Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
donnerte.
Bount versuchte sein Glück mit geschickten Fragen, doch der Schwarze beachtete ihn überhaupt nicht. Mit wahrer Verbissenheit schlug er auf das Holz ein. Seine Kraft war beängstigend. Bount hatte keine Angst, und er nahm sich auch vor, aus Jim die Wahrheit herauszuholen, sobald dieser die Axt beiseite legte. Im Moment interessierte ihn aber etwas ganz anderes.
Er hatte einen Mann ins Haus gehen sehen, den er zu kennen glaubte. Mit ihm verbanden sich jedoch keine sehr erfreulichen Erinnerungen. Es handelte sich um Strother Lynch, einen Halunken, dem Bount ein paar Monate Gefängnis verschafft hatte.
Strother Lynch hatte den Privatdetektiv seither so ins Herz geschlossen, dass er geschworen hatte, ihn umzubringen, falls es der Zufall wollte, dass sie sich jemals wieder trafen. Dieser Zufall war nun eingetreten.
Strother Lynch verschwand rasch im Haus und suchte sein Zimmer auf. Er verschloss hinter sich die Tür und trat ans Fenster.
Tatsächlich! Er hatte sich also nicht getäuscht. Dieser Kerl, der da drüben bei dem Schwarzen stand, war kein anderer als Bount Reiniger, der Schnüffler. Der Mann mit den gelblichen Haaren und den katzenhaften Bewegungen verbarg sich hinter dem Vorhang. Er ballte seine Hände.
Was hatte dieser Schuft hier verloren? Suchte er ihn schon wieder? Wollte er ihm wieder etwas anhängen, wofür er büßen sollte?
Strother Lynch hatte gelernt, die amerikanischen Gefängnisse zu hassen. Er hasste jeden, der ihn wieder hineinbringen wollte. Reiniger würde das nicht schaffen. Diesmal nicht. Dafür würde er schon sorgen.
Er sah, wie der Detektiv das Haus betrat. Suchend blickte er sich im Zimmer um. Wenn der Bursche bei ihm aufkreuzte, sollte er sein blaues Wunder erleben. Er war jünger als Reiniger und deshalb vermutlich auch schneller.
Als es an der Tür klopfte, zuckte er zusammen, obwohl er damit gerechnet hatte.
„Verschwinden Sie!“, schrie er. „Gehen Sie mir aus dem Weg! Einen besseren Rat kann ich Ihnen nicht geben.“
Er ergriff einen Stuhl und stellte sich damit neben die Tür. Sobald Reiniger gewaltsam eindrang, sollte er erleben, wie gut es tat, wenn man ein aus Büffelhörnern gefertigtes Sitzmöbel über den Schädel gezogen bekam.
Es wurde ungeduldig an der Tür gerüttelt.
„So machen Sie doch auf, Mister Lynch. Ich habe Ihnen doch nichts getan. Ich suche Mister Stanley. Ist er bei Ihnen?“
„Der Teufel soll Sie holen, Reiniger. Machen Sie, dass Sie wegkommen! Oder Sie bereuen es.“
„Sorry! Sie haben meinen Namen nicht richtig behalten. Ich heiße nicht Reiniger, sondern Caan. Ich bin der Doc. Erinnern Sie sich denn nicht?“
Strother Lynch ließ grinsend den schweren Stuhl sinken. Doc Caan! Das war natürlich etwas anderes. Gegen den für seine Begriffe leicht vertrottelten Mediziner hatte er nichts.
Er drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Es war tatsächlich der Arzt. Seine Miene drückte Ratlosigkeit aus, als er sich erkundigte: „Warum schließen Sie sich denn ein, Mister Lynch? Glauben Sie etwa auch an diesen angeblichen Killer, den uns Mister Stanley einreden möchte?“
Lynchs Augen wurden eng.
„Warum sehen Sie mich denn dabei so merkwürdig an?“, fauchte er. „Ich bin kein Mörder.“
Doc Caan hob beschwichtigend die Hand.
„Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig. Wenn mir auch, mit Verlaub gesagt, der Grund Ihrer Anwesenheit auf dieser Ranch sehr fragwürdig erscheint. Aber das ist nicht meine Angelegenheit. Solange Mister Stanley Sie duldet, wird es schon seine Richtigkeit haben.“
Die Augen des Jüngeren blitzten böse, als er konterte: „Und Sie? Können Sie mir vielleicht einen vernünftigen Grund nennen, warum Sie noch immer hier sind? Mister Stanley braucht keinen Totenschein. Warum reisen Sie nicht endlich wieder ab?“
Der Arzt verzog gekränkt sein Gesicht.
