Schwerter gegen Bestien: Fantasy Sammelband 1026 Seiten Sword & Sorcery. Robert E. HowardЧитать онлайн книгу.
Herz schlug rascher. Dann beruhigte er sich wieder. Im ersten Augenblick hatte er den Mann für Kane gehalten, doch jetzt sah er, daß der Pirat, obgleich er dem Puritaner von der Statur her glich, in jedem anderen Hinblick sein Gegenteil darstellte. Er trug wenige, aber prächtige Kleidungsstücke und war mit einer Seidenschärpe, Silberschnallen und goldenen Troddeln geschmückt. Sein breiter Gürtel war mit Dolchen und Pistolen vollgepfropft, die mit Juwelen verziert waren. Ein mit Goldeinlagen und Edelsteinen überladenes, langes Rapier hing an einem verzierten Wehrgehänge. Von beiden goldenen Ohrringen hingen rotleuchtende Rubine herab, die zu dem braunen Gesicht eigenartig kontrastierten. Das Gesicht war schmal und grausam, auf der hohen Stirn saß ein dreieckiger Hut, und zwischen ihm und den schwarzen Brauen war ein buntes Kopftuch sichtbar. Im Schatten des Hutes glitzerten graue Augen, über dem schmalen Mund krümmte sich eine messerscharfe Nase, und die Oberlippe zierte ein Schnurrbart, der zu beiden Seiten lang herabhing.
»Ho, George, unser Gast ist erwacht!«, rief er dann. »Bei Zeus, Sam! Ich glaubte schon, du hättest ihm zu viel verpaßt. Aber er scheint einen dickeren Schädel zu besitzen, als ich erwartete.«
Die Piraten hielten mit ihren Spielen inne und betrachteten Jack neugierig oder höhnisch. Sir Georges Antlitz verdunkelte sich, und er wies auf seinen linken Arm, wo unter dem geschlitzten Seidenärmel ein Verband zu erkennen war.
»Du hast die Wahrheit gesprochen, Hollinster, als du sagtest, bei unserem nächsten Treffen würde kein Richter anwesend sein. Nur deucht es mir, daß deine räudige Haut darunter leiden wird.«
»Jack!«
Tiefer noch als Banways Hohn schnitt die verzweifelte Stimme ihm in die Seele. Jack rollte sich verzweifelt herum, und als er den Kopf verdrehte, bot sich ihm ein Anblick, der fast sein Herz zum Stillstand brachte. An einen schweren Ring an einem der Eichenpfosten war ein Mädchen gebunden – ein Mädchen, das auf der feuchten Erde kniete und ihn mit weißem Gesicht und erschreckt aufgerissenen Augen anstarrte.
»Mary – oh mein Gott!« drang es über Jacks Lippen.
Ein Chor brutalen Gelächters war die Antwort auf seinen gepeinigten Aufschrei.
»Trinkt auf das Wohl des Liebespaars!« brüllte der riesige Piratenkapitän und hob seinen schäumenden Lederbecher. »Trinkt auf die beiden, Leute! Mir deucht, er beklagt unsere Gesellschaft. Möchtest wohl gern mit dem Mädchen allein sein, was Junge?«
»Ihr Schweine!« brüllte Jack und richtete sich mit übermenschlicher Anstrengung auf die Knie auf. »Ihr Feiglinge, ihr Memmen, ihr erbärmlichen Wichte! Bei allen Göttern der Hölle ... hätte ich nur meine Arme frei! Laßt mich los, wenn ihr nur einen richtigen Tropfen Männerbluts in den Adern habt! Schneidet mich los, und ich fahre euch mit bloßen Händen an eure verdammten Hälse!
»Donnerwetter!« sagte einer der Piraten bewundernd.
»Der Junge hat auf jeden Fall Mut, das muß man ihm lassen! Und welche Sprache ... Verdammt, Kapitän, aber ...«
»Schweig!« unterbrach ihn Sir George heftig. »Hollinster, du verschwendest nur deinen Atem. Diesmal stehe ich dir nicht mit bloßem Stahl gegenüber. Du hattest deine Chance und nütztest sie nicht. Diesmal kämpfe ich mit Waffen, die deinem Rang und Namen besser angepaßt sind. Niemand weiß, wohin du gegangen bist, und warum. Und niemand wird es jemals wissen. Die See hat schon bessere Männer als dich verborgen.
