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Du bist ok, so wie du bist. Katharina SaalfrankЧитать онлайн книгу.

Du bist ok, so wie du bist - Katharina Saalfrank


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Du bist nicht o. k., so wie du bist – es ist eine persönliche DEMÜTIGUNG, die zu einer Beschädigung des Selbst dieser Kinder führt und sie in ihrer seelischen Entwicklung stark beeinträchtigt. Dadurch kann es langfristig zu schweren ENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN kommen.

      »Aggression, Wut und weitere Gewalt werden später dauerhaft Bestandteil in eigenen Beziehungen sein.«

      Beide Kinder drücken ihren Schmerz mit lautem Weinen aus. Dies hat zwei Gründe. Zunächst sind sie erschrocken über den unerwarteten Schmerz, den ihnen eine nahe, sonst so liebevolle Bezugsperson zugefügt hat. Dieser Person vertrauen sie ansonsten bedingungslos. Umso größer ist der jetzt empfundene Schmerz. Die Tränen drücken jedoch auch Schuldgefühle und die Empfindung von SCHAM angesichts der erfahrenen Entwürdigung aus. Dies spüren Kinder in jedem Alter. Später kann dieses Gefühl umschlagen in VERACHTUNG der einst vertrauten und geliebten Bezugsperson. Schwierig wird es auch, wenn Kinder aufgrund der erlebten Reaktion der Umwelt ihre Gefühle irgendwann für sich behalten und sie nicht mehr zum Ausdruck bringen, denn dann ist das Vertrauen nachhaltig gestört.

      Oft reagieren Eltern nicht nur auf das »Fehlverhalten« der Kinder mit Vorwürfen und Drohungen, sondern schimpfen und kritisieren sie auch noch wegen der folgenden Tränen. Dies stellt eine weitere Kränkung des Kindes dar. Es empfängt folgende Botschaft: Nicht nur mein Verhalten war verkehrt und hat Mutter / Vater gekränkt, auch mein Gefühl, die aufkommende Trauer, ist falsch und wird negativ bewertet.

      Diese stark emotionalen Erfahrungen werden gespeichert, miteinander gekoppelt und führen so im Gehirn zu bestimmten Vernetzungen, die die Betroffenen im Erwachsenenalter dann die erlebte Gewalt weitergeben lassen werden. Diese Mechanismen sind oft subtil und müssen sich nicht immer im sichtbaren Ausagieren von Gewalt manifestieren. Manchmal verdrängen Betroffene die erlittenen Demütigungen und Kränkungen sogar und glauben sich an eine gute Kindheit zu erinnern. Dennoch bringen genau diese verdrängten Erfahrungen die Menschen dann später dazu, ebenjene Gewalt, die sie selbst erfahren haben, als Erziehungsmittel einzusetzen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen starren Automatismus, sondern um ein erkennbares Muster. Wir sind unseren Erfahrungen nicht hilflos ausgeliefert. Kommt ein innerer Prozess der Selbsterkenntnis in Gang, haben wir die Chance, diese erlebten Muster zu unterbrechen.

      Alice Miller hat schon vor Jahrzehnten aus psychoanalytischer Sicht eindrucksvoll nachgewiesen, dass »Klapse« die kindliche Entwicklung aus verschiedenen Gründen beschädigen: Sie …

       … bringen dem Kind Gewalt bei. Denn die Eltern fungieren als Vorbild!

       … zerstören beim Säugling und Kleinkind die unersetzliche Sicherheit, geliebt zu werden. Das Urvertrauen ist gestört – wie man auch beim Erwachsenen später erleben kann.

       … erzeugen Ängste beim Kind. Die Erwartung der nächsten Strafe ist immerzu präsent. Die Beziehung ist also nicht von Liebe und Vertrauen, sondern von Angst geprägt, und das Kind befindet sich im Dauerstress.

       … zerstören das Mitgefühl und die Sensibilität für andere und für sich selbst. Desensibilisierung ist die Folge. Die Fähigkeit, Empathie zu entwickeln, das heißt, sich einzufühlen, ist nicht gegeben oder wird zerstört. Ein inneres Wachstum ist nicht möglich, und die Entwicklung des Kindes wird beeinträchtigt.

       … produzieren Ärger und Wut beim Kind und den Wunsch nach »Rache«. Der Wunsch, zunächst oft noch unterdrückt, richtet sich dann entweder gegen Geschwister oder auch gegen andere Personen. Oft können diese unterdrückten Wutgefühle auch erst im Erwachsenenalter ihren destruktiven Ausdruck finden, dann aber oft heftig.

       … erhalten eine Lüge aufrecht, indem vorgegeben wird, erzieherisch zu wirken. Im Grunde aber strafen die Eltern zumeist, weil sie als Kinder selbst geschlagen wurden und unbewusst etwas selbst Erlebtes wiederholen.

       … zwingen das Kind, unlogische Argumente zu akzeptieren. »Wenn ich dir wehtue, geschieht es zu deinem Besten!« So wird das Kind »programmiert«, den Schmerz der Demütigung als nicht schmerzhaft zu registrieren (Desensibilisierung!).

      Die gern als harmlos klassifizierten »Klapse« schädigen Kinder also nachhaltig und sind eben nicht so harmlos, wie oft behauptet wird.

      Die Botschaften an das Kind, die selbst durch vermeintlich »leichte« Schläge gesendet werden, sind also vielschichtig und fatal (siehe >). Das Kind erfährt keinen Respekt, keine Wertschätzung und wird in seinem Urvertrauen tief erschüttert. Es wird fortan, wenn es auf die Eltern reagiert, häufig nur aus Angst handeln. Das Kind lernt, dass es den eigenen Schmerz nicht fühlen darf, dass dieser vielmehr ignoriert werden muss. Seine PSYCHE und sein IMMUNSYSTEM werden auf diese Weise nachhaltig geschädigt. Denn wenn Kinder in solch einer lieblosen Atmosphäre aufwachsen, muss der Organismus permanent mit Stress umgehen.

      Dauerhafter Stress schwächt den Körper und macht krank

      Hierfür produziert unser Körper ein lebenswichtiges Hormon: das CORTISOL. Es wird in der Nebenniere gebildet, versorgt den Körper mit Kraft und wirkt dabei an vielen verschiedenen Stellen im Körper, zum Beispiel auf das Immunsystem. Wenn wir nun aber dauerhaftem Stress ausgesetzt sind, kommt es irgendwann zu einer sogenannten Nebennierenschwäche und zu einem daraus resultierenden Cortisolmangel (da die Nebenniere nicht mehr ausreichend Cortisol produzieren kann). Die Folgen sind unter anderem Anfälligkeit für Infekte, Asthma, Schwindel, Depression, Burn-out, Angstzustände, Lebensmittelallergien, Nervosität, Haarausfall und Verdauungsstörungen. Ein vollständiges Fehlen von Cortisol kann sogar zum Tod führen.

      Gewalt – ein gesellschaftliches Thema

      Das Kind lernt durch »Klapse« und andere Formen von Gewalt durch Bezugspersonen, dass Liebe und Gewalttätigkeit miteinander vereinbar sind. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass das Kind als Erwachsener selbst diese Gewalt seinen Kindern gegenüber weitergibt. Die Weigerung, einen Zusammenhang zwischen der frühkindlich erfahrenen Gewalt und der aktiv wiederholten Gewalt der Erwachsenen zu sehen und verstehen zu wollen, erklärt nicht zuletzt auch die grundsätzliche Ignoranz der Gesellschaft dem Thema Gewalt gegenüber.

      »›Ein Klaps hat noch keinem geschadet!‹ Wer so etwas sagt, hat mit großer Wahrscheinlichkeit, physisch oder psychisch, selbst gewaltvolle Erfahrungen gemacht – und beweist mit diesem Satz das Gegenteil, nämlich, dass ein Klaps durchaus schaden kann.«

      Veränderung dauert. Sie dauert auch, weil wir als Gesellschaft nicht bereit sind, das Wissen, das wir gewonnen haben, anzuwenden und Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für unser Handeln und Tun den Kindern gegenüber.

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