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Der neue Dr. Laurin 28 – Arztroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der neue Dr. Laurin 28 – Arztroman - Viola Maybach


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war ihr Aussehen damals ganz unwichtig vorgekommen, daran erinnerte er sich jetzt mit einigem Erstaunen. Tatsächlich waren sie ein Herz und eine Seele gewesen, dem Altersunterschied zum Trotz, und einzig das hatte er wichtig gefunden. Wie seltsam, dachte er, dabei war ich doch sonst durchaus empfänglich für Äußerlichkeiten. Aber nicht bei Amelie, da haben sie keine Rolle gespielt.

      Aus heiterem Himmel kam ihm eine andere Erinnerung in den Sinn. Einmal, als er mit seinen Eltern wieder einmal bei den Brinkhorsts in Hannover gewesen war, hatte seine Mutter auf der Heimfahrt gesagt: »Amelie ist wirklich ein armes Ding, mit diesem Aussehen.« Er hatte so wütend auf diesen Satz reagiert, dass seine Mutter ganz erschrocken, sein Vater deutlich befremdet gewesen war. Aber niemals mehr hatte einer von beiden eine Bemerkung über Amelies Aussehen gemacht. Auch später nicht, fiel ihm jetzt auf. Er hätte ja nachfragen können, aber er hatte es nicht getan. Und diese seltsamen Fotos, die Amelies Eltern ihm geschickt hatten: Auf denen konnte man wirklich überhaupt nichts erkennen. Sie zeigten drei kleine lachende Personen am Fuße eines riesigen Felsmassivs …

      Er legte sich aufs Sofa, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Seltsam, was sein Gedächtnis auf einmal zutage förderte! Er hatte lange nicht so intensiv an Amelie gedacht, aber jetzt, mit einem Mal, kam vieles wieder hoch. Sie hatten ein paar sehr intensive Situationen miteinander erlebt: Auch er selbst war einmal zutiefst unglücklich gewesen, als Amelie und ihre Eltern zu ihnen nach München gekommen waren. Seine erste Freundin hatte sich in seinen besten Freund verliebt … Wie alt war Amelie damals gewesen? Acht vielleicht. Aber er hatte ihr von seinem Kummer erzählt, und sie hatte ihn umarmt und ihn getröstet. Schon damals war sie pummelig gewesen, aber sie hatte noch keine Hautprobleme gehabt. Sie hatte ihn umarmt und ihm gesagt, sie würde immer seine Freundin bleiben, und diese Worte waren tröstlich gewesen.

      Er hörte die Wohnungstür. »Nico?«

      »Ich liege auf dem Sofa!«

      Seine Freundin Michaela Curtius erschien an der Tür. Wie immer sah sie hinreißend aus in einem kurzen Rock mit knappem Top und Flip-Flops an den Füßen. Sie trug ihre glatten schwarzen Haare kinnlang, mit einem Pony, der bis zu den Augenbrauen reichte. Sie verzichtete meist auf Make-up, nur die großen blauen Augen betonte sie. »Wieso liegst du da?«, fragte sie.

      »Komm her. Ich hatte gerade einen Anruf, von dem ich dir erzählen muss.«

      Sie legte sich neben ihn aufs Sofa, was dazu führte, dass er erst einmal nicht zum Reden kam. Irgendwann aber rückte sie ein Stück von ihm ab und fragte: »Was war das für ein Anruf?«

      Er hatte Amelie gelegentlich in Gesprächen erwähnt, war aber nicht näher auf die besondere Beziehung eingegangen, die er früher zu ihr gehabt hatte. Das tat er auch jetzt nicht, es schien ihm nicht nötig zu sein. Deshalb sagte er nur: »Mein Gästezimmer wird eine Zeitlang belegt sein. Amelie Brinkhorst, die Tochter meiner Freunde aus Hannover, tritt ihre erste Arbeitsstelle an. Sie wird zunächst drei Monate in München sein, und ich habe vor Jahren einmal versprochen, dass sie bei mir wohnen kann, sollte sie jemals herkommen. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet, dass ich das Versprechen einlösen muss, aber nun ist es so weit.«

      »Und wie lange soll das sein?«, fragte Michaela.

      »Wenn sie die ganze Zeit hierbleibt, drei Monate. Aber vielleicht will sie ja nach zwei Wochen unbedingt zu einer Freundin ziehen. Ich weiß es nicht, ich frage sie, wenn sie hier ist.«

      »Drei Monate ist zu lang«, sagte Michaela. »Dir ist doch klar, dass wir uns dann in deiner Wohnung nicht mehr frei bewegen können?« Michaela bewohnte – noch – ein Ein-Zimmer-Appartement, was ihr jedoch, seit sie mit Nicolas zusammen war, nicht mehr so viel ausmachte. Tagsüber arbeitete sie in einem Grafikbüro und war also ohnehin nicht zu Hause, und die Wochenenden verbrachte sie bei Nicolas. Sie hatte schon einige Male das Thema ›Zusammenziehen‹ angeschnitten, doch Nicolas war nicht darauf eingegangen. Er gab es vor sich selbst noch nicht zu, aber die Vorstellung, ständig mit Michaela zusammen zu sein, behagte ihm nicht. Er hatte sie gern, aber er genoss es auch sehr, wenn sie nach dem Wochenende wieder in ihr Appartement zurückkehrte.

