Tod in Amsterdam. Ben KossekЧитать онлайн книгу.
aber auch technische Manipulationen an Fahrzeugen waren Gegenstand der alltäglichen Arbeit der KTU-Kollegen.
Gunnar Stenzel, der gerade mit dreiviertel seines Körpers im Kofferraum des Audi verschwunden war, kam leicht seufzend wieder zum Vorschein.
„Danke der Nachfrage, Alex, wie immer. Keine besonderen Vorkommnisse“, antwortete Stenzel lässig im Jargon der „kämpfenden Truppe“. Er hatte als Zeitsoldat jahrelang den Fuhrpark der Kaserne gewartet und einsatzbereit gemacht, während er parallel dazu ein Studium in Fahrzeugtechnik bei der Bundeswehr mit Bravour absolvierte. Sein Vorhaben, nach der Dienstzeit in die Autoindustrie zu wechseln, wurde durch einen Zufall verhindert. Ein guter Bekannter fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, in der Kriminaltechnischen Abteilung der Polizei mitzuarbeiten, denn dort brauche man immer kompetente Leute wie ihn. Das Angebot war am Ende so verlockend, dass er zusagte und seitdem allen nur erdenklichen Spuren nachjagte, die zur Aufklärung von Verbrechen dienen konnten. Gunnar Stenzel war mit großer Sicherheit der gründlichste Kriminaltechniker, den Alex Berger bisher kennengelernt hatte. Ihm eilte der beinahe schon legendäre Ruf voraus, sogar die vielzitierte Stecknadel im Heuhaufen aufspüren zu können.
„Arndt meinte, hier waren Profis am Werk. Nun, ich bin mir da nicht mehr so sicher“, ergänzte Stenzel. „Es sei denn, dass sie bei ihrem Vorhaben gestört wurden, worauf auch wieder einiges hindeutet.“
„Weshalb? Hast du denn irgendwelche Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen?“
„Kann man wohl so sagen. Im Inneren des Wagens haben wir überall Brandbeschleuniger gefunden und den leeren Kanister gleich dazu. Als wir den Wagen fanden, waren zwei der vier Türen nur angelehnt, das Fahrzeug war also gar nicht verschlossen. Man wollte das Fahrzeug wohl in Brand stecken, um Spuren zu verwischen. Aber offensichtlich sind die Typen dabei gestört worden, denn dazu kam es nicht mehr! In meinen Augen nicht sehr professionell. Fingerabdrücke leider Fehlanzeige, nur die von Kleinschmidt und einige kleinere Abdrücke, ich denke mal, von der Frau und den Kindern. Die Reifenspuren vom Tatort im Deutzer Hafen sind leider nicht identisch mit dem Profil des Audi, das war aber auch nicht anders zu erwarten.“
„Dann gab es aber möglicherweise Zeugen am Supermarkt-Parkplatz! Haben wir in Bezug auf die Reifenspuren Hinweise auf das Entführer-Fahrzeug vom Tatort im Deutzer Hafen?“ fragte Scheuer.
„Allerdings. Das Reifenprofil vom Hafen passt zu einem 20-Zoll-Michelin. Der GLE 63, Baujahr 2015 mit AMG-Fahrwerk, Baureihe W 166 von Mercedes Benz wurde zum Beispiel von Beginn an serienmäßig damit ausgestattet – möglicherweise ein Fahrzeugtyp, auf das ihr euer Augenmerk richten solltet.“
„Gunnar, du bist doch der Beste!“ strahlte Jan Scheuer.
„Langsam, Jungs. Das ist noch nicht alles, denn das Beste kommt wie immer zuletzt! Kommt mal mit!“ Mit einem bemerkenswert zufriedenen Gesichtsausdruck ging Stenzel in Richtung seines Büros, das sich im hinteren Bereich der Halle befand. Berger und Scheuer folgten ihm.
„Das haben wir noch im Wagen von Robert Kleinschmidt gefunden!“ Mit diesen Worten hielt er triumphierend zwei in durchsichtige Folie eingeschweißte Gegenstände in die Höhe, die auf seinem Schreibtisch nur darauf gewartet hatten, präsentiert zu werden. Der erste war eine Aktentasche mit oben offenem Reißverschluss, der zweite ein Lederarmband, das zerrissen war. „Die Tasche war zwar leer, aber am Reißverschluss konnten wir weitere DNA-Spuren feststellen, ebenso an diesem Armband, das wohl bei dem Handgemenge zerrissen wurde und zwischen Fahrersitz und Mittelkonsole gerutscht war. Und: die DNA-Spuren stammen von zwei verschiedenen Personen, beide nicht vom Opfer und, jetzt kommt’s: Nur eine DNA war identisch mit denen unter Kleinschmidts Fingernägeln!“
„Aber das bedeutet ja …“ begann Berger, bevor ihm Stenzel mit überlegenem Unterton in der Stimme das Wort abschnitt.
