Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
Zeigefinger der Linken und warf ihn mir dann zurück.
"Was wollen Sie?", fragte er. "Den Ruf unseres Hauses schädigen?"
"Hängt ganz von Ihnen ab!", erwiderte ich.
"Was Sie nicht sagen, Mister..."
"Agent Deiser."
"Wie auch immer."
"Ich möchte Mr. Torturro sprechen. Jetzt."
Der Breitschulterige grinste von einem Ohr zum anderen.
Unterhalb des linken Auges zuckte unruhig ein Muskel.
"Gehen Sie besser", versetzte er dann. Er stieß den Mixer an. "Mach den Herrn vorher einen Drink und dann geht's hinaus!"
Die Sache wurde mir zu bunt.
"Hören Sie gut zu! Entweder Sie bringen mich auf der Stelle zu Torturro oder ich lasse hier jetzt eine Haussuchung durchführen. Mal sehen, wie das Ihren Gästen gefällt, Mister!"
"Sie bluffen!", erwiderte der Breitschulterige mit einem siegessicheren Gesichtsausdruck. "Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl! Oder?"
"Den brauche ich auch nicht.
"Ach!"
"Nicht bei Gefahr im Verzug!"
Er runzelte die Stirn.
Ich legte ihm ein Bild von Norman auf den Tisch.
"Dieser Mann war vor kurzem hier - und vielleicht ist er es noch. Das ist ein gesuchter Killer. Wenn Sie ihn decken, kommen Sie in Teufels Küche..."
Der Breitschulterige nahm das Bild, sah es sich mit schmal gewordenen Augen an. Ich spürte, das es etwas in ihm auslöste. Er wurde unsicher.
"Mr. Torturro ist nicht da", versicherte er.
Orry meldete sich über den Ohrhörer.
"Unsere Leute sind eingetroffen, Murray. Keine Maus kommt jetzt noch aus dem NIGHT FEVER!"
"Gut", sagte ich laut genug, dass der Breitschulterige es mithören musste. "Dann werden wir hier mal alles auf den Kopf stellen..."
"Sie machen einen großen Fehler!", zeterte der Breitschulterige.
"Nein Sie machen einen - indem Sie diesen Mann hier decken." Ich deutete auf das Foto. "Einen Cop-Killer - neben all dem anderen, was er auf dem Kerbholz hat."
Der Breitschultrige sah mich grimmig an.
"Mr. Torturros Verbindungen reichen bis in höchste Kreise!", versuchte er mir zu drohen. "Wenn Sie hier einen Fehler machen, dann können Sie sich schonmal Gedanken über einen neuen Job machen!"
"Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen", gab ich kühl zurück.
14
Hoch ragten die Schatten der vor sich hinrostenden Krähne und Werftanlagen des stillgelegten Navy-Hafens von Brooklyn in den Nachthimmel. Sie hoben sich als dunkle Umrisse gegen das Lichtermeer des Big Apple ab.
Die ganze Stadt war voller Lichter, deren Leuchtkraft so groß war, dass man Schwierigkeiten hatte, die Sterne zu sehen. Der alte Navy-Hafen war eine Ausnahme. Ein dunkler Fleck in der ansonsten so hellen New Yorker Nacht. Seit die Navy sich mit ihren Einrichtungen aus Brooklyn zurückgezogen hatte, verfiel dieser Teil des Hafens.
Rod Vandermoore umfasste den Griff der Pistole. Er trug die Waffe in der Jackentasche, jederzeit bereit damit loszufeuern.
Schon eine ganze Weile beobachtete er die Feuerstelle.
Der flackernde Schein fiel auf die abgerissene Gestalt eines Obdachlosen.
Jetzt trat Vandermoore aus der Dunkelheit heraus.
Ein paar Meter vom Feuer entfernt blieb er stehen.
Der Obdachlose zuckte zusammen, blickte auf.
Einen Moment lang sagte keiner der beiden Männer ein Wort.
Der Obdachlose stierte Vandermoore mit einer Mischung aus Furcht und Verwunderung an.
"Verschwinde!", rief er dann. "Hier ist mein Platz!"
"Ich will ihn dir nicht wegnehmen", sagte Vandermoore mit klirrend kalt klingender Stimme.
"Was dann?"
"Du bekommst tausend Dollar..."
"Spinnst du?"
"...wenn du mir einen kleinen Gefallen tust!"
Über der Feuerstelle brutzelten ein paar Fische auf einem Rost.Der Obdachlose hatte sie im Hafenbecken gefangen. Eine einfache, selbstgebaute Angel lehnte gegen ein rostiges Ölfass.
Jetzt erhob der Obdachlose sich. Er starrte Vandermoore mit großen Augen ungläubig an.
Vandermoore deutete auf die Fische und grinste.
"Da ist doch mehr Quecksilber als Eiweiß drin! Du solltest dir endlich mal wieder was Vernünftiges gönnen!"
Der Obdachlose schluckte.
"Du willst mich auf den Arm nehmen!"
"Keineswegs!"
Ehe der Obdachlose etwas erwidern konnte, hielt Vandermoore die Hand hoch. Zwischen den Fingern steckte ein Tausend-Dollar-Schein.
"Ich mache keine Witze. Du musst mir dafür nur einen kleinen Gefallen tun..."
"Ich mache nichts mit Drogen!"
"Hat damit auch nichts zu tun."
Der Mann wurde nachdenklich. "Wo ist der Haken?"
"Es gibt keinen. In etwa zehn Minuten kommt eine Limousine. Du nimmst einen verschlossenen Koffer in Empfang und gibst dem Überbringer dafür etwas anderes..."
"Und was?"
"Das hier!"
Vandermoore warf dem Mann eine lederne Handgelenktasche zu.
Der Obdachlose fing sie auf. Sie war schwerer, als er gedacht hatte.
"Was soll das sein?"
Der Obdachlose wollte den Reißverschluss öffnen.
Vandermoore zog seine Pistole hervor, richtete den Lauf auf den Obdachlosen.
Dieser erstarrte.
"Daran solltest du nicht einmal denken!", zischte Vandermoore. "Ich werde dich die ganze Zeit im Auge behalten.
Eine falsche Bewegung und du bist Fischfutter für die Quecksilberbeulen..." Vandermoore deutete mit dem Lauf der Waffe auf die Fische. Sie waren längst auf dem Rost verbrutzelt.
Der Obdachlose schluckte.
"Ich habe wohl keine Wahl, was?"
"Nein, hast du nicht..."
Vandermoore trat an den Mann heran. Er steckte ihm den Tausend-Dollar-Schein in die Hemdtasche. Vor zwei Stunden hatte der Killer ihn einem Taxifahrer abgenommen, dem er mit einem Handkantenschlag das Genick gebrochen hatte.
Aber wenn alles gutging, dann würde er in Kürze keinerlei Geldsorgen mehr haben.
Die Batistutas mussten zahlen!
Für Vandermoores Schweigen.
Ein stilles, zynisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ein Lächeln, dass den Obdachlosen frösteln ließ.
Vielleicht werde ich sogar beides bekommen!, ging es dem Killer durch den Kopf. Einen Batzen Geld, um irgendwo in Übersee neu anzufangen - und meine Rache.
Denn die Art und Weise, in der man versucht hatte, ihn in New Jersey abzuservieren, hatte Vandermoore noch lange nicht verwunden. Glühender Hass brannte in ihm. Aber er war klug genug, sich nicht völlig von diesem Gefühl regieren zu lassen.