      »Es könnte zu Einschränkungen führen«, gab Nicolas zu. »Aber selbst drei Monate sind ja keine Ewigkeit, Michi.«

      Sie richtete sich auf, stützte sich auf einem Ellenbogen ab und sah ihn an. »Kein Sex mehr im Wohnzimmer«, sagte sie, »oder unter der Dusche, Sex im Schlafzimmer nur noch bei geschlossenen Türen, nur noch angezogen durch die Wohnung laufen … Ganz abgesehen davon, dass sie vielleicht unangenehme Angewohnheiten hat. Wie alt ist sie?«

      »Zweiundzwanzig.«

      »Mhm, deine Stromrechnung wird in die Höhe schießen, weil sie sich jeden Abend stundenlang ­Filme herunterlädt, sie wird nachts…«

      Er legte ihr eine Hand auf den Mund, um sie am Weiterreden zu hindern. »Hör auf«, bat er. »Sie war ein sehr, sehr nettes und ziemlich unglückliches Mädchen damals. Ich habe ihr ein Versprechen gegeben, dieses Versprechen werde ich auf jeden Fall halten. Wir hatten in den letzten Jahren wenig miteinander zu tun, gesehen habe ich sie das letzte Mal, als sie sechzehn war. Wenn sie sich nicht von Grund auf geändert hat, wird sie eine angenehme Mitbewohnerin sein, die wir wahrscheinlich kaum bemerken. Also mal den Teufel nicht an die Wand.«

      »Na, schön«, sagte Michaela, rutschte wieder nach unten und begann Nicolas' Hemd aufzuknöpfen. Das war ein Friedensangebot, das er nur zu gern annahm.

      *

      »Hier muss es sein«, sagte Anton Kriener zu seinem Freund Finn Wehling. »Das ist die Adresse, die Amelie mir gegeben hat.«

      »Nobel, nobel«, bemerkte Finn.

      »Er ist Architekt, die suchen sich natürlich immer die besten Wohnungen aus. Die haben ja auch Beziehungen, die sie ausnutzen können.«

      Anton war ein schmaler Dunkelhaariger mit ausdrucksvollen dunklen Augen, die ihn immer ein wenig melancholisch wirken ließen, was seine Wirkung auf Frauen stark erhöhte. Finn dagegen war eher der Typ ›großer Junge‹: blond, blauäugig, mit offenem Lächeln und widerspenstigen Haaren. Sie waren schon seit der Grundschule miteinander befreundet. Beide waren einundzwanzig Jahre alt und fest entschlossen, sich die Freude am Leben weder durch zu viel Arbeit noch durch andere Unannehmlichkeiten nehmen zu lassen.

      Bei ihrem Gespräch standen sie vor einem stattlichen Gründerzeithaus, das offenbar frisch renoviert war. Es war zweifellos das schönste Haus der ganzen Straße.

      »Lass uns nachsehen, ob wir seinen Namen finden«, schlug Finn vor, und so überquerten die beiden jungen Männer die Straße.

      »Ja, da ist er: Nicolas Möhring«, sagte Anton zufrieden.

      »Wie alt ist der eigentlich?«

      »Ach, so um die dreißig, er war schon erwachsen, als Amelie ihn das letzte Mal gesehen hat, er war so eine Art junger Onkel für sie. Oder großer Bruder. Ich lerne ihn ja auf jeden Fall kennen.«

      Sie entfernten sich langsam von dem Haus, es war reine Neugier gewesen, die sie hergetrieben hatte.

      »Weiß er denn, dass Amelie eigentlich nur wegen dir nach München kommt?«, erkundigte sich Finn.

      Anton schüttelte den Kopf. »Wozu auch, das geht ihn ja nichts an. Wichtig war nur, dass sie bei ihm wohnen kann, bei mir geht das ja nicht, weil ich noch bei meinen Eltern wohne. Aber diese Lösung ist doch super. Sie kann umsonst in einem tollen Haus wohnen, und wir können uns immer treffen, wenn der Typ arbeitet. Besser geht’s nicht.«

      »Ich denke, Amelie arbeitet auch?«

      »Sie fängt ja erst an, so eng werden die das schon nicht sehen. Außerdem kann man ja auch mal krank werden.«

      Finn grinste. Sie wussten, wie man sich das Leben angenehm machte. Sie hatten nach der Schule beide mit einem Jurastudium begonnen, weil man mit einem Jura-Examen später die besten Aussichten hatte, viel Geld zu verdienen. Das war ihr vorrangiges Ziel: Sie wollten reich werden, so schnell wie möglich, denn beide stammten aus kleinen Verhältnissen, die sie möglichst bald hinter sich lassen wollten. Aber wirklich hart arbeiten wollten sie für dieses Ziel nicht unbedingt,


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