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Das Netz ist politisch – Teil I. Adrienne FichterЧитать онлайн книгу.

Das Netz ist politisch – Teil I - Adrienne Fichter


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so kommt es denn auch. Die sozialdemokratische Regierung wird wegen ihrer Sparpolitik abgestraft. Obwohl sie mit ihren Massnahmen die Arbeitslosigkeit auf unter 4 Prozent senkte[18], den Staatshaushalt sanierte und dem Land eine neue Verfassung schenken wollte.

       Der Held ist verbannt, der böse Glámur ist wieder da.

      Die Deregulierer sind zurück. Die Konservativen übernehmen 2013 wieder das Steuer. Und bilden die alte Koalition mit ihrer alten Partnerin, der Progressiven Partei. Der neue Premierminister Sigmundur Davíð Gunnlaugsson tritt sein Amt im Frühling an.

      Die konservativen Fischbarone haben gesiegt. Und damit auch das alte Establishment. Die Arbeit von Hunderten von Bürgerinnen ist über Nacht in den Sand gesetzt worden. Ränkespiele in Hinterzimmern haben den Geist der jungen Reformbewegung getötet.

      Taktieren, lobbyieren, aufschieben – alte Traditionen haben im Althing gewonnen. Die neue Verfassung ist damit auf der politischen Agenda noch weiter nach unten gerutscht. Die Netzdemokratie: tot.

      Stillstand

      All das ist nun fünf Jahre her. Auf dem Papier existiert das Projekt Verfassung immer noch. «Es steckt seit Jahren in einem Pseudo-Komitee fest und kommt nicht vom Fleck», lacht der Parlamentarier McCarthy traurig.

      Für die liberal-linke Bürgerbewegung ist das Experiment vorerst gescheitert. Es herrscht Stillstand. Die Medien sind verstummt. Niemand redet gern über das Versagen hochgehypter Internet-Märchen.

      McCarthys politisches Engagement dreht sich heute um andere Dinge. Wie beispielsweise seine Kommissionsarbeit in der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA, über die er lieber redet. Doch der 34-jährige Pirat denkt noch bis heute jeden Tag zurück. Immer wieder spült der Facebook-Algorithmus einen Beitrag in seinen Newsfeed, der ihn an das Experiment erinnert. In dem sich eine Facebook-Freundin wehmütig nach der Aufbruchstimmung zurücksehnt.

       Der Held Grettir ist tot, Glámur hat gesiegt. An dieser Stelle könnte die Saga zu Ende sein.

      Doch man kann die Geschichte auch ganz anders erzählen.

      Aus der Blase für die Blase

      Nämlich so: Die Demokratie-Aktivisten wie Smári McCarthy lebten in einer Filterblase. Sie haben nicht bemerkt, dass sie eigentlich eine Minderheit bilden. Dass die Mehrheit der Isländerinnen nach dem Crash erschöpft war. Dass Existenzängste schwerer wogen als Verfassungspatriotismus. Dass Schulden abzahlen eine grössere Priorität für sie hatte als abstrakte Debatten über die Bodenreserven Islands. Dass eine Verfassungsänderung eine akademische Luxusbeschäftigung war, die vor allem von den Medien angefacht wurde.

      Oder sie waren, so die Meinung vieler isländischer Journalistinnen und Verfassungsexperten, verwirrt über die willkürlichen Referendumsfragen. Oder sie fanden den Dänemark-Klon eben doch nicht so schlecht.

      Was die Linken und Piratinnen jedoch am meisten unterschätzten, ist die treue Stammwählerschaft der Konservativen. Zwar ist die Ära der 45-Prozent-Mehrheiten vorbei. Doch insbesondere die Senioren halten der Unabhängigkeitspartei die Treue. Und sie verpassen keine Wahl. An der Urne werden die historischen Verdienste der Konservativen regelmässig gewürdigt: die Erlangung der Unabhängigkeit und der Aufbau der wohlhabenden Nation Islands.

       In dieser Geschichte gibt es keinen bösen Glámur. Nur einen Helden, der mit seinem Langboot einsam auf dem Polarmeer umherirrt.

      Konservative sind altehrwürdige Staatsmänner

      Altes Land, junge Nation

      Die isländische Politik ist nun noch unübersichtlicher geworden. Im Althing sitzen nicht mehr wie früher sechs, sondern neun Parteien. Regierungsbildungen sind fast unmöglich. Die Piratinnen, die in dem Chaos nach der Finanzkrise den etablierten Parteien Wähler abgejagt hatten, verschwanden wieder in der Versenkung. Heute haben sie nur noch sechs Abgeordnete.

      Die Demokratie-Aktivistinnen sind müde geworden. Doch sie bleiben optimistisch. Island ist ein altes Land, aber eine junge Nation, sagen sie. Und diese Nation wird zu ihren Ursprüngen zurückfinden.

      Revival ist möglich

      Selbst die Konservativen schlagen versöhnliche Töne an. «Wir wollen unsere eigene Verfassung, aber sie soll nicht komplett umgeschrieben werden», sagt der konservative Abgeordnete Birgir Ármannsson. Anders als die Demokratie-Aktivistinnen etwa behaupten, sei das neue «Verfassungskomitee» alles andere als untätig gewesen.

      Man habe einen «tragbaren Kompromiss» ausformuliert zur Frage der Referenden, der natürlichen Ressourcen und des Umweltschutzes. Also zu allen «heissen Eisen».

      Wieder eine Frau, wieder eine Linke, wieder eine Reformerin. Smári McCarthy hat Hoffnung. «Es zeigt sich, dass die Frauen in Island bei Demokratiefragen einfach


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