Ace in Space. Judith C. VogtЧитать онлайн книгу.
»So, jetzt. Ich will euch meine Tochter vorstellen. Danai. Das hier ist meine Kleine, und ich bin sehr froh, dass sie uns … ich würde sagen, für längere Zeit besucht.«
Absolute Stille im Hinterzimmer. Die Türen waren so gedämmt, dass normalerweise kein Laut von draußen hereinkam und die Daredevils von außen nicht abgehört werden konnten, doch Kian konnte schwören, dass es so leise wurde, dass er von draußen angetrunkenes Lachen vernehmen konnte.
»Das ist deine Tochter?«, platzte Bacon schließlich mit einer Frage in die Stille, die sonst niemand zu fragen wagte. »Ich mein, no yolo, aber sie sieht besser aus, als du je ausgesehen hast, dear!«
»Ihr Vater ist ein Snack von einem Mann, Bacon, und jetzt lass deinen SSW-Laber, oder du siehst, was du davon hast. Ich bin stolz, dass Danai in meine Fußstapfen getreten ist und Pilotin geworden ist. Wir hatten eine Weile keinen … besonders innigen Kontakt, aber jetzt ist sie hier, und ihr werdet alle boots nett zu ihr sein, capice?«
»Corp-Pilotin ist deine Kleine geworden, was? Das ist ja eine lustige Berufswahl für das Kind der berüchtigten Deardevil«, ließ Yokai mit zuckersüßem Lächeln hören. »So sieht doch keine Free-Turf-Jockey aus, oder, Snack-Häschen?«
Beide Kommentare ließen Danais Miene gefrieren, aber sie sagte keinen Ton und reagierte auch sonst nicht nennenswert.
»Danai wird bei uns mitfliegen, und Yokai, du wirst noch froh sein, wenn sie dir den Arsch rettet, Schätzchen«, sagte Marlene eisig, und alles daran, ihre Stimme, ihre Mimik, ihr Blick, brachten Kami sofort zum Schweigen. Die fuhr sich nervös über die rasierte Seite ihres Sidecuts.
»Also, wie schon gesagt«, fuhr Marlene fort, »Danai fliegt bei uns mit, sie ist ab jetzt vollwertiges Mitglied, und ihr werdet hübsch und boots nett zu ihr sein, sie ist nämlich meine Tochter.«
Bei den Worten »vollwertiges Mitglied« schoss Kians Blick zu Nean, der ihn erwiderte. Da tauchte die Braut aus dem Nichts auf und musste sich nicht einmal von der Prospect zum Vollmitglied hochdienen? Als Tochter der Queen war sie automatisch eine Prinzessin? Nean verzog ebenfalls den Mund.
»Ist sie stumm?«, fragte Eyegle und deutete auf xiese Ohren und xiesen Mund. Kian wusste, dass die Frage nicht spöttisch gemeint war, Eyegle beherrschte die im Kobeni-Gürtel übliche Gebärdensprache, weil eines xieser Kinder gehörlos war. Danai wusste das nicht und verengte zornig die Augen.
»Bin ich nicht«, sagte sie, doch es klang, als müsse sie die Worte hervorzwingen.
»Noch eine Sache. Meine Kleine hat ein bisschen was angestellt, ihr werdet sie nicht filmen und ihr Gesicht nicht streamen, und sie wird auf keinem eurer smashwit Yologram- und Pixxor- und Wasweißich-Accounts auftauchen. Nur mit Helm oder in ihrer Maschine, also zügelt euren Durst nach Likes, Hundo P? Macht es ein bisschen mysteriös, so was mögen die Follis. So, jetzt trinken wir auf dich, Liebes«, sagte Deardevil, Queen und President, und alle hoben unter dem strengen Blick ihrer Anführerin die Gläser. »Auf meine Tochter, Danai, auf ihre Aufnahme in die Daredevils, darauf, dass sie eine von uns wird. Darauf, dass wir da draußen und hier drinnen auf ihre Sechs achten und ihre Wingpals sind.«
Sie sah Danai auffordernd an. Kian fragte sich, ob sie wusste, was von ihr erwartet wurde. Die beiden waren zusammen über seine Jacke gelatscht, Marlene hatte ihre Kleine sicher draußen schon gebrieft, wie sie sich zu verhalten hatte. Trotzdem zögerte Danai.
»Auf … auf die Daredevils«, stieß sie schließlich ein wenig verkrampft hervor und stotterte beim ersten Wort. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und kippte den Woqqa, dieses Teufelszeug aus den Mecha-Werkstätten, das einem die Schleimhaut wegätzte. Kian erwartete, dass sie husten würde, während er seinen Schnaps in drei kleineren Schlucken trank, doch sie beherrschte sich und starrte ins geleerte Glas, als wolle sie allen Blicken ausweichen.
Ist sie schüchtern?, fragte sich Kian. Oder hält sie uns einfach nur für Abschaum?
Wenn Letzteres der Fall war, dann musste sie einigen Dreck am Stecken haben, um von ihrem vermutlich sicheren Corp-Turf und ihrem offenkundig gut bezahlten Job hierher unter die Jetflügel ihrer Mutter zu flüchten. Kian juckte es in den Fingern – vielleicht würde das Netz ihm etwas über eine desertierte Pilotin verraten.
Turf-Rock-Gitarrenklänge erfüllten das Loco Hana und vermischten sich mit dem Stimmengewirr, dem Geruch nach Leder, Maschinenöl, Ozon, Schweiß und Bier zur schäbigen Atmosphäre einer Jockey-Bar des Kobeni-Gürtels.
Danai fühlte sich wie in einer schlechten Webshow: Die Leute redeten hier wirklich so, gaben sich knallhart, tranken zu viel und lachten zu laut miteinander. Sie steckten die Köpfe zusammen, um die neusten Vids anzusehen, stritten sich über Ausrüstung, Tuning und Kompetenz und ahmten mit ihren Händen besonders spektakuläre Chopper-Manöver nach, die sie vermutlich beobachtet und wohl kaum selbst gewagt hatten. Leder, Tattoos, Cyberware und Druckanzüge waren allgegenwärtig. Gleich ob Jockey, Enforcer oder Mecha – im Loco Hana entspannten sie sich zwischen den Runs.
Allerdings fühlte sich der Raum seltsam falsch an. Die Art, wie sich die Menschen bewegten und wie verschüttete Flüssigkeit über Tischplatten rann – es lag vermutlich nur an der Methode, wie die Gravitation auf diesem Gesteinsbrocken erzeugt wurde