Schwerter gegen Bestien: Fantasy Sammelband 1026 Seiten Sword & Sorcery. Robert E. HowardЧитать онлайн книгу.
Ewigkeiten. Verschwunden ist der Glanz von Atlantis, verschwunden das düstere Reich der Lemurier. Die Völker der Steinzeit schmelzen dahin wie Frost in der Sonne. Aus der Nacht kamen wir, und in der Nacht gehen wir auf. Alle sind Schatten. Ein Volk der Schatten sind wir. Unsere Tage sind gezählt. Wölfe hausen in den Tempeln des Mondgotts. Wasserschlangen ringeln sich in unseren versunkenen Städten. Stille regiert in Lemuria. Über Atlantis liegt ein Fluch. Rothäutige Wilde bevölkern die Länder im Westen, wandern durch das Tal des Westflusses, entehren die Tempelwälle, die die Männer von Lemuria zu Ehren des Meeresgotts errichteten. Und im Süden zerbröckelt das Reich der Tolteken von Lemuria. So verschwinden die ersten Rassen. Und die Menschen des neuen Zeitalters werden mächtig.“
Der Alte nahm einen brennenden Ast aus dem Feuer und beschrieb mit unglaublich raschen Bewegungen den Kreis mit dem Dreieck in der Luft. Sonderbarerweise schien das mystische Symbol einige Augenblicke lang flammend zu bestehen.
„Der Kreis ohne Anfang“, leierte der Zauberer. „Der Kreis ohne Ende. Die Schlange mit dem Schwanz im Maul, das Universum umspannend. Und die mystische Drei. Anfang, Ruhe, Ende. Schöpfung, Erhaltung, Zerstörung. Der Frosch, das Ei und die Schlange. Zerstörung, Erhaltung, Schöpfung. Die Schlange, das Ei und der Frosch. Und die Elemente: Feuer, Luft und Wasser. Und das Phallussymbol. Der Feuergott lacht.“
Mit wilder Intensität starrten die Pikten ins Feuer. Die Flammen hüpften. Rauch quoll empor und verschwand, und an seine Stelle trat ein sonderbarer, gelber Dunst – weder Feuer, Rauch noch Nebel, sondern eine Mischung aus den drei Dingen. Die Umgebung und der Himmel schienen in den Flammen aufzugehen. Ich fühlte mich nicht länger als Mensch, sondern als ein Paar körperloser Augen.
Da begannen sich irgendwo in dem gelben Dunst undeutliche Bilder zu formen, die nacheinander auftauchten und wieder verschwanden. Ich wußte, daß es die Vergangenheit war, die da vorüberzog. Ich erkannte ein Schlachtfeld, und auf der einen Seite kämpften viele Krieger, die Bran Mak Morn glichen, bis auf die Tatsache, daß sie kampfunerfahren waren. Ihnen gegenüber stand eine Schar großer, hagerer Männer mit Bronzeschwertern und -Speeren. Galen!
Dann sah ich ein anderes Schlachtfeld, und ich wußte, daß Jahrhunderte vergangen waren. Wieder befanden sich die Galen mit ihren Bronzewaffen im Kampf, doch diesmal waren es sie, die in die Flucht geschlagen wurden. Die Angreifer waren ein Haufen riesiger, gelbhaariger Krieger, die ebenfalls Bronze verwendeten. Die Schlacht kennzeichnete die Ankunft der Briten, die der Insel den Namen Britannien verliehen.
Die darauf folgenden Bilder huschten so rasch vorbei, daß man nichts Genaues unterscheiden konnte. Man gewann den Eindruck von großen Taten und wichtigen Ereignissen, doch waren nur undeutliche Schatten zu erkennen. Einen Augenblick lang erschien ein kräftiges Gesicht mit stahlgrauen Augen und einem gelben Schnurrbart, der schmale Lippen einrahmte. Ich ahnte, daß es sich um einen anderen Bran handelte, den Kelten Brennus, dessen gallische Horden Rom geplündert hatten.
Dann trat ein anderes Gesicht an seine Stelle, das Gesicht eines jungen Mannes, hochmütig und arrogant, mit hoher Stirn, aber grausamen Zügen um den Mund. Das Antlitz eines Halbgotts, gleichzeitig jedoch das eines degenerierten Menschen.
