Die Kreuzfahrer - milites diaboli. Jens - Uwe NebauerЧитать онлайн книгу.
dem Falkenberg vor der Hainleite in der Nähe von Sondershausen.“
„Das ist ein ganzes Stück weit weg“, stellte Mathilde fest. „Und was macht Ihr dann soweit im Norden?“
„Ich war in Halberstadt bei Gerhard dem Waffenschmied“, gab Gerold Auskunft, „und habe dort einen Helm abgeholt, den der Meister für mich angefertigt hat.“
Dass ein Teil der ritterlichen Ausrüstung eigens für ihn angefertigt wurde, war ein ganz besonderes Ereignis für den Jungherrn, hatte er doch bisher immer die alten Rüstungsteile seiner Brüder auftragen müssen.
Mathilde drehte sich zu ihm um und schaute ihn lächelnd an. „Seid …“, begann sie, doch dann unterbrach sie sich und setzte mit gewechselter Anredeform fort, „bist du nicht eigentlich noch ein wenig zu jung für Helm und Schwert?“
Gerold zuckte mit den Schultern. „Nachdem ich den vierzehnten Sommer gesehen hatte, schickte mich mein ältester Bruder Gottfried zur Äbtissin von Quedlinburg, damit ich bei deren Gefolgschaftsführer Hageno eine ritterliche Ausbildung erhalte. Als dann aber der falsche König Hermann starb und Ekbert von Meißen nach der Krone griff, gürtete man alle Jungmänner mit dem Schwert, weil man glaubte, sogleich gegen den verräterischen Markgrafen ziehen zu müssen und dafür schnell eine Mannschaft brauchte. Doch dann geschah erst mal gar nichts, und so wurden die meisten von uns schließlich wieder nach Hause geschickt.“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
„Welch ein Glück für mich, dass du gerade heute deinen Helm geholt hast“, bemerkte Mathilde und sah ihren Retter lange und eindringlich an, wobei eine leichte Röte ihre Wangen färbte. Gerold hielt ihrem Blick stand und spürte, wie eine sonderbare Wärme in ihm aufzusteigen begann. Ein schnell wachsender Teil seines Innern fühlte sich so machtvoll zu der kleinen, ansehnlichen Weibsperson hingezogen, dass er sie am liebsten fest an sich gedrückt, über ihr schimmerndes Haar gestrichen, ihre Wangen und ihren Nacken gestreichelt und ihren Mund mit dem seinen berührt hätte.
Schließlich - nachdem die beiden jungen Menschen den Spielraum des gegenseitigen In-die-Augenschauens bis zur Gänze ausgereizt hatten - verzogen sich ihre Lippen zu einem fröhlichen und zugleich innigen Lächeln.
Einem Lächeln, das Begreifen und Annehmen kundtat, und das Billigung versprach.
*
Eine halbe Stunde später brachen sie wieder auf. Sie ritten bis zur Siedlung Am Tale und von dort aus auf dem kürzesten Wege nach Ballenstedt, dem Ort, in dem einst die Grafen von Askanien gehaust hatten, bevor Graf Esiko seine Burg zum Sitz eines Stiftes bestimmte und seinen Wohnsitz auf der neu errichteten Burg Anhalt über dem schönen Selketal nahm. Die Befürchtungen, die Mathilde wegen der Feindschaft, die zwischen den Askaniern und den Konradsburgern herrschte, hegte, erwiesen sich als unbegründet; niemand behelligte sie, als sie die Siedlung in schnellem Trab durchquerten. Da die beiden auch auf dem letzten Teil ihres Weges weder sich noch ihre Pferde schonten, erreichten sie schon kurz nach dem Einbruch der Dunkelheit ihr Ziel.
Die Konradsburg lag auf einem sich unvermittelt aus dem flachen Land erhebenden Bergrücken und war weithin sichtbar. Die geräumige Kuppe des Berges fiel nach drei Seiten steil ab, nur im Osten war sie durch einen gemächlich ansteigenden, breiten Hang mit einer sich weit ausdehnenden Hochebene verbunden. Die Burg war von zwei Umfriedungen umgeben, einer äußeren, die aus angespitzten Palisaden und einer inneren, die zumindest zum Teil aus Mauerwerk bestand. Von den Gebäuden im Inneren der wehrhaften Anlage war vom Fuß des Berges wenig zu sehen, nur die massige Silhouette eines Wohnturms zeichnete sich wuchtig über der Umwallung ab.
Der Burgstieg, der breit genug für drei nebeneinander laufende Pferde war, lag im Licht des fast vollständig gerundeten Mondes. Mit der letzten Kraft ihrer abgetriebenen Rosse sprengten Mathilde und Gerold auf dem sich wie eine Schlange um den Berg windenden Weg bis zum gemauerten Burgtor hinauf.
