Die verborgene Kriminalität: Straftaten im Dunkelfeld. Volker MariakЧитать онлайн книгу.
Zielsetzung wäre effektiver zu erreichen durch kluge Nutzung des Indikators „Gewalt gegen Tiere“, der nachstehend kurz skizziert werden soll und neben „häuslicher Gewalt“ das zweite brisante Thema abd eckt.
Die vorliegende Arbeit bietet keine umfassende neue Datenquelle und ebenfalls kein elaboriertes fachtheoretisches Erklärungsmodell und könnte dennoch zu einem weiteren (zugegeben: recht kleinen) Schritt auf dem Wege der Gewaltreduzierung in unserer Gesellschaft beitragen. Die Arbeitsziele lassen sich durch drei Hauptelemente definieren:
Teilziel a: Neue Impulse, speziell im öffentlichen Diskurs
Teilziel b: Darlegung des Hellfeld- / Dunkelfeld-Problems
Teilziel c: Diskussion des Indikators „Gewalt gegen Tiere"
Diese drei Kernthemen sind im nachfolgenden Text in knapper Form vorzustellen
1. 1 Teilziel a: Neue Impulse, speziell im öffentlichen Diskurs
Zunächst einmal gilt: Die Darlegungen zum Stand der aktuellen Gewaltforschung richten sich nicht ausschließlich an den engen Kreis damit befasster Fachwissenschaftler. Vielmehr wird in besonderem Maße auch der öffentliche Diskurs angesprochen. „Häusliche Gewalt“ determiniert unsere angeblich so aufgeklärt-friedfertige deutsche Gesellschaft in unterschiedlichsten negativen Facetten, die nicht nur unserem ethischen Anspruch entgegenstehen. Damit wird das Gewalt-Thema - schlicht gesagt - viel zu wichtig, um es auf den universitären Elfenbeinturm zu begrenzen. Es ist somit ein wesentliches Arbeitsziel, interessierte Laien und Fachleute jeder Coleur aus behördlichen Praxis-Bereichen und Initiativen der Sozialhilfe oder Pädagogik kritisch über wesentliche Fragen und markante Inhalte im Erkenntnisstand zu informieren. Die Arbeit steht damit in einer Linie mit dem bereits veröffentlichten Beitrag zur „Spirale der Gewaltkriminalität“ (Mariak, V.: „Die Spirale der Gewaltkriminalität – Tierquälerei und Tiertötung als Vorstufe der Gewalt gegen Menschen“, 2., erweiterte Auflg., Verlag tredition. Hamburg, 2019). Sie ist, wenn man so will, also ein „Fortsetzungsroman" auf kriminologischer Basis.
1. 2 Teilziel b: Darlegung des Hellfeld- / Dunkelfeld-Problems
Es besteht die Binsenwahrheit, dass die zivilisatorische Tünche des modernen Menschen mit ihrem Credo der Friedfertigkeit, der Gleichberechtigung aller und der Fairness im Zusammenleben auch in angeblich ethisch hochentwickelten Demokratien wie der Bundesrepublik oft genug nur hauchdünnn ist. Wirklich krass zeigt sich diese Tatsache in den amtlich aufgedeckten Straftaten gegen eigene Familienmitglieder (Hellfeld). Oftmals sind Frauen und Kinder als physisch schwächere Kontrahenten die Opfer häuslicher Gewalt, wenngleich sich auch eine Vielzahl von Fällen nachweisen lässt, in denen Männer in die Opferrolle gelangen - jedoch der Exekutive nur geringfügig bekannt und somit weitgehend ohne Sanktion.
Neben dem Hellfeld der polizeilich erfassten häuslichen Gewaltdelikte besteht ein immenses Dunkelfeld von familiären Gewalthandlungen, die - aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Anzeige gebracht werden und in den Familien bzw. den Privathaushalten für Außenstehende „nicht existent" sind. Wahrgenommen wird allein die heile, bürgerlich-normale Fassade. Schaut man also nur auf das Zahlenwerk der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), dann sollte jedem Interessierten bewusst sein, dass damit keinesfalls die „Kriminalitätswirklichkeit“ erfasst wird, sondern einzig und allein ein winziger Ausschnitt daraus. Wie sich die Relationen von Hellfeld und Dunkelfeld zueinander positionieren, veranschaulicht das nachstehende Schema:
(Quellen: Eigene Darstellung nach Abbildungen des Dunkelfeld-Hellfeld-Zusammenhangs in der kriminologischen Forschung. Siehe dazu zum Beispiel: Balschmiter, Peter, u. a.: „Erste Untersuchung zum Dunkelfeld der Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern“, der Abschlussbericht vom 25. 07. 2017, Dunkelfeldbefragung Mecklenburg-Vorpommern, Befragung zu Sicherheit und Kriminalität 2015 in Mecklenburg-Vorpommern, Projektleitung: Peter Balschmiter, Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes MV, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, S. 15, Abb. 1: Verhältnis von absolutem und relativem Dunkelfeld; zitiert nach: Bundeskriminalamt 2015, S. 2)
Schema der Dunkelfeld – Hellfeld - Datenrelationen
Die vorstehende Übersicht zeigt das Datengefüge zum Kriminalitätsgeschehen im Hellfeld- und Dunkelfeldbereich. Auszugehen ist von einem absoluten Dunkelfeld, für das keine umfassenden Kenntnisse bestehen (1). Aus diesem Bereich entnimmt die Dunkelfeldforschung ihre Daten und deckt somit einen Bruchteil der Kriminalitätswirklichkeit auf (2). Zudem erfassen die Ermittlungsbehörden (primär die Polizei in der PKS) einen weiteren, wesentlich geringeren Teil der Kriminalität durch vorgelegte (Straf-)anzeigen. Dieser Ausschnitt „firmiert“ in der offiziellen Statistik unter dem Begriff Hellfeld (3). In wenigen Fällen besteht eine Deckungsgleichheit der Daten aus Dunkelfeldforschung und Polizeilicher Kriminalstatistik. Diese Vermengung wird oft als gemeinsame Schnittmenge dargestellt (4). In beiden Datenerhebungen (Forschung und Polizei) finden jedoch auch Fälle ihren Platz, die strafrechtlich nicht relevant bzw. nicht zutreffend sind. „Fehlinterpretationen“ von Ereignissen entstehen sowohl bei Befragten als auch bei privaten Anzeigenden und Polizeikräften durch ihre individuell gefärbte Sicht auf soziale Konfliktsituationen (5 und 6). Nur am Rande: Verzerrungen resultieren auch durch Kriminalität, die nicht als solche gewertet und berichtet wird – etwa weil man sich nicht mehr genau erinnert oder Ereignisse als „alltagsnormal“ und „Familiensache" interpretiert. In diesen Fällen findet sich oftmals die Bezeichnung „doppeltes Dunkelfeld“, und natürlich sind sie ebenfalls Bestandteil des absoluten Dunkelfeldes. Letztendlich ergeben sich auch im Bereich der „Fehlinterpretationen“ Datenüberschneidungen aus Dunkelfeldforschung und Polizeilicher Kriminalstatistik (7). Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass in der einschlägigen kriminologischen Literatur eine weitere Differenzierung genannt wird, welche die sogenannte „Grauzone" der Kriminalität umfasst (Balschmiter, Peter, u. a., 2017, S. 16):
„Darüber hinaus zählt Schneider 35 Delikte, bei denen der Täter nicht abgeurteilt (Einstellung durch die Staatsanwaltschaft) oder nicht verurteilt wird (Freispruch mangels Beweises) zum relativen Dunkelfeld. Er bezeichnet Delikte bei denen der Täter nicht ergriffen bzw. überführt wurde auch als ‚Graufeld der Kriminalität’ […] Für die Kriminalitätsmessung im Hell- und Dunkelfeld ist dies von Bedeutung, weil bei diesen Sachverhalten nicht aufgeklärt werden kann, ob es sich tatsächlich um Kriminalität (oder z.B. um eine zivilrechtliche Angelegenheit und damit um eine falsche Sachverhaltseinschätzung) handelt oder ob auch tatsächlich angezeigte Straftat vorliegt (z. B. Vortäuschung eines Sexualdelikts).“
Im Fazit ist die Feststellung wichtig, dass weder Dunkelfeld-Daten noch Hellfeld-Statistiken das deutsche Kriminalitätsgeschehen abbilden können und auch in der Ergänzung dazu nicht dazu in der Lage sind.
1. 3 Teilziel c: Diskussion des Indikators „Gewalt gegen Tiere“
Wie bereits in der oben erwähnten Arbeit (Mariak, 2019) wird Gewalt gegen Menschen mit voraufgehender oder parallel stattfindender Gewalt gegen Tiere verknüpft. Wie sich in einer Vielzahl US-amerikanischer Studien bestätigte, gehen Tierquälerei und Tiertötung oftmals einher mit Gewalthandlungen gegen Menschen. Leider hat sich diese Erkenntnis zunächst nur in wenigen deutschen Forschungsarbeiten etabliert. Deutlich wird jedoch - speziell für die Problematik „häusliche Gewalt“: Tierquälerei und Tiertötung sind wissenschaftlich haltbare Indikatoren, die frühzeitig Auskunft geben können über Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung im familiären Binnenbereich und im näheren sozialen Umfeld. Bei den US-Forschern Spencer, Kohl und McDonald heißt es dazu:
„In recent years, a strong connection has been made between animal abuse and domestic violence. Because abusers target the powerless, crimes against animals, spouses, children, and the elderly often go hand in hand.”
(Spencer, Kohl und McDonald, 2012, S. 2; Zitat: URL Hodges, C.: „Why You Should Join The War On Animal Cruelty”, in: Coalition for Ani mal Justice) Und weiter führt die Forschungsgruppe aus:
„The deadly violence that has occurred in schools in recent years has, in most cases, begun