Cäsar!
Ein Ufer im Schatten. Ein düsterer Wald. Kampfeslärm. Die Legionen zerstreuen die Horden des Caractacus.
Dann zogen rasch Bilder vom Pomp und Glanz Roms vorbei. Ihre Legionen kehrten im Triumph zurück und führten Hunderte von Gefangenen in Ketten mit sich. Man sah beleibte Senatoren und Adelige in den Bädern, bei Festen und Ausschweifungen. Weibische Kaufleute und Edelmänner gaben sich in Ostia, in Massilia, in Auqa Sulae dem süßen Leben hin.
Dann änderten sich die Bilder abrupt und zeigten, wie sich die Barbaren an den Grenzen sammelten: die grimmigen, gelbbärtigen Nordmänner, die Germanenstämme, die rothaarigen Wilden aus Wales und Damnonia und ihre Verbündeten, die piktischen Siluren. Die Vergangenheit war vorbei; Gegenwart und Zukunft hatten ihren Platz eingenommen!
Und dann unermeßliche Wirren, ganze Völker in Aufruhr, Armeen und Menschen lösten einander in rascher Folge ab.
„Rom fällt!“ Die jubelnde Stimme des Zauberers unterbrach die Stille. „Die Vandalen schwärmen über das Forum. Eine wilde Horde marschiert auf der Via Appia. Gelbhaarige Barbaren mißbrauchen die Vestalinnen. Und Rom fällt!“
Vielstimmiges Triumphgeschrei stieg zum Nachthimmel empor.
„Ich sehe Britannien unter dem Joch der nordischen Eroberer. Ich sehe die Pikten von den Bergen herabschwärmen. Ich sehe Raub, Brand und Krieg.“ Im feurigen Nebel erschien plötzlich das Antlitz Bran Mak Morns. „Heil dem Retter! Ich sehe das Piktenvolk neuem Glanz entgegengehen!
Der Wolf an der Macht
Spottet der Nacht.
Da drängt an das Licht
Von neuem ein Volk,
Ein Schatten von gestern,
Zu beständigem Ruhm.
Die Schwingen des Sturms
Verbreiten die Kunde
Rasch von der Rückkehr
Einer alten Nation.
Flieht, Wolf und Drache!
Der Pikte jetzt lacht.“
Im Osten stieg grau die Dämmerung hoch. Ihr geisterhaftes Licht erhellte Bran Mak Morns unbewegliches Gesicht. Seine dunklen Augen starrten reglos ins Feuer und sahen darin seine hochstrebenden Pläne, seine Träume von einem Reich in Rauch aufgehen.
„Was wir nicht im Kampf zu halten vermochten, haben wir Jahrhunderte hindurch mit List und Verschlagenheit gehalten. Aber die neuen Rassen erheben sich wie die Sturmflut, und das Alte muß vergehen. In den nebligen Bergen von Galloway wird sich die Nation zur letzten Schlacht sammeln. Und wenn Bran Mak Morn fällt, verschwindet das Verlorene Feuer – für immer. Aus den Jahrhunderten, aus den Äonen.“
Und bei diesen Worten bildete das Feuer eine einzige riesige Flamme, sprang hoch empor und verschwand mitten in der Luft.
Und über die östlichen Berge ergoß sich die Morgenröte.
Herrscher der Nacht
Cäsar saß auf goldenem Thron.
Seine ehernen Legionen kamen,
Zu vernichten einen Herrscher
Und eine Rasse ohne Namen.
- Das Lied des Bran –
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DER DOLCH ZUCKTE HERAB. Ein Aufschrei ging in ein Gurgeln über. Die Gestalt auf dem klobigen Altar ruckte noch ein paarmal und lag dann still. Die Feuersteinschneide drang in die Brust, und dünne Finger rissen das Herz heraus. Unter dichten, weißen Augenbrauen glühten scharfe Augen voll wilder Intensität.
Außer dem Opferpriester standen vier Männer um den Steinhaufen, der den Altar des Gottes der Schatten darstellte. Einer war von mittlerer Größe, schlank gebaut, spärlich bekleidet, und sein Haar wurde von einem schmalen Eisenreif gehalten, in dessen Mitte ein rotes Juwel glühte. Von den anderen glichen zwei dem