Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
Er dirigierte Jim in seine Kammer, fesselte ihn und schloss ihn ein. Den Schlüssel zog er ab.
„Zu deinem eigenen Schutz“, erklärte er. „Ich möchte dich nicht auch noch mit durchgeschnittener Kehle finden. Der Killer hat es vermutlich gar nicht gern, dass du geplaudert hast.“
Als Nächstes wollte Bount Reiniger den größeren Fisch an den Haken locken. Er war zwar noch immer nicht hundertprozentig sicher, aber einiges sprach für eine ganz bestimmte Person. Nicht umsonst hatte er bei all seinen Gesprächen wie ein Luchs auch auf die unbedeutendste Bemerkung geachtet.
Als er bei den anderen eintraf, wurde er schon ungeduldig erwartet.
„Wo bleiben Sie denn, Mister Reiniger?“, rief der Reverend. Er schwenkte ein Stück Papier, und Bount konnte sich denken, dass es sich um die erwartete Nachricht des Killers handelte. „Den Brief haben wir auf dem Tisch gefunden.“
Bount nahm das Schreiben entgegen und studierte es. Es enthielt gleich zu Beginn die Aufforderung an ihn, seine Pistole dem Gangster Bommerfield zu übergeben, andernfalls würde wieder jemand dafür büßen müssen. Zähneknirschend trennte Bount sich von seiner Waffe.
Auch Strother Lynch musste seinen Revolver abliefern. Ihn nahm Munk grinsend entgegen.
Der Doc besaß in seinem Gepäck lediglich zwei scharfe Messer. Der Unbekannte wusste auch das. Caan musste sie holen. Einer der Gangster brach die Klingen ab.
Als das erledigt war, kam der Schreiber zum Kern: „Da mich meine hoch geschätzten Gäste bisher nicht als Menschenfreund kennengelernt haben, kann sich jeder vorstellen, dass ich die sechs Männer nicht aus reiner Nächstenliebe befreien ließ. Ich erwarte eine kleine Gegenleistung von ihnen. Es handelt sich um Spezialisten für Überfälle auf Geldtransporte. Übermorgen findet ein solcher Transport von Lance Creek nach Wheatland statt. Es handelt sich um eine Summe von ungefähr sieben Millionen. Eine runde Million für jeden der Beteiligten. Dafür, dass der Plan von mir stammt und ich die ganze Vorarbeit geleistet habe, ist mein Anteil lächerlich klein, doch ich weiß, dass man gute Arbeit auch gut bezahlen muss. Die von mir ausgesuchten Fachleute garantieren gute Arbeit. Morgen früh gebe ich genauere Hinweise zur Durchführung des Überfalls. Bis dahin erwarte ich unbedingte Disziplin. Der Plan lässt sich auch mit einer geringeren Anzahl von Beteiligten durchführen.“
Das Echo auf diesen Brief war unterschiedlich. Während die befreiten Gangster sich erfreut die Hände rieben und sich wenig Gedanken darüber machten, wer ihr unsichtbarer Boss war, erkannten die anderen, dass sie noch mindestens zwei Tage in der Gewalt des Killers ausharren mussten. Frühestens, wenn der Coup gelungen war, würde man sie freilassen.
Gladys Taylor kümmerte sich um ihre Tochter, die noch immer nicht wieder bei Bewusstsein war. Strother Lynch redete lautstark auf den Reverend ein. Palmer fand sich überraschend schnell in die für ihn neue Situation und hielt sich an Bount Reiniger, von dem er einen Gegenplan erhoffte.
Doc Caan vermisste Jim.
„Halten Sie es für möglich, dass der Schwarze das eingefädelt hat?“, fragte er beunruhigt. „Der Kerl ist verschwunden.“
Bount gab ihm ein Zeichen, sich unauffällig von den anderen zu trennen. Der Doc tat es und folgte ihm.
„Ich muss Ihnen etwas zeigen“, flüsterte Bount und stieg die Treppe hinauf. „Ich habe einen ganz bestimmten Verdacht. Falls er sich bestätigt, können wir vielleicht doch noch das Verbrechen verhindern.“
„Sie machen mich neugierig“, bekannte Caan.
Bount zog ihn in eins der nicht belegten Zimmer und vergewisserte sich, dass ihnen niemand folgte. Dann schloss er die Tür hinter sich und musterte den Doc scharf.
