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Der Tempel der Drachen. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.

Der Tempel der Drachen - Frank Rehfeld


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      "Warum erzählst du ..."

      "Nach deiner Magierweihe", fiel ihm Maziroc barsch ins Wort. Er trat ans Fenster und wechselte abrupt das Thema. "Was hältst du von Larmoun?"

      Aylon zögerte. "Ich ... mag ihn", gestand er. "Aber du anscheinend nicht, oder?"

      "Mein Urteil ist nicht besonders gerecht, denn ich bin allen freien Magiern gegenüber misstrauisch. Manchmal vielleicht zu sehr, aber viele von ihnen sympathisieren mit den Ansichten des Dunklen Bundes, selbst wenn sie ihm nicht angehören." Er zögerte kurz. "Trotzdem muss ich zugeben, dass mir Larmouns offene Art gefällt. Vielleicht bin ich einfach zu voreingenommen."

      "Seine Begleiter, diese Hornmänner, sind mir wesentlich unheimlicher, als er selbst. Sie ... sie denken nicht."

      "Unheimlich?" Maziroc lachte leise. "Und das musst gerade du sagen?"

      "Ich ..." Aylon verstummte, denn er wusste, dass Maziroc im Prinzip recht hatte. Er empfand Angst vor den Clanskriegern, weil er sie mit seinen Gedanken nicht erfassen konnte, und damit tat er genau das Gleiche, worunter er umgekehrt in den letzten Jahren so gelitten hatte. Aber es gab einen Unterschied: Er hatte sich nie in Rüstungen versteckt, sondern war offen auf andere zugegangen und hatte versucht, mit ihnen zu reden, um das Unbehagen abzubauen.

      "Bei den Clansmännern gibt es für dieses Phänomen übrigens eine ganz einfache Erklärung", sagte Maziroc. "Der Hornpanzer schirmt ihre Ausstrahlung ab und saugt sie auf, sodass nichts davon nach außen dringt. Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Larmoun sie sich unterworfen hat. Hornmänner dienen nur ihren Clansfürsten, daran hat sich auch durch den Fall der mächtigen Clansburgen nichts geändert. Sie terrorisieren die Nordermark noch genauso schlimm wie früher. Um sie sich zu unterwerfen, muss Larmoun ihren Willen völlig gebrochen haben. Viel mehr beunruhigt mich im Moment aber der große Einfluss, den er besitzen muss, wenn sogar Baron Brass ihn so ehrenvoll empfängt."

      "Brass ist ..."

      "... einer der bedeutendsten Männer hier in Maramon", vollendete Maziroc. "Ich weiß, durch sein Aussehen und sein Verhalten unterschätzt man ihn leicht, aber das ist ein Fehler, vor dem du dich hüten solltest. Er ist der Vorsitzende des Rates und besitzt wahrscheinlich mehr Macht, als der Fürst selbst. Argar ist nur ein einfältiger Barbar, der zufrieden ist, wenn er seine Ruhe hat und Feste geben kann, genau wie sein Vater. Brass hingen ist hochintelligent, und er vertritt in vielerlei Hinsicht die gleichen Ansichten wie wir Ishar, deshalb unterstützen wir ihn. Mit seiner Hilfe werden wir vielleicht erreichen, dass der Rat irgendwann frei vom Volk gewählt wird. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg."

      Es klopfte an der Tür, und ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat Lerina ein. In der Hand hielt sie ein helles Bündel. "Ich soll Euch von meinem Vater ausrichten, dass Fürst Argar von Eurem Kommen gehört hat und Euch zu Ehren heute Abend ein Fest gibt." Etwas schnippisch ergänzte sie: "Aber das tut er schon seit zwei Wochen, weil jeden Tag bekannte Gäste eintreffen." Sie trat an das Bett, neben dem Aylon stand und legte das Bündel darauf. "Hier habe ich neue Kleidung für Euch. Ihr wollt vermutlich nicht angezogen wie ein Bauerntölpel auf dem Fest erscheinen."

      Aylon ballte die Fäuste und schaute ihr wütend nach, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. "Eingebildetes Miststück", schimpfte er. "Sie glaubt wohl noch, dass ich ihr für ihre Almosen dankbar wäre? Ich brauche keine neuen Kleider, und schon gar nicht dieses affige Zeug!"

      "Die Kleidung habe ich besorgen lassen", erklärte Maziroc amüsiert. "Und zumindest in einer Hinsicht hat sie recht: Deine Sachen mögen für eine Reise praktisch sein, aber so kannst du dich nicht bei einem so festlichen Anlass blicken lassen. Sie sind schmutzig und zerrissen, außerdem stinken sie. Vergiss nicht, dass wir hier nur Gäste sind. Ein wenig sollten wir uns den Sitten unserer Gastgeber schon anpassen, findest du nicht?"