Und was dich betrifft ...«, er wandte sich an das entsetzte Mädchen, »... so wirst du mir in meinem Haus eine Weile Gesellschaft leisten. Und wenn ich deiner überdrüssig geworden bin ...«
»Sieh dazu, daß du ihrer bei meiner Rückkehr in zwei Monaten überdrüssig geworden bist«, unterbrach ihn der Piratenkapitän. »Wenn ich diesmal einen Leichnam mitnehme – und der Satan weiß, daß dies eine unheilvolle Fracht ist –, so will ich das nächste Mal einen erfreulicheren Passagier an Bord haben.«
Sir George grinste säuerlich. »Na schön. In zwei Monaten soll sie dir gehören – außer sie stirbt zuvor. Knapp vor Sonnenaufgang segelst du mit den Überresten Hollinsters in einem Leinensack los und wirfst ihn so weit vom Ufer entfernt über Bord, daß er niemals an Land gespült wird. Wenn du das tust, kannst du dir in zwei Monaten das Mädchen holen.«
Als Jack dieses Gespräch mithörte, sank ihm das Herz im Leibe.
»Mary, meine Geliebte«, sagte er schwach, »wie kommst du hierher?«
»Ein Mann brachte mir eine Botschaft«, flüsterte sie erschöpft und voll Furcht. »Die Schrift ähnelte deiner, und sie war mit deinem Namen unterzeichnet. Darin stand, du wärest verletzt, und ich sollte zu dir zum Felsen kommen. Ich kam, diese Männer ergriffen mich und brachten mich durch einen langen Tunnel hierher.«
»Habe ich es Euch nicht gesagt, Meister?« rief Sam voll höhnischer Freude. »Überlaßt es nur dem alten Sam, ihn zu überlisten! Er folgte mir wie ein Lamm! Was für ein Trick – und was für ein Narr!«
»Haltet ein«, erhob ein hagerer, finsterer Pirat, offenbar der Erste Steuermann, seine Stimme. »Es ist gefährlich genug, so nahe heranzukommen, um unsere Beute loszuwerden. Was geschieht, wenn jemand das Mädchen hier findet und sie ihm alles erzählt? Wo werden wir dann die Waren los, die wir erbeuten?«
Sir George und der Kapitän lachten.
»Beruhige dich, Allardine! Du warst schon immer ein mißtrauischer Kerl. Sie werden annehmen, das Mädchen und der Junge sind miteinander davongerannt.
George sagt, ihr Vater mag den Jungen nicht. Keiner im Dorf wird die beiden je wieder sehen oder von ihnen hören, und hier werden sie niemals nachsehen. Du bist schlechter Laune, weil wir uns so weit von der offenen See befinden. Nimm dich zusammen, Mann; wir haben nicht zum ersten Mal den Kanal durchsegelt und in der Ostsee die Kauffahrer vor den Nasen der Kriegsschiffe beraubt!«
»Das stimmt schon«, murmelte Allardine, »aber ich fühle mich erst sicher, wenn ich diese Gewässer hinter mir habe. In diesen Breiten sind die Tage der Piraten gezählt. In der Karibischen See sind wir besser dran. Ich spüre Unheil in meinen Knochen. Über uns schwebt der Tod wie eine schwarze Wolke, und ich sehe keinen Durchschlupf für uns.«
Die Piraten wurden unruhig. »Halt ein, Mann! Deine Rede bringt Unglück!«
»Der Meeresboden ist ein freudloser Platz«, antwortete der andere düster.
»Sei guten Mutes«, lachte der Kapitän und hieb seinem Steuermann dröhnend auf die Schulter. »Trink einen Schluck Rum auf die Braut! Die Hinrichtungsstätte ist ein unguter Platz, aber noch liegt viel Wasser dazwischen. Trink auf die Braut! Ha, ha! Georges – und meine Braut – wenngleich das scheue Reh keine besondere Freude zu haben scheint ...«
»Still!« Der Steuermann riß den Kopf hoch. »War das nicht ein Schrei da droben?«
Alle schwiegen. Augenpaare richteten sich auf die Treppe, und Hände griffen nach den Waffen. Der Kapitän zuckte unwirsch mit den Schultern.
»Ich habe nichts gehört.«
»Aber ich. Ein Schrei und ein fallender Körper. Ich sage euch, heute geht der Tod um ...«
»Allardine«, sagte der Kapitän mit beherrschter Leidenschaft und hieb einer Flasche den Hals ab. »In der letzten Zeit bist du wahrhaftig zu einem alten Weib geworden, das sich vor Schatten fürchtet. Nimm dir ein Beispiel an mir! Mache ich mir jemals Sorgen?«
»Es wäre besser, du ließest mehr Vorsicht walten«, antwortete der Steuermann. »Du gehst die größten Risiken ein, und dabei hast du Tag und Nacht einen menschlichen Wolf auf den Fersen! Hast du die Botschaft vergessen, die er dir vor fast zwei Jahren geschickt hat?«
»Bah!«
Der Kapitän lachte und hob die Flasche an die Lippen.
»Die Spur ist selbst für ...«
Ein schwarzer Schatten fiel auf ihn, die Flasche entglitt seinen Fingern und zerschellte auf dem Boden. Wie von einer Vorahnung gepackt, erbleichte der Pirat und wandte sich langsam um. Aller Blicke richteten