„Soll ich etwa laufen? Was glauben Sie, warum ich den Rancher suche? Ich will von ihm verlangen, dass er mich zum Flughafen bringen lässt.“
„Dann lassen Sie sich nicht aufhalten. Meistens hält er sich neben dem Kamin auf, obwohl darin gar kein Feuer brennt.“
Der Doc bedankte sich für den Tipp und wollte sich zurückziehen. Strother Lynch hielt ihn am Arm fest.
„Wissen Sie, was der Detektiv aus New York hier will?“
Doc Caan nahm seine randlose Brille ab und putzte sie umständlich. Danach setzte er sie wieder auf die Nase und meinte: „Detektiv? Ich habe keine Ahnung. Ist ein Detektiv eingetroffen?“
„Er heißt Reiniger. Ich kenne ihn flüchtig. Ich meine, ich habe schon von ihm gehört. Was sucht er hier?“
„Vermutlich Stanleys Mörder.“
„Blödsinn!“
Der Doc warf Lynch einen zweifelnden Blick zu, als ob dieser nicht ganz richtig im Kopf wäre. Dann entfernte er sich.
Strother Lynch trat noch einmal ans Fenster, aber Reiniger war nicht mehr zu sehen. Auch Jim hatte die Axt beiseite gelegt und war verschwunden.
Lynch kratzte sich unschlüssig am Kopf. Dann verließ auch er das Zimmer.
6
Bount lauschte. Alles war still im Haus. Er musste diesen Strother Lynch aufspüren. Es war kein angenehmes Gefühl, den Burschen hinter seinem Rücken zu wissen. James Stanley hätte ihm dessen Zimmer zeigen können, doch der Rancher ließ sich nicht mehr blicken. Also wandte sich Bount zur Küche, aus der lebhafte Geräusche und eine melancholische Melodie klangen.
Die Tür stand offen. In der Küche agierte eine beleibte Negerin, die völlig in Gedanken versunken war, denn sie bemerkte den Neuankömmling nicht. Sie sang ein altes Spiritual. Ihre Stimme klang weich und traurig. Dazu klapperte sie mit einer Vielzahl von Töpfen und fuhr erschrocken herum, als Bount sich diskret räusperte.
Sie ließ einen Topf scheppernd fallen und griff nach einem breiten Messer, mit dem sie kurz vorher anscheinend ein Huhn geschlachtet hatte.
„Jesses!“, rief sie, und ihre wulstigen Lippen zitterten. „Haben Sie mich erschreckt.“
„Schlechtes Gewissen?“, fragte Bount lächelnd und ließ das Messer nicht aus den Augen.
Tessa wurde immer verwirrter. Sie wischte sich die feuchten Hände an der nicht mehr ganz sauberen Schürze ab und verbarg sie hinter ihrem Rücken. Mitsamt dem Messer.
„Wer … wer sind Sie, Sir?“
„Ein Gast Mister Stanleys. Kochen Sie nicht zu wenig! Ich habe einen Mordshunger.“
Wieder erschrak die Schwarze.
„Sagen Sie nicht so etwas“, bat sie vorwurfsvoll.
„Aber es ist nun mal Tatsache. Ich bin hungrig. Ich habe eine weite Reise hinter mir.“
„Mordshunger ist ein böses Wort“, beharrte Tessa. „Es macht mir Angst.“
Erst jetzt verstand Bount. Die Gute hatte ihn ein wenig zu wörtlich genommen. Er grinste.
„Nun, hübsche Köchinnen verspeise ich nur im Notfall“, erklärte er beruhigend. „Ich wollte eigentlich zu Mister Lynch. Ich schätze, da bin ich hier falsch.“
„Es sind eine Menge Leute hier, die nicht hergehören“, erwiderte Tessa unwillig. Zweifellos meinte sie damit auch ihn.
Er hatte versäumt, den Rancher genauer über sein Personal zu befragen. Tessa und Jim machten jedenfalls einen reichlich abenteuerlichen Eindruck. Falls Stanley sie nicht gut behandelte, war es durchaus denkbar, dass sie den Drang verspürten, sich gegen ihren Herrn aufzulehnen.
„Würden