      "Wenn du meinst", seufzte Aylon wenig überzeugt. Widerstrebend und mit spitzen Fingern, als könnte er sich daran verbrennen, faltete er das Bündel auseinander. Eingeschlagen in einen braunen Umhang mit hohem Kragen fand er ein weißes Rüschenhemd und eine beigefarbene Hose, zusätzlich kniehohe Stiefel aus feinem, weichen Leder. Bis auf die Rüschen am Hemd kamen die Sachen weitgehend ohne den Zierrat aus, den er so verabscheute. Sie waren nicht annähernd so schlimm, wie er befürchtet hatte; er musste sich sogar eingestehen, dass sie ihm recht gut gefielen.

      "Ich muss mich ohnehin eine Weile allein mit Baron Brass unterhalten", erklärte Maziroc. "In der Zwischenzeit sollen die Diener ein Bad für dich herrichten. Das scheinst du dringend nötig zu haben." Als er schon an der Tür war, drehte er sich noch einmal um und ergänzte lächelnd: "Ich übrigens auch, ich weiß."

      Aylon legte die Kleider zur Seite, streckte sich auf dem Bett aus und schloss die Augen. Er war nicht wirklich müde, spürte eher eine wohlige Mattigkeit. Die für ihn ungewohnt lange Reise war anstrengender gewesen, als ihm bislang bewusst geworden war. Seit er sich erinnern konnte, hatte er jede Nacht im gleichen Bett, in der gleichen kleinen Kammer in Cavillon geschlafen. In den letzten fünf Nächten jedoch hatte er sich jeden Abend an ein anderes Bett gewöhnen müssen und nicht sonderlich fest geschlafen. Und jetzt war er zu aufgeregt dazu, nach allem, was in letzter Zeit auf ihn eingeströmt war, und das zu verarbeiten ihm kaum Zeit geblieben war.

      Vor allem der Abend in Largon ging ihm nicht aus den Gedanken. Deutlich sah er das Gesicht der jungen Vingala in Harnoms Gasthaus vor sich und zum ungezählten Male fragte er sich, was eine Hexe mit einem Caer-Sharuun zu schaffen hatte. Die Ordensregeln der Vingala waren längst nicht so streng, wie die der Ishar, trotzdem hatten sie mit dem Dunklen Bund gewöhnlich nichts zu schaffen. Auch der Angriff des Damons wenig später gab Aylon Rätsel auf.

      Aylon lauschte tief in sich hinein. Das Locken, das er den ganzen Weg über gespürt hatte, war mit Erreichen Maramons nicht vollends verschwunden, wie er erst geglaubt hatte. Es war immer noch da, ganz schwach nur, und es hatte sich verändert. Es zog ihn nicht mehr in eine bestimmte Richtung, sondern war nur noch unterschwellig spürbar, eine erwartungsvolle Vorfreude auf etwas, von dem er nicht einmal wusste, was es war.

      Nach einigen Minuten kam ein Diener ins Zimmer und führte Aylon in einen gekachelten Raum, wo Wasser in Kesseln erhitzt und in einen großen Waschzuber geschüttet wurde. Aylon ließ sich Zeit und genoss das Bad. Er schrubbte nicht nur seinen Körper gründlich ab, sondern wusch auch sein Haar, das durch den Staub der Reise seinen seidigen Glanz verloren hatte und strähnig geworden war. Als er sich schließlich angekleidet hatte und in den Speisesaal zurückkehrte, fand er dort nur noch Baron Brass vor, der ihm mitteilte, dass Maziroc gegangen wäre, um sich mit einigen alten Freunden zu treffen. "Wir haben noch einige Stunden Zeit, bis das Fest beginnt. Wenn Ihr möchtet, kann Lerina Euch solange im Schloss herumführen."

      Aylon überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. "Ich möchte mich lieber etwas ausruhen", sagte er.

      Wieder in seinem Zimmer, musterte er sich kritisch in einem Spiegel. Der Anblick war ihm im ersten Moment fremd, aber nicht unangenehm. Die neuen Sachen passten wie angegossen, und Aylon kam es vor, als hätte er nicht nur das Gewand gewechselt, sondern zugleich auch einen großen Teil seiner Unsicherheit abgelegt. Es war, als hätte er einen ersten Schritt in eine neue, verlockende Welt getan. Die Vorstellung, einen geflohenen Prinzen zu spielen, erschien ihm längst nicht mehr so absurd, wie noch vor Minuten - sie begann sogar, ihm zu gefallen.

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