Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
auf dem Tisch stehen. Mister Stanley kann sonst sehr ungehalten werden.“
Bount ahnte, dass er in diesem Haus wenige Freunde finden würde. Aber musste deshalb gleich jeder ein Mörder sein?
Er fragte sich zum Beispiel, ob Tessa Gelegenheit gehabt hatte, in Rapid City ihren Herrn mit einem auf ihn zurasenden Auto zu bedrohen. Stanley hatte ihm im Vorbeifahren die Stelle gezeigt.
Wahrscheinlicher war, dass die Haushälterin überhaupt nicht mit einem Kraftfahrzeug umgehen konnte. Allerdings war nicht auszuschließen, dass sie sich mit Jim verbündet hatte. Vielleicht konnte er diese Frage gleich an Ort und Stelle klären.
Bount hielt seine Hände so, dass Tessa sehen konnte, dass er keine Waffe darin hielt. Langsam näherte er sich ihr, und sie wich schrittweise zurück.
„Ich habe zu arbeiten!“, stieß sie heftig hervor. Sie drehte sich um, legte das Messer so neben sich, dass sie es jederzeit erreichen konnte, und zog einen Topf, in dem es brodelte, vom Herd.
„Ich heiße Reiniger“, stellte sich Bount vor. „Ich bin hier, um das ...“
Weiter kam er nicht. Tessa stieß mit einem schrillen Aufschrei den Topf vom Herd, und Bount konnte sich gerade noch durch einen beherzten Sprung vor dem kochenden Wasser in Sicherheit bringen. Die Schwarze starrte ihn entsetzt an. Abwehrend hob sie ihre Hände. Dann rannte sie aufheulend davon.
Bount folgte ihr nicht. Er ahnte, was die Frau in Wirklichkeit so erschreckt hatte. Auch ihm war der Schuss nicht entgangen. Und anschließend hatte jemand geschrien. Dieser Schrei war ihm durch Mark und Bein gegangen.
Er rannte los. Ungefähr hatte er die Richtung ausgemacht, aus der der Schuss gekommen war.
Auf der Treppe stieß er mit Leuten zusammen, denen er noch nicht vorgestellt worden war. Eine Schusswaffe trug keiner in der Hand. Das hatte Bount auch nicht erwartet.
Zwischen dem Hauptgebäude und dem Bunkhouse stieß er auf einen Mann, der am Boden lag. Es war James Stanley. Eine Kugel war ihm in die Stirn gedrungen. Der Rancher musste sofort tot gewesen sein. Doc Caan, der Sekunden später eintraf, erschrak. Dann beugte er sich über den Mann und bestätigte dessen Tod.
„Wie furchtbar“, stammelte er. „Ich wurde hergebeten, um seinen Totenschein auszustellen, und nun ist es tatsächlich notwendig.“
Bount stellte überrascht fest, dass der Rancher von vorn erschossen worden war. Dazu noch aus ziemlich kurzer Entfernung. Und das, obwohl er mit seiner Ermordung gerechnet hatte. Da er offenbar nicht den Versuch unternommen hatte, ebenfalls zur Waffe zu greifen, oder aber nicht mehr dazu gekommen war, musste er seinem Mörder in keiner Weise Misstrauen entgegengebracht haben.
Bount dachte automatisch an Jim. Er sah sich nach dem Neger um, entdeckte ihn aber nirgends.
Dafür fiel ihm ein Mann in Jeanskleidung auf, der ausgesprochen nervös wirkte. Er hatte ein verkniffenes Gesicht und versicherte gerade dem Reverend, dass er sich zur Tatzeit nicht in der Nähe befunden habe. Er sei erst durch den Schuss und den Schrei angelockt worden.
Bei den beiden Frauen, die kalkweiß bei den Ställen standen, handelte es sich mit Sicherheit um Mabel Taylor, die gekommen war, um den Rancher zu beerben, und deren Mutter Gladys.
Strother Lynch kam nur zögernd näher. Er ignorierte den Detektiv und wandte sich an den Doc.
„Ich habe keinen Wagen kommen oder abfahren hören. Der Mörder muss sich noch auf der Ranch befinden.“
Der Meinung war auch Bount. Er erkundigte sich nach dem Telefon. Es stand fest, dass umgehend die Polizei verständigt werden musste. Bis die Beamten eintrafen, wollte er seine Augen offenhalten. Er war wütend, dass er den Mord nicht hatte verhindern können, aber der Killer hatte zu schnell zu geschlagen.
