanke war ihr zuvor auch schon gekommen, aber sie hatte ihn bis jetzt immer beiseite geschoben. »Dann hätte er mich eigentlich warnen müssen, finden Sie nicht?«

      »Wer weiß, was Ihr Vater und er für eine Geschichte miteinander hatten. Vielleicht war das eine späte Rache an Ihrem Vater – nur dass sie leider Sie trifft.«

      Constanze schüttelte den Kopf. »Ich habe solche Überlegungen auch schon angestellt, aber etwas stimmt dabei nicht.«

      »Und was wäre das?«

      »Sie lassen meine Oma außer Acht.«

      Er wollte schon nachfragen, verstand aber dann auch so, was sie damit sagen wollte. »Sie wusste, in welchem Zustand ihr Zuhause ist – und hat es Ihnen trotzdem vermacht.«

      Constanze nickte.

      »Kann es sein, dass sie unterschätzt hat, wie teuer eine Sanierung würde?«

      »Das habe ich mir auch schon überlegt, aber eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen. Sie war völlig klar im Kopf, und sie konnte immer gut mit Zahlen umgehen.«

      »Aber das hieße, sie hat genau gewusst, was sie Ihnen mit dem Erbe aufbürdet.«

      »So ist es. Und das ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Sie hat mich nicht gewarnt, und sie hat gewusst, dass ich zwar gut verdient habe, aber mir auf gar keinen Fall die Sanierung des Schlösschens leisten kann. Ich hätte das Erbe ja auch ausschlagen können – aber das war unmöglich, nachdem sie mir auf ihrem Totenbett das Versprechen abgenommen hat, es nicht zu verkaufen.«

      »Na ja, jede Bank wird Ihnen den nötigen Kredit geben, weil allein das Grundstück mehr wert sein muss als die Schulden, die Sie machen würden. Die Frage ist, ob Sie sich eine solche Last aufbürden wollen.«

      Sie hätte ihm jetzt von der bereits bestehenden Verschuldung ihrer Großmutter erzählen können, doch sie sagte nur: »Ich weiß es noch nicht.«

      Eine Weile schwiegen sie, während sie den Tee tranken. Draußen war es noch immer windig, aber der Sturm hatte seine zerstörerische Kraft eingebüßt.

      »Ich bin ein ganz guter Handwerker«, bemerkte Clemens schließlich beiläufig. »Wenn Sie wollen, komme ich morgen früh wieder, dann erstellen wir eine Liste der Schäden und ordnen sie je nach Dringlichkeit. Ich bin allerdings jetzt schon sicher, dass das Dach zuallererst gemacht werden muss. Wissen Sie, ob das Schlösschen gegen Sturmschäden versichert war?«

      »Sturmschäden?«, fragte Constanze mit einem kleinen bitteren Auflachen. »Jeder Versicherungsvertreter, der sieht, in welchem Zustand dieses Gebäude ist, wird sofort sagen, dass nicht der Sturm verantwortlich für die Schäden ist. Das Dach war undicht, offenbar schon länger, nur deshalb konnte der Sturm dieses Loch hineinreißen.«

      »War nur so eine Idee«, murmelte Clemens. »Und unbezweifelbar hat der Sturm auch Schäden angerichtet, unabhängig davon, in welchem Zustand das Schlösschen vorher war.«

      »Wenn Sie meinen, es könnte sich lohnen, suche ich nach den Unterlagen.«

      »Tun Sie das auf jeden Fall. Soll ich wiederkommen?«

      Sie sah ihn an, er hielt ihren Blick fest. Seltsam, bei seinem ersten Besuch war er ihr beinahe unsympathisch erschienen mit seinem sonnenverbrannten Gesicht und den ausgebleichten Haaren. Jetzt jedoch, da sie gemeinsam gegen das Unwetter gekämpft hatten und sie überdies wusste, dass er mit ihrer Oma befreundet gewesen war, sah sie ihn mit ganz anderen Augen an. Wieso war ihr vorher nicht aufgefallen, wie liebenswürdig sein Lächeln war – und wie gut er aussah?

      »Was ist los?«, fragte er. »Sie sehen mich an, als wäre ich Ihnen irgendwie unheimlich.«

      »Ich habe daran gedacht, dass ich Ihnen neulich die Tür vor der Nase zugeknallt habe.«

      »Das, zusammen mit der Todesnachricht, hat mich erst einmal umgehauen«, gestand er. »Aber wie Sie sehen, habe ich den Schock überwunden.«

      Sie lächelte plötzlich. »Ja, bitte, kommen Sie morgen wieder. Und ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe. Wenn ich ehrlich sein soll: Ich weiß nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.«

      »Wenn ich auch ehrlich sein soll: Sie wären verloren gewesen.« Auch er lächelte, als er das sagte, dann stand er auf, um sich zu verabschieden.

      Sie brachte ihn zur Haustür. Als sie sie öffnete, schauderte sie. »Wie kalt es auf einmal ist!«

      »Das hatten sie ja vorhergesagt. Bis morgen also. Wann soll ich denn hier sein?«

      Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Wo wohnen Sie eigentlich?«

      »Im Hotel, keine Sorge, ich bin gut untergebracht.«

      »Gegen zehn?«

      »In Ordnung, ich werde da sein.«

      Sie wartete nicht, bis er sein Auto erreicht hatte, sondern schloss die Tür vorher, damit nicht zu viel von der kalten Luft ins Haus gelangte. Schon jetzt bibberte sie vor Kälte.

      Sie hatte nicht darüber nachgedacht, was ein Temperatursturz für sie bedeutete: Sie würde im Schlösschen noch mehr frieren, als sie es bisher schon getan hatte.

      *

      »Das gefällt mir nicht«, murmelte die Baronin. »Ich mache mir Sorgen um Conny, und jetzt kann ich sie noch nicht einmal erreichen.«

      »Wahrscheinlich ist sie sowieso beschäftigt, Tante Sofia«, erwiderte Christian. »Ich schätze, sie versucht, alle Türen und Fenster zu schließen, damit es nicht ins Schlösschen regnet.«

      Auf Sternberg war teilweise der Strom ausgefallen, aber Eberhard Hagedorn und Jannik Weber hatten den


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