Seidenstadt-Schweigen. Ulrike RenkЧитать онлайн книгу.
gefunden, wäre darüber verzweifelt und schließlich eingeschlafen.«
»Kann ich verstehen.«
»Ich nicht. Hilf mir.«
»Du verstehst es nicht?«
»Irgendwie schon. Aber war dann unser Entschluss zusammenzuziehen falsch? Ich kann doch nicht gegen einen toten Mann ankämpfen. Susanne ist keine Konkurrenz für Martina. Susanne hat tausend Fehler und will mich nicht mehr. Martinas Mann ist tot. Er hatte keine Fehler, er hat sie nicht willentlich verlassen, er ist gestorben. Sie liebt ihn immer noch.«
»Vermutlich.« Sabine war froh, dass der Kaffee gebracht wurde. Sie nippte an dem heißen Getränk.
Fischer sah sie fragend an.
»Na ja.« Sabine rutschte unruhig auf dem Stuhl herum. »Sie will doch dich, will mit dir zusammen sein, zusammenziehen.«
»Ja.« Jürgen senkte den Kopf.
»Es ist nicht so einfach.«
»Das habe ich nie angenommen, Sabine.«
»Er ist noch da, in ihren Erinnerungen und vermutlich liebt sie ihn noch. Vielleicht hasst sie ihn auch.«
»Hasst?« Fischer schien das Wort auszuspucken.
»Ja. Natürlich. Ich hasse Martin.« Sabine schluckte hart.
»Manchmal. Er ist tot und ich muss weiterleben. Sicherlich denkt man an die schönen Dinge. Klar. Aber auch an die Streitigkeiten, die Wut. Man kann nichts mehr klären. Ich kann ihn nichts mehr fragen, er kann mir keine Antworten geben. Wenn du wolltest, könntest du Susanne anrufen und sie fragen. ›Warum hast du dich damals so und so verhalten?‹ Ich kann das nicht mehr und Martina auch nicht.«
»Du hast schlechte Erinnerungen an Martin?«
Sabine nickte. »Manchmal hab ich mehr schlechte Erinnerungen als gute. Und ich bin wütend auf ihn. Und fühle mich verlassen, entsetzt, allein. Aber es hilft nicht. Er kommt nicht zurück, niemals. Ich muss damit abschließen, aber es ist verdammt schwer.«
»Hast du mal überlegt umzuziehen?«
»Jeden Tag, den Gott schafft.« Sabine stockte, lächelte Fischer dann an. »Martina hat die richtige Entscheidung getroffen, aber sie braucht Zeit. Gib sie ihr.«
»Natürlich gebe ich ihr alle Zeit der Welt. Ich will es nur richtig machen. Weißt du, sie redet nicht darüber. Und ihre Gedanken kann ich nicht lesen. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, weil ich dich gefragt habe.«
»Es wird schon werden. Ich glaub an euch.«
Fischer hoffte inständig, dass sie Recht haben würde.
13. Kapitel
Dezember 1939
Am 6. Oktober standen die Truppen bei Brest-Litowsk. Fritz verbrachte jede freie Minute vor dem Volksempfänger. An der Wand in seiner Stube hatte er eine große Landkarte gepinnt, auf der er den Frontverlauf mit Stecknadeln und Fähnchen festhielt. Als am 18. September die polnische Regierung floh, sah er seine Chancen schwinden, noch an die Front zu kommen.
Der Polenfeldzug wurde Ende Oktober für beendet erklärt. Fritz konzentrierte sich auf seine Ausbildung. Marschieren, Schießen, staatsbürgerlichen Unterricht, Truppenkunde. Am meisten genoss er die Stunden auf dem Panzerspähwagen.
»Soll ich dich abfragen?« Adolf und Fritz saßen sich in ihrer Stube am Tisch gegenüber, über die Bücher gebeugt.
»Ja, gerne.« Fritz schlug sein Buch zu, lehnte sich zurück.
»Bezeichnung?«
»Sd.Kfz. 234, Panzerspähwagen.«
»Reihe?«
»ARK.«
»Bauweise?«
»Kompakt. Rahmen und Wanne bestehen aus einem Teil. Allradlenkung. Zwei Fahrersitze, jeweils einer nach vorne, einer nach hinten.«
»Gänge?«
»Sechs Vorwärts- sowie sechs Rückwärtsgänge. Monocoque, Antrieb über Tatra, acht Räder.«
»Ausrüstung?«
»20 Millimeter KwK.«
»Wunderbar. Wenn du nun das Maschinengewehr blind auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, es ohne Zeitverzögerung bestücken kannst, dann ist alles gut.«
»Scheiße ist alles.« Fritz holte das Etui aus der Tasche, nahm eine Zigarette heraus, klopfte damit auf den Tisch und steckte sie sich dann zwischen die Lippen. Er warf seinem Freund das silberne Etui zu.
»Was ist denn Scheiße?« Adolf zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Er schob den Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch. Seine Stiefel waren sauber geputzt und glänzten.
»Polen ist vorbei. Und wir sitzen immer noch hier und drehen Däumchen. Was beneide ich die Truppe, die letztes Jahr ihre Ausbildung begonnen hat und wenigstens für ein paar Wochen dabei sein durfte. Diese Spielereien in der Heide sind doch was für Kinder. Ich will in den Kampf. Ich will etwas für das Vaterland leisten.«
»Ich habe gehört, dass sie einen neuen Panzerspähwagen entwickeln. Mit einer 50-Millimeter-Kanone.«
»Das wäre ja was. Den möchte ich fahren. Aber nicht hier im Gelände.«
Fritz spürte, dass etwas vor sich ging. Spannung wie Elektrizität lag über der Kaserne.
Er arbeitete hart, lernte jeden Abend. Es machte ihm Spaß. Seinen Führerschein erwarb er auf einem Opel Olympia. Da die 3. Panzerdivision am Polenfeldzug teilnahm, waren sie, abgesehen von der Fahrschule, fast alleine in der Kaserne. Obwohl Fritz alle Informationen in sich aufnahm wie ein Schwamm das Wasser, wartete er doch sehnsüchtig auf seinen ersten Einsatz.
Die zweite und verbesserte Baureihe des Sd.Kzf., des Spähwagens, wurde geliefert. Sie machten sich mit dem Fahrzeug vertraut, übten Geländefahrten tags und nachts.
Als sie den Lehrgang endlich beendet hatten und nach Cottbus verlegt wurden, stieg Fritz’ Anspannung. Wieder wurden sie geschult, hatten Unterricht und Fahrten auf den neuen Wagen. Die Spähwagen konnten bei gutem Gelände 60 Stundenkilometer schaffen.
Jeden Abend saß er vor dem Volksempfänger und hörte die Nachrichten. Auch in Cottbus hatte er seine Landkarte aufgehängt, trug jede Veränderung ein, führte ein Tagebuch über die Sondermeldungen. Doch die Zeit zog sich dahin, ohne dass sie eingesetzt wurden.
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