Bahnfahren unter erschwerten Bedingungen. Frank HoleЧитать онлайн книгу.
haben. Hier gibt es Regelungen ab 20 und ab 60 Minuten Verspätung.9 Die Fahrgastrechte sind teils differenziert je nach benutztem Fahrausweis zu sehen, ferner gelten je nach Verkehrsvertrag und Verbund ggf. andere, weitergehende Regelungen. Die genauen Mindestregelungen können Sie auf einer zentralen Fahrgastrechte-Website nachlesen10, ansonsten in den Beförderungsbedingungen Ihres Eisenbahnverkehrsunternehmens oder – falls Sie mit einer Verbundfahrkarte unterwegs sind – in denen Ihres Verkehrsverbunds.
• FAHRT ANTRETEN BZW. FORTSETZEN. Hinterher können Sie ab 60 Minuten Verspätung über die Fahrgastrechte eine Entschädigung geltend machen.
• MIT EINEM ANDEREN ZUG FAHREN. Das ist ebenfalls im Rahmen der Fahrgastrechte für Verspätungen ab 20 Minuten geregelt.
• FAHRT ABBRECHEN und wieder zurückfahren oder Reise erst gar nicht antreten. Ab 60 Minuten voraussichtlicher Verspätung am Zielort können Sie sich den Fahrpreis über die Fahrgastrechte erstatten lassen.
• MIT EINEM ANDEREN VERKEHRSMITTEL WEITERFAHREN und die Kosten bis zu einem bestimmten Betrag erstattet bekommen. Dies ist in den Fahrgastrechten ebenfalls geregelt, allerdings an einige Konditionen gebunden.
Um sich auf die Fahrgastrechte zu berufen, ist es sinnvoll, wenn auch nicht zwingend nötig, dass Sie sich die Verspätung vom Personal im Zug oder in großen Bahnhöfen bescheinigen lassen. Das wird nicht in allen Fällen möglich sein, z. B. weil das Personal vielleicht gar nicht vorhanden oder von sehr vielen Fahrgästen gleichzeitig beansprucht ist.
Je nachdem, wie wichtig Ihnen die Reise ist und was Ihr Budget ermöglicht, sollten Sie auch in Erwägung ziehen, völlig unabhängig von den Fahrgastrechten zu entscheiden und ggf. höhere Kosten in Kauf zu nehmen um anzukommen. Im Nachgang zu Ihrer Fahrt lässt sich dann möglicherweise noch etwas auf dem Wege der Kulanz regeln.
1.1.7 Verspätungsvermeidend verhalten
Fahrgäste können die Wahrscheinlichkeit von Verspätungen verringern oder deren Folgen abmildern.
• Zügig ein- und aussteigen.
• Am Bahnsteig dort stehen, wo Sie reserviert haben.
• Am Bahnsteig nicht im Pulk warten, sondern gleichverteilt über die gesamte Zuglänge.
• Nicht in sich gerade schließende Türen hineinlaufen oder die Abfertigung verzögern (vgl. Kapitel 6.3 in Band 2 und 4.13 in Band 1).
• Sicherheitsrelevante Eingriffe in den Bahnverkehr unbedingt vermeiden (vgl. Kapitel 12).
• Anderen Reisenden helfen, sofern offensichtlich nötig und gewünscht.
1.2 Was die Bahn tut
Es macht einen Großteil der täglichen Arbeit der Eisenbahn-Verkehrs-Unter- nehmen und der Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen aus, Verspätungen zu vermeiden, Fahrgäste und Betriebspersonal darüber zu informieren und deren Folgen und Wechselwirkungen gering zu halten.
Die Maßnahmen sind so vielfältig wie die Ursachen, die zu Verspätungen führen (vgl. Kapitel 13 „Einflüsse auf die Bahn“).
Wenn Sie als Fahrgast eine Verspätung erleben, dann arbeiten im Hintergrund immer mehrere Menschen daran, diese zu beheben oder zumindest darüber zu informieren und weitere negative Folgen abzuwenden. Und viele Verspätungen sind erst gar nicht entstanden, weil vorbeugende Maßnahmen wirksam waren.
1.2.1 Information der Fahrgäste
Alle Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen und Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen sammeln ständig die Informationen zu jeder gerade stattfindenden Zugfahrt und bereiten diese für verschiedene Informationsmedien auf. Konkret geht es bei verspäteten Zügen um die derzeitige Verspätung und die Prognosen für die weiteren Bahnhöfe und um den Grund der Verspätung. Im Endergebnis erhalten die Fahrgäste im Zug, im Bahnhof, im Internet und über entsprechende Apps für die meisten aktuell verkehrenden Züge Echtzeitinformationen – je nach Möglichkeit sowohl optisch als auch akustisch.
