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Zwischen Bolschewismus und Bergpredigt. Norbert OrtgiesЧитать онлайн книгу.

Zwischen Bolschewismus und Bergpredigt - Norbert Ortgies


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in Erscheinung traten, nur als kleine unbedeutende Grüppchen. Sozialdemokraten waren etwas stärker vertreten […].107 Allerdings erfasste die Gestapo nach dem 30. Januar 1933 Ludwig Bitter und Friedrich Fütterer, der nie aktenkundig Mitglied des FSSB war, als Autoren eines Flugblattes eines „Revolutionären Studentenbundes“, das wahrscheinlich 1930 in Münster kursierte.108

      Dieser „Revolutionäre Studentenbund“ ist in- und außerhalb Münsters kaum nachzuweisen. Wohl gab es den „Reichsverband Freisozialistischer Studenten (RFS)“, der im August 1929 von KPD-nahen Studenten gegründet worden war.109 Für diese Vereinigung warb auch die KPD Münster. Der FSSB an der WWU Münster ist jedoch dem Reichsverband nach Aktenlage nie beigetreten.

      Aber schon zuvor (Ende 1929) wollte Bitter beide Organisationen anscheinend wieder verlassen. Er schrieb nieder, vom Kommunismus á la KPD trenne er sich als prinzipieller Idealist: „Klar und deutlich, warum ich nicht mehr Kommunist bin: 1. Ich liebe den Geist, der Kom.[munismus] haßt den Geist und liebt den Leib und den Fraß für den Leib.“110 Zudem sei diese Richtung durch ein falsches Gleichheitsverständnis belastet. Die politische Gegenwart Deutschlands sei vom Kampf der Extreme KPD und NSDAP gekennzeichnet. Rechts und Links würden sich im Kampf aufreiben. Die übrigen Parteien dazwischen - gemeint waren also auch alle demokratischen Parteien - versänken im Sumpf. Rettung sei nur von der Jugend zu erwarten und all denen, die den Parteien rechtzeitig den Rücken gekehrt hätten. So sei auch er, Bitter, kein Organisationsmensch.111

      Kommunist bleibe er jedoch in einem anderen Sinne: „Ehe man den Kommunisten den Vorwurf der Allesgleichmacherei macht, sollte man erst die Ställe in Wohnungen verwandeln, den Geringsten Arbeit geben.“112 Und Kommunist bleibe er weiterhin im „Geben, und Geben, dreimal Geben !“113

      Seine Seele suche Nahrung, die ihr der Kommunismus nicht zu geben vermöge. Ihn schmerze der Verlust seines Kinderglaubens an Gott und die (katholische) Kirche. Er verblute vor Heimweh. Deshalb sitze er jeden Tag im Dom und quäle sich, seinen verlorenen Glauben wiederzufinden. In Theologie höre er Vorlesungen von katholischer wie von evangelischer Seite. Nichts habe geholfen. Schon gar nicht das Studium der Papstgeschichte.114 Das sei eher „wunderbar“ für diejenigen, „[…] die ungläubig werden wollen“.115

      Die politischen Überwacher vermeldeten knapp zwei Monate später, sowohl Bitter als auch Hahn seien mittlerweile aus der KPD ausgetreten, um in die SPD einzutreten. Diesen Sinneswandel habe ihr Mitstreiter im FSSB, das SPD-Mitglied Fritz Niemeyer jun.

      bewirkt.116

      Gegenüber dieser Darstellung ist insofern Skepsis angebracht, als sich in allen anderen Quellen kein Hinweis auf eine SPD-Mitgliedschaft Bitters findet. Erwähnt wird die SPD zwar schon in Bitters nachgelassenen schriftlichen Äußerungen, doch in einem negativen Kontext: Die SPD habe „ein Schlamassel“ hinterlassen.117

      KPD, Kandidat Thälmann, Reichspräsidentenwahl 1932 - mit Aufnahmeschein für KPD und „Reichsbund freisozialistischer Studenten“

      Quelle: Stadtarchiv Münster, Polizeiregistratur: Nr. 120, Bl. 129

      Demonstration, KPD Münster, ca. 1932

      Quelle: Stadtarchiv Münster, SLG-FS-47, 04671/Fotograf(in): Pohlschmidt, Carl

      Auch sein Tagebuch spricht eine andere Sprache: Entweder hatte er die Partei doch nicht verlassen oder aber sich ihr, was wahrscheinlicher ist, rasch wieder angenähert. Im Februar 1930 denkt und fühlt er schon wieder in den Bahnen der KPD.