„Natürlich, mein Guter! Es waren mindestens drei Entführer. Alles klar?“
„Das nenne ich mal eine gute Arbeit, Gunnar! Sie haben wohl in der Aktentasche etwas gefunden, hinter dem sie her waren, wahrscheinlich irgendwelche Dokumente oder Fotos. Haben wir noch neue Informationen über die Mordwaffe, die bei Kleinschmidts Erschießung verwendet wurde?“
Wie „aus der Pistole geschossen“ folgte Gunnar Stenzels Antwort. „Aber ja doch, wir haben das Projektil nach einigem Suchen zwischen den Containern in der Erde gefunden. Kaliber 9 mal 19, Vollmetallmantel, auch bekannt als Parabellum. Leider ist es das mit Abstand am meisten verwendete Geschoss. Die Mordwaffe könnte demnach eine Beretta, eine Luger, eine Glock, eine belgische FN oder eine Werweißwas sein! Auch einige Waffentypen aus dem Ostblock verwenden diese Munition. Da kann ich nur sagen, viel Spaß bei der Suche! Das Projektil wird gerade drüben von den Ballistikern auf die üblichen charakteristischen Merkmale untersucht. Das war`s erstmal für den Augenblick, Jungs. Wir sagen euch natürlich sofort Bescheid, sollten wir noch etwas finden.“
„Danke, Gunnar. Und gib` uns die Ergebnisse später rüber.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Berger, während Scheuer mit einem anerkennenden Grinsen lässig einen Daumen in die Höhe hielt und Berger auf dem Weg ins Büro folgte.
Die neuen Erkenntnisse mussten nun in ihre Ermittlungen mit einbezogen werden, und außerdem stand noch der Besuch bei der Brunex AG auf dem Plan. So wie es aussah, gab es nun jede Menge Arbeit! Aber eine Frage wollte Alex Berger immer noch nicht aus dem Kopf: Weshalb wurde Robert Kleinschmidt ausgerechnet auf dem Gelände dieser Metallhandelsfirma im Deutzer Hafen erschossen? Warum hatten die Täter den unkalkulierbar weiten Weg vom Supermarkt-Parkplatz bis hin zum Deutzer Hafen auf sich genommen? Es musste hier einfach noch einen Zusammenhang geben, den sie bei Ihren bisherigen Überlegungen übersehen hatten.
Als sie wieder das Büro betraten, blieb Berger plötzlich stehen. Die Erkenntnis kam wie aus heiterem Himmel. Natürlich – es gab nur eine Erklärung für die Auswahl des Tatorts! Die Täter oder zumindest einer von ihnen kannten die Örtlichkeiten! Aber woher nur? Er teilte seine Vermutung Jan Scheuer mit. Dieser verzog nachdenklich das Gesicht und verfolgte den Gedanken weiter:
„Entweder kennen die Täter Stoll und seine Firma – oder mindestens einer von Ihnen hat vielleicht sogar dort gearbeitet. Ich glaube, wir müssen Stoll noch einmal einen kleinen Besuch abstatten, oder was meinst Du?“
10.
Seit seinem „konspirativen Treffen“ mit dem Journalisten hatte Klaus Behrends ständig das Gefühl, beobachtet und verfolgt zu werden. Er war es gewohnt, die Augen offen zu halten und hatte immer noch dieses sensible, unbestimmte Gefühl für Dinge oder Situationen, die nicht in Ordnung zu sein schienen. Das brachte seine damalige Arbeit als Hauptkommissar bei der Kripo so mit sich. Und dieses Gefühl war auch in den letzten Jahren, seitdem er dem Polizeidienst den Rücken gekehrt hatte und als privater Ermittler arbeitete, nicht verschwunden. Im Gegenteil – es war eher noch stärker geworden, wohl in dem Wissen, dass er jetzt nur noch auf sich alleine gestellt war, wenn es Mal darauf ankam. Es gab noch nichts Konkretes, was er bemerkt und was dieses ungute Gefühl in ihm bestätigt hätte, aber er wusste, dass er sich auf sein inneres Alarmsystem und seine feinen Antennen verlassen konnte!
Möglicherweise war es ja der schwarze Mercedes-SUV, den er in den letzten vierundzwanzig Stunden schon zum zweiten Mal beobachtet hatte, aber vielleicht war es auch nur Einbildung. Er konnte noch so sehr nach Erklärungen suchen und sich einreden, er habe sich getäuscht. Dieses verräterische Kribbeln in der Magengrube wollte einfach nicht mehr aufhören!
Klaus Behrends nahm sich vor, auch weiterhin besonders wachsam zu sein. Er hatte zur Sicherheit Kopien von allen Ermittlungsunterlagen angefertigt, die er dem Journalisten übergeben hatte. Schließlich musste er sicherstellen, dass diese überaus wichtigen Informationen nicht verloren gingen oder aber den falschen Leuten in die Hände fielen. Das durfte auf keinen Fall passieren!
Also hinterlegte er schon vor Tagen, lange vor dem Treffen mit diesem Brandstetter, einen zweiten Koffer mit allen Kopien bei einem Notar in Düsseldorf. Sollte ihm etwas zustoßen, würde der Notar den Aktenkoffer in die richtigen Hände weiterleiten. Für diesen Fall hatte er klare Anweisungen hinterlassen. Klaus Behrends würde es nicht zulassen, dass der hinterhältige Mord an seinem langjährigen