„Ein raffinierter Plan“, stellte er fest. „Ausgeklügelt bis zum letzten. Sie hatten recht, mir so nachdrücklich zu widersprechen. Ein Geisteskranker wäre dazu nicht fähig gewesen. Aber Sie sind ausgesprochen intelligent. Natürlich nicht klug genug, um nicht doch ein paar Fehler zu machen.“
Der Arzt zuckte nervös mit den Augenlidern.
„Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht ganz folgen kann.“
„Lassen wir das Theater, Doc! Oder sind Sie gar kein Arzt? Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Praxis in Utah genauso erfunden ist wie dieser Mister Scott, den Sie als Einziger erwähnten. Oder haben Sie Tessas Todeszeit absichtlich falsch angegeben? Ein Laie konnte sehen, dass sie schon länger als eine halbe Stunde tot war. Aber dann hätten Sie ja kein Alibi gehabt.“
Caan richtete sich auf, blieb aber ruhig.
„Ich muss mich korrigieren, Mister Reiniger. Wir haben es doch mit einem Irren zu tun. Das sind allerdings Sie selbst. Ihre Anschuldigungen sind einfach lächerlich. Es gibt genügend Gegenbeweise. Ich bin genauso ein Gefangener wie Sie. Glauben Sie, ich hätte die Geiseln auf der Ranch allein gelassen, wenn ich der Killer wäre?“
„Warum nicht? Drei Tote haben dafür gesorgt, dass niemand eine Flucht wagt. Jeder misstraut dem anderen. Im Übrigen habe ich Jim zum Reden gebracht. Dabei fand ich meine Vermutung bestätigt, dass James Stanley ursprünglich an dem Plan beteiligt war. Er vertraute Ihnen aber zu sehr. Haben Sie ihn umgebracht, weil Sie nicht mit ihm teilen wollten oder weil er Ihr einziger Mitwisser war?“
„Ihre Bemühungen, den Mörder zu finden, in allen Ehren, aber jetzt machen Sie sich lächerlich. Schließlich musste ich meine einzigen Waffen abliefern.“
„Zwei Messer, von deren Existenz nur Sie etwas wissen konnten. Außerdem nehme ich an, dass Sie über bedeutend wirksamere Waffen verfügen.“
„Was haben Sie nun also vor?“
„Ich werde Sie hier einsperren, und ich wette, dass wir morgen früh vergebens auf den angekündigten Brief warten werden. Ich denke, dass dies als vorläufiger Beweis ausreicht. Die Polizei wird die weiteren Ermittlungen führen.“
Der Doc duckte sich.
„Sie können mich nicht gegen meinen Willen hier festhalten“, zischte er.
„Ich kann Sie sogar fesseln und dafür sorgen, dass Sie nicht schreien.“
„Sie liefern mich doch hilflos dem Killer aus.“
„Keine Angst! Ich passe schon auf Sie auf.“
Bount ging auf den Arzt zu, aber dieser hielt plötzlich einen Revolver in der Hand.
„Keinen Schritt weiter, Reiniger!“, drohte er. „Sie sind auf dem Holzweg.“
Bount lachte und deutete auf die Waffe.
„Das sehe ich.“
„Den Revolver trage ich immer zu meinem Schutz bei mir. Sie glauben ja gar nicht, was man draußen auf dem Land erleben kann, wenn man zu Krankenbesuchen unterwegs ist. Aber auch sonst stößt man unversehens auf Verrückte, wofür Sie das beste Beispiel sind.“
„Dann habe ich mich wohl doch geirrt“, sagte Bount seufzend.
Im nächsten Augenblick schoss seine Handkante vor und fetzte dem Arzt die Waffe aus der Faust. Kein Schuss löste sich. Caan wollte hinterher hechten, doch Bount brachte ihn im nächsten Moment zu Fall. Er verlor seine Brille und war damit hilflos. Handschellen schlossen sich um seine Handgelenke. Auf einen Knebel verzichtete Bount. Er hatte eine bessere Idee.
„Ich werde den Gangstern erzählen, dass Sie sie um ihren Anteil betrügen wollen, was Sie wohl auch zweifellos vorhaben. Es ist also in Ihrem eigenen Interesse, dass Sie sich nicht bemerkbar machen. Sonst erleben Sie wahrscheinlich Ihre eigene Verhaftung nicht mehr. Bommerfield und Konsorten scheinen wenig Spass zu verstehen.“
Blankes Entsetzen zeigte sich auf dem Gesicht des Älteren. Bount war überzeugt, den Richtigen erwischt zu haben. Der morgige Tag würde es zeigen.
17
Der