      Als ihm später, nicht zum ersten Mal, Zweifel an der Partei kamen, für die er andere Studenten als Agitator anwerben sollte, beruhigte er sein Gewissen mit einer irritierenden Gleichsetzung von SPD und KPD: Der von ihm sehr geschätzte Münsteraner Professor Otto Piper – Nachfolger auf dem Lehrstuhl des renommierten evangelischen Theologen Karl Barth118 - agitiere ja gleichfalls, aber als SPD-Mitglied, Studenten für den Sozialismus, so wie er als KPD-Propagandist diese Zielgruppe für den Kommunismus zu gewinnen suche. Wichtig sei vor allem das große Ziel.119 Was ihn dabei, erstaunlich genug, nicht weiter behelligte, war die fortschreitende Stalinisierung der KPD unter Ernst Thälmann Ende der Zwanziger Jahre.

      Ernst Thälmann, Januar 1932

      Quelle: BArch, Bild 102-12940/Fotograf(in):Pahl, Georg

      Die SPD als die größere linke Partei und der ihr verbundene Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) wurden von ihr in völliger Verkennung der Verhältnisse gar als „sozialfaschistisch“ diffamiert.

      In Münster traf der Bannstrahl der Stalin-Anhänger den ADGB-Chef Fritz „Niemeyer, den berüchtigten Sozialfaschisten, der mit Alkohol und Polizei [korrigierte Rechtschreibung] gegen ehrliche Arbeiter kämpft.“120

      War die KPD schon im Inneren kaum demokratisch strukturiert, so konnte ihr Vorbild, die Stalin'sche Sowjetunion und ihre Partei, noch weniger als demokratisches Muster taugen. Diesen wesentlichen Aspekt ignorierte Bitter in der Frage der Mitgliedschaft durchgängig. Dabei waren selbst die Lokalzeitungen voll von Berichten über Lager für Andersdenkende – wie etwa auf den Solowki-Inseln im Hohen Norden. Besonders ausführlich ging die „Münstersche Zeitung“ zudem auf die Christenverfolgungen im Reiche des Kommunismus ein.121

      Endgültig trennte sich Bitter erst von der KPD, als er erkennen musste, dass deren materialistische bzw. bolschewistische Weltanschauung nicht nur den Kampf für die gleiche, gerechte Verteilung der Güter der Welt beinhaltete. Auch den Kampf gegen jedwede Form von Religion - also gegen den Idealismus, wie ihn Bitter verstand - sah die Partei als unabdingbar an. So musste er sich schließlich eingestehen: „Ich verrate mich selbst, wenn ich da mittue.“122

      Vorher jedoch stürzte Bitter sich noch einmal mit allem jugendlichen Elan und Pathos in die tagespolitischen Kämpfe der Partei. Geistige Munition lieferte ihm dabei die Lektüre von Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs Briefen aus der Haft während des Ersten Weltkriegs.

      „Hunger! Hunger!“ Kampagne der KPD Münster zu Weihnachten 1930

       Quelle: Stadtarchiv Münster, Polizeiregistratur: Nr. 128, Bl 009

      Gedenkkarte: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, ca. 1921

      Quelle: BArch, Bild 10Y-RL6-26636/Fotograf(in):o. Ang.

      Über die schon im Kaiserreich verfolgten, nach der Novemberrevolution 1918 ermordeten Gründer und Märtyrer der KPD schrieb er: „Ich habe gerade Karl Liebknechts Briefe zu Ende gelesen. Er ist tot. Aber ich bin sein Freund geworden. Wer war so gut, so rein, so gütig, wer war so kühn, so selbstlos und stolz wie er! Aber ihn, den besten Menschen, ihn den Hohen, haben sie gemordet. Ihn und Rosa Luxemburg, deren Briefe aus dem Zuchthaus ich auch kenne. Auch sie ein herrlicher Mensch, eine Hohe Frau. Auch sie ermordet! […]“123 Die geradezu hymnische Heiligsprechung der KPD-Führer durch Bitter stand denn doch in scharfem Kontrast zu den Gefühlen der Mehrheit im Lande. Bezeichnend für deren Stimmung war eher, wie sich der aus Küstrin stammende Ibbenbürener Helmut Pieper in der Rückschau über Rosa Luxemburg äußerte:

      „[…] Für mich ist die größte aller Hexen [bei Pieper als Begriff eher eine Mischung aus Ablehnung und Bewunderung] die Rosa Luxemburg gewesen. Ich habe auch das Buch gelesen. Da liest man: ich denke und träume wie jede andere Frau, von einem Heim, einem Baby, Freunde einladen, ein paar Bücher haben. Alles so rührend. Was stellt sie sich vor, wo kommt die her, eine hochintelligente Jüdin aus Russisch-Polen, kommt nach hier, um Unfrieden zu säen. Gründet die USPD [Unabhängige Sozialdemokratische Partei


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