Abbildung 2: Auch auf den Monitoren an den Bahnsteigen wird die voraussichtliche Verspätung mitgeteilt. [Copyright Frank Hole]
1.2.2 Disposition der Züge und Personale
Ein verspäteter Zug birgt immer das Risiko, dass er zusätzlich andere Züge verspätet. Deswegen arbeiten die Disponenten daran, dass diese Folgewirkungen möglichst selten eintreten: Sie setzen je nach Höhe der Verspätung zusätzliches Personal ein, tauschen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus, legen ggf. zusätzliche Züge ein, und manchmal lassen Sie verspätete Fahrten ganz oder teilweise ausfallen, um das Gesamtsystem wieder pünktlicher werden zu lassen oder alternativ keine Unpünktlichkeit auf andere Fahrten zu übertragen.
1.2.3 Betriebliche Spielräume nutzen
Auf Strecken, deren Fahrplan relativ großzügig geplant wurde, bestehen gewisse Spielräume, Verspätungen wieder einzuholen. Lokführer setzen im Falle von Verspätungen alles daran, diese Spielräume zu nutzen und wieder pünktlicher zu werden. Konkret reizen sie dann nach Möglichkeit zulässige Höchstgeschwindigkeiten aus, verkürzen Aufenthalte in Bahnhöfen und wenden an Endbahnhöfen zügiger.
1.2.4 Verspätungsursache beheben
Je nach Ursache ist es möglich und notwendig, die Verspätungsursache möglichst schnell zu beheben, damit sich nicht noch weitere Züge verspäten. Wenn beispielsweise eine Signalstörung die Ursache ist, dann kümmern sich ganz unterschiedliche Personale des Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmens darum, die Leit- und Sicherungstechnik schnellstmöglich wieder funktionsfähig zu machen. Wenn Personen im Gleisbereich gesichtet wurden, arbeiten Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen, Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen und Bundespolizei gemeinsam daran, dass diese aufgegriffen werden, sodass die Strecke wieder mit normaler Geschwindigkeit befahren werden kann.
1.2.5 Vorausschauend planen
Vorbeugend lassen sich durch eine vorausschauende Planung etliche Verspätungen minimieren oder gar vermeiden. Dies gilt beispielsweise für einen Hauptverspätungsgrund – die Baustellen. Je nach Konzept erweisen sich Baustellenfahrpläne als sehr störanfällig – und das kann ein Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen zusammen mit dem Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen oft schon vorher abschätzen und entsprechend anders planen, sofern die Spielräume gegeben sind (vgl. Kapitel 13.1 Bauarbeiten).
1.2.6 Reserven einsetzen
Manche, zumeist große Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen haben sich gewisse Reserven an Fahrzeugen und Bereitschaften beim Fahrpersonal aufgebaut. Diese können dann im Bedarfsfall eingesetzt werden. So einfach es klingt: In der Praxis ist dies wesentlich schwieriger umzusetzen. Das liegt nicht nur an der Frage, ob der Standort dieser Fahrzeuge und Personale günstig gelegen ist, sodass für einen verspäteten Zug ein Ersatz im regulären Fahrplan fahren kann. Noch wesentlich schwieriger ist es, über diese Fahrzeuge und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt zu verfügen. Das ist eine eindeutig finanzielle Frage, da Ausschreibungen derzeit solche Reserven nur in Ausnahmefällen vorsehen.
1.2.7 Aufklärung über Verspätungsursachen
Die Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen führen je nach Notwendigkeit teils aufwendige Kommunikationsmaßnahmen durch, um fahrgastbedingte Verspätungen nicht entstehen zu lassen (vgl. Kapitel 13.2 „Fahrgäste“).
1.2.8 Analysieren und Maßnahmenpläne erarbeiten
Alle Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen führen Statistiken über Verspätungsursachen und -folgen. So ist es möglich, bestimmte Situationen zu simulieren, deren Ergebnisse – zusammen mit dem Sachverstand von Fahrpersonal, Disponenten, Fahrdienstleitern und Datenanalytikern – letztlich in Maßnahmenplänen münden, die im Idealfall gute Wirkung zeigen. Beispiele hierfür sind der Einsatz von Einstiegslotsen in bestimmten S-Bahnsystemen, der leuchtende Bahnsteig, Aufkleber zum Verhalten beim Ein- und Aussteigen, Engpass-Management, dispositive Regeln bei Verspätungen, Anschlussregelungen, Wendezeitregelungen, der planmäßige Einsatz von zwei Fahrpersonalen oder die Durchführung „überschlagener“