Tessa sah ihn mit ihren großen Augen erstaunt an.
„Telefon? So etwas gibt es hier nicht. Jim wird in die Stadt fahren, um den Sheriff zu holen.“
Die Negerin hatte sich erstaunlich schnell von ihrem Schreck erholt, aber als einzige kam sie für den Mord nicht in Frage.
Der Gedanke, Jim wegfahren zu lassen, gefiel Bount nicht. Wenn er der Mörder war, würde er als Erstes die Tatwaffe verschwinden lassen. Je nachdem, welches Motiv er für die Tat gehabt hatte, würde er möglicherweise den Sheriff gar nicht benachrichtigen, sondern schleunigst verduften.
Dasselbe galt für alle anderen Anwesenden.
Bount wäre am liebsten selbst gefahren, aber dann hätte er die ganze Gesellschaft allein zurücklassen müssen. Und einer von ihnen war eventuell der Mörder.
Das musste allerdings nicht sein. Der Killer konnte sich auch irgendwo auf dem Gelände verborgen halten. Vielleicht schlug er ein zweites Mal zu. Vielleicht wartete er auch ab, was weiter geschah.
„Sie werden in die Stadt fahren, Tessa“, entschied er. Bei dieser Regelung konnte am wenigsten schiefgehen.
Die Frau schüttelte den Kopf.
„Ich kann nicht fahren. Ich mache jetzt das Essen.“ Sie drehte sich um und ging ins Haus zurück.
„Sind Sie jetzt eigentlich hier der Hausherr, Mister Reiniger?“, erkundigte sich der Reverend. „Mister Stanley erwähnte doch, dass Sie die Ranch kaufen wollen.“
Strother Lynch lachte gehässig auf.
„Da haben Sie sich einen Bären aufbinden lassen, Reverend. Der Bursche ist ein Berufsschnüffler. Der Teufel mag wissen, warum er hier ist. Ganz bestimmt nicht, um in dieser Einöde Rinder zu züchten. Eins aber weiß ich mit Sicherheit: Er trägt immer eine Pistole mit sich herum. Es würde mich nicht wundern, wenn eine Patrone aus seinem Magazin fehlte.“
Bount hielt mühelos seinem Blick stand.
„Wenn Sie dieses Thema schon anschneiden, Lynch, auch Sie können recht gut mit der Waffe umgehen. Ich weiß, dass Sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, was mein vorzeitiges Ableben betrifft. Ich möchte dringend davon abraten. Sie brächten sich in eine unerfreuliche Situation. Was damals geschehen ist, hatten Sie sich selbst zuzuschreiben. Suchen Sie nicht die Schuld bei anderen!“
„Aber ist es wahr, dass Sie Mister Stanley angelogen haben? Sie interessieren sich gar nicht für die Ranch?“ Reverend Pool ließ deutlich erkennen, dass er die Lüge in jeder Form für eine Sünde ansah.
Bount sah keinen Grund, noch länger Versteck zu spielen.
„Mister Stanley hatte mich beauftragt, seinen Tod zu verhindern“, erklärte er. „Er ahnte, dass er ermordet werden sollte. Es wurden schon vorher zwei Anschläge auf ihn verübt.“
„Das hat er uns gegenüber auch behauptet“, bestätigte der Doc. „Ich muss aber zugeben, dass ich ihm die Story nicht geglaubt habe. Tut mir leid. Ich habe ihm unrecht getan.“
„Wollten Sie nicht zu Stanley, kurz bevor auf ihn geschossen wurde?“, erinnerte Strother Lynch.
Doc Caan lächelte den Mann mit den gelben Haaren freundlich an.
„Das ist richtig. Warum fragen Sie?“
„Lassen Sie’s sich von dem Schnüffler erklären! Das ist schließlich sein Job.“
„Mister Lynch spricht damit einen Verdacht gegen Sie aus“, sagte Bount ruhig. „Derjenige, der als Letzter bei dem Rancher war, muss zwangsläufig auch sein Mörder sein. Oder lebte er noch, als Sie ihn verließen?“
Der Arzt lachte hilflos.
„Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihren kriminalistischen Gedankengängen nicht so rasch folgen kann. Ich bin nur ein Mediziner und kein Lieutenant. Ich wollte Mister Stanley allerdings bitten, mich zum Flugplatz bringen zu lassen, da ich meine Gegenwart hier für unnötig ansah. Schließlich habe ich in Utah eine Praxis, die ich schon zu lange im Stich gelassen habe.“
„Sie wurden aus Utah geholt,