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Der Tempel der Drachen. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.

Der Tempel der Drachen - Frank Rehfeld


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brauchten nicht besonders weit zu gehen. Baron Brass bewohnte einen eigenen Flügel des Schlosses, vor dessen Zugang ebenfalls Wachen standen. Die beiden Ishar verabschiedeten sich, nachdem Maziroc versprochen hatte, sie später zu besuchen. Diener führten Aylon und ihn in einen Saal, dessen Einrichtung fast nur aus einer langen Tafel bestand. Teppiche mit der Darstellung von Jagdmotiven bedeckten die Wände. Vier Personen saßen an der Tafel. Zwei davon waren Frauen, die eine von ihnen noch ein Mädchen, nicht älter als Aylon selbst. Der Mann am Kopfende erhob sich und kam ihnen entgegen.

      "Maziroc, seid willkommen. Wir hatten Euch schon gestern erwartet." Er schüttelte den Magier die Hand, ehe er sich Aylon zuwandte. "Und Ihr müsst Aylon sein." Brass war ein schlanker Mann um die Fünfzig, vielleicht etwas älter. Auch er trug ein reich mit Stickereien verziertes Gewand, jedoch war es wenigstens nicht ganz so schreiend bunt, wie die der Leute, die Aylon auf dem Weg hierher begegnet waren. Die dunklen Haare trug er streng zurückgekämmt, was sein ohnehin schmales Gesicht fast hager erscheinen ließ. Seine Augen verrieten Intelligenz - keine abgeklärte Weisheit und auch keine Bauernschläue, sondern einfach die Intelligenz eines Mannes, der gebildet und fähig war, sich abseits vorgefertigter Meinungen seine eigenen Gedanken zu machen.

      Aylon erwiderte den Gruß des Barons und ließ sich von ihm zur Tafel führen. "Meine Frau Anin und Lerina, meine Tochter. Und das ist Larmoun, der uns die Ehre gegeben hat, heute mit uns zu speisen", erklärte Brass in einer Sprechweise, die er selbst für vornehm halten mochte, die Aylon jedoch lediglich geschwollen vorkam. "Maziroc brauche ich wohl nicht vorzustellen. Sein Begleiter ist Aylon, ein Mündel der Ishar."

      "Seine Eltern waren Edelleute einer kleinen Grafschaft im südlichen Aslan", ergänzte Maziroc. "Sie starben bei einem Überfall durch Wegelagerer."

      Aylon bemühte sich, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Wie es seine Art war, hatte es Maziroc wieder einmal unterlassen, ihn in Einzelheiten seines Plans einzuweihen. Einen Moment lang fragte er sich, wie viel an der Geschichte der Wahrheit entsprach. Vermutlich nicht viel, sonst hätte der Magier nicht so ein Geheimnis darum gemacht. Er verbeugte sich höflich vor den beiden Frauen, musterte sie jedoch nur kurz, denn sein Blick wurde wie magisch von Larmoun angezogen, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Larmoun war ein Magier. Um das zu erkennen, bedurfte es nicht erst seiner grünen Augen; deutlich spürte Aylon seine mentale Ausstrahlung. Was ihn jedoch viel mehr faszinierte, war die unglaubliche Schönheit des Magiers. Das Gesicht war formvollendet: weich und kühn zugleich, voller markanter Härte und doch auch voller Anmut. Wie eine Götterstatue, dachte Aylon. Aber wenn, dann handelte es sich um den Gott der Künste. Larmouns Augen blitzten verwegen, und sein gelocktes Haar war sehr hell, fast so weiß wie sein Hemd und der Umhang.

      Aylon blinzelte ein paarmal. Es fiel ihm schwer, sich vom Anblick des Magiers loszureißen. Er hatte sich niemals stärker als normal zu Männern hingezogen gefühlt, dennoch konnte er Larmoun nur bewundernd anschauen. Wie ihm auffiel, war er jedoch nicht der Einzige, dem es so erging. Lerinas Blick hing wie gebannt an dem Magier, und die Baronin sah ihn ebenfalls immer wieder an. Auch ohne auf seine Magie zurückzugreifen, hatte er durch seine bloße Schönheit einen geradezu betörenden Zauber gewoben.

      "Ihr seid ein Magier, aber kein Ishar", sagte Maziroc. Es klang eine Spur zu beiläufig, um den lauernden Unterton in seiner Stimme völlig zu verbergen.

      "Das stimmt", antwortete Larmoun. Seine Stimme klang so angenehm, fast melodisch, wie es sein Aussehen erwarten ließ. Kann ein Mensch wirklich so perfekt sein?, dachte Aylon, zwischen Bewunderung und Neid schwankend. "Ich bin nicht gern an irgendwelche Regeln oder Gemeinschaften gebunden, sondern gehe lieber meinen eigenen Weg. Ich hoffe, das macht uns nicht zu Feinden?"

      "Nicht, solange Eure Regeln es nicht tun", entgegnete Maziroc mit feiner Ironie in der Stimme. "Wir sind ein Orden, keine Zunft, die Anspruch auf eine Zwangsmitgliedschaft erhebt. Außerdem sollen sich eine Menge freier Magier in Maramon aufhalten. Und auch solche des Dunklen Bundes."