„Heda, Hermann“, rief Mathilde zu dem zinnenbewehrten Wehrgang hinauf, „öffne das Tor, du Nachtwächter, ich bin’s Mathilde!“
Es dauerte einige Zeit, bis sich hinter der Brustwehr der dunkle Schatten eines Mannes sehen ließ. Er beugte sich vor und musterte die vor dem Tor haltenden Reiter.
„Wer ist euer Begleiter?“, rief er dann mit einer krächzenden Stimme, die Gerold an einen Raben denken ließ.
„Das geht dich einen Rossapfel an, du Schwachkopf“, fauchte die kleine Konradsburgerin. „Mach auf oder ich lasse dich verprügeln!“
Von oben kam ein beleidigt klingendes Gebrummel, dem schließlich ein: „Wartet, ich öffne Euch das Tor“, folgte.
Der Wachhabende ließ Mathilde und ihren Begleiter in den Burghof und obwohl er sich wegen seines Diensteifers zu Unrecht gescholten sah, schickte er einen Mann in den Pferdestall und ließ den Stallburschen, der sich schon zur Nachtruhe begeben hatte, wecken.
Mathilde warf dem gähnenden, sich mürrisch einen Strohhalm aus den zerzausten Haaren streifenden Knecht ihren Zügel zu, dann forderte sie Gerold auf, ihr zu folgen und stürmte zu dem an der Ostseite der Burg aufragenden Wohnturm. Hinter einigen der Fenster des gedrungenen Gebäudes war noch ein matter Lichtschein zu erkennen.
Während Gerold der vorauseilenden Mathilde über den holprigen, zumeist nur aus festgestampfter Erde bestehenden Boden hinterher stolperte, sah er sich neugierig um.
Auf dem ausgedehnten Geviert des Burghofes erhoben sich mehrere Gebäude von verschiedener Größe. Der Wohnturm und eine rechts davon stehende kleine Kapelle waren aus Stein, die sich am westlichen und nördlichen Rand der Burgumwallung befindlichen Häuser bestanden aus mit Lehmziegeln ausgefülltem Fachwerk und waren mit Riet gedeckt.
Inzwischen hatte Mathilde bereits die hölzerne Treppe, die zum Eingang des Burgos führte, erreicht und stieg sie schnellen Fußes hinauf.
„Komm, komm“, drängte sie Gerold zur Eile.
Sie öffnete die laut knarrende, aus schweren Eichenbohlen gezimmerte Pforte und führte ihren Begleiter über eine steile Stiege in eine große, den ganzen zwischen den Mauern vorhandenen Platz einnehmende Halle. Ein Feuer im Kamin, einige an den Wänden in eisernen Halterungen steckende Kienspäne und eine auf einem großen Tisch stehende Bronzelampe verbreiteten ein diffuses Licht. Von den Kienspänen und den knisternden Kloben im Kamin stieg ein angenehmer, harziger Geruch auf.
In der Mitte des Raumes saßen mehrere Gestalten um einen Tisch, von denen sich eine bei ihrem Eintreten von ihrem Sitz erhob.
„Mathilde, bist du das?“, erklang eine kräftige Frauenstimme.
„Mutter, Brüder! Otto!“ stieß die kleine Konradsburgerin, mit sich überschlagender Stimme hervor. „Wir sind überfallen worden vom Regensteiner! Der Poppo hat Mechthild geraubt und wohl auf seine Burg geführt. Ich konnte ihnen mit Mühe entkommen und dieser Jungherr“, Mathilde wandte sich um und zeigte auf den schweigend dastehenden Gerold, „hat mich gerettet und drei Knechte, die mich verfolgten, niedergemacht!“
„Was sagst du da?!“, fuhr ein kräftig gebauter Mann mit blonden Haaren und bartlosen Wangen heftig auf. „Das kann nicht wahr sein!“ Sein Stuhl stürzte mit lautem Krachen um, als er wie von einer Wespe gestochen in die Höhe schnellte.
„Doch, Otto, doch“, bekräftigte Mathilde, „es ist wahr! Wir müssen der Mechthild helfen, müssen sie befreien, müssen sofort etwas unternehmen!“
Auch die anderen am Tisch Sitzenden, es waren zwei Männer und eine Frau, sprangen jetzt auf und umringten Mathilde.
„Dann müssen wir …“, stieß Otto, dem Mechthild von Heimburg anverlobt war, hervor, „müssen wir sofort …“ Er verstummte und ballte in ohnmächtiger Wut die Fäuste. „Wir müssen … die Pferde … meine Waffen …“
„Wartet, wartet“, rief ein ebenfalls blonder, aber bärtiger junger Mann, „sinnloses Tun nützt weder uns, noch hilft es der entführten Jungfrau. Wir müssen uns besinnen und vernünftigen Rat halten.“
Dann fiel sein Blick auf den etwas abseits stehenden Gerold. „Und ihr, mein Herr, kommt her und