      "Mit den Caer-Sharuun habe ich so wenig zu schaffen wie mit den Ishar", sagte Larmoun. "Höchstens die Vingala interessieren mich, jedenfalls wenn sie jung und knackig sind." Er blinzelte verschwörerisch mit einem Auge und lachte voller unbefangenem, jugendlichem Charme. Lerina, das Mädchen an seiner Seite, zog einen Schmollmund, doch niemand beachtete sie.

      Verwirrt erkannte Aylon, dass sich hinter der vordergründig so harmlos anmutenden Plauderei und den Spitzfindigkeiten der Magier auf beiden Seiten etwas ganz anderes verbarg. Es war anders, als bei der Begegnung mit dem Caer-Sharuun in Largon, kein geistiger Kampf, sondern mehr ein gegenseitiges Taxieren und Prüfen auf einer Ebene, zu der selbst er keinen Zugang fand. Die Abneigung, die beide einander entgegenbrachten, war unverkennbar.

      Hinter Larmoun bewegte sich etwas, und erst jetzt entdeckte Aylon die beiden Gestalten, die dort standen. Sie waren von Kopf bis Fuß in Panzer aus dunklem, matt schimmerndem Horn gehüllt, verbargen sogar ihre Gesichter hinter heruntergeklappten Visieren. Obwohl ihre aus unzähligen einander überlappenden Schuppen gefertigten Rüstungen sich deutlich von dem helleren Wandbild hinter ihnen abhoben, schienen sie auf unerklärliche Weise mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, sodass Aylon sie erst richtig wahrnahm, nachdem er einmal auf sie aufmerksam geworden war.

      Dann begriff er, dass er sie geistig nicht spüren konnte.

      Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Magie war für ihn zu einem festen Bestandteil seiner Wahrnehmungen geworden, beinahe ebenso wichtig wie Augen und Ohren. Auch ohne jemanden zu sehen, wusste er, dass er da war, schon bevor er einen Raum betrat. Er brauchte nicht einmal bewusst darauf zu lauschen, sondern sein Gehirn verarbeitete die einströmenden Impulse ebenso unterschwellig wie ein Geräusch, einen Geruch oder eine Berührung. Die beiden Gestalten jedoch sandten keinerlei mentale Impulse aus, als wären sie nur leere Rüstungen, aber er wusste, dass sie es nicht waren, denn obwohl sie jetzt wieder zur Regungslosigkeit erstarrten, hatte einer von ihnen sich unzweifelhaft bewegt. Noch einmal tastete er nach ihnen, doch abermals glitten seine geistigen Fühler ins Leere.

      "Habt keine Angst vor den Hornmännern", sagte Baron Brass, als er Aylons Erschrecken bemerkte. "Sie gehorchen Larmoun. Eine Art Garde."

      "Ich habe noch nie gehört, dass sich Hornmänner jemandem unterwerfen", meinte Maziroc und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: "Habt Ihr Feinde, dass Ihr einen solchen Schutz braucht?"

      "Ich stamme aus der Nordermark", entgegnete Larmoun. "Auch für einen Magier ein gefährliches Land, nicht nur wegen der Damonen. Die großen Clansburgen wurden zwar vernichtet, aber die Macht der Clans ist deshalb noch lange nicht gebrochen. Ich habe einige Hornmänner vor der Hinrichtung bewahrt, und dafür haben sie mir die Treue geschworen. Bessere Leibwächter als sie kann man sich nicht wünschen."

      "Setzt Euch doch und esst mit uns", sagte Baron Brass. "Ich werde sofort zwei weitere Gedecke auftragen lassen."

      "Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich mich lieber erst etwas ausruhen", sagte Aylon rasch.

      "Natürlich, wie Ihr wünscht. Lerina, zeige unseren Gästen ihr Zimmer."

      Das Mädchen nickte, riss sich mit sichtlichem Unwillen vom Anblick Larmouns los und stand auf. Aylon musterte es genauer. Goldene Locken rahmten Lerinas Gesicht ein. Ihre Augen glänzten in tiefem Blau, die Brauen darüber waren ebenso sanft geschwungen, wie ihre Lippen. Sie war unbestreitbar hübsch, und sie bewegte sich voller Grazie, trotzdem mochte Aylon sie nicht. Ihrem Gesicht fehlte die Natürlichkeit, es wirkte puppenhaft: zwar schön, aber kalt, ohne Leben. Zudem drückten ihre Körperhaltung und vor allem ihr Blick Hochmut aus, und sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie Aylon nur als lästigen Störenfried betrachtete, während sie Maziroc gegenüber immerhin Respekt zu empfinden schien. Auf der Schwelle eines Zimmers, das - wie scheinbar alles in diesem Schloss - mit übermäßigem Prunk eingerichtet war und Aylon selbst für zwei Menschen fast unbehaglich groß erschien, blieb sie stehen. "Ich hoffe, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit. Wenn Ihr noch einen Wunsch habt, dann läutet nach den Dienern." Sie deutete auf eine Kordel neben dem Kamin und schloss die Tür.

      "Warum hast du diese Geschichte über meine Herkunft erfunden?", wandte sich Aylon an Maziroc, sobald sie allein waren. "Oder ist etwas davon wahr?"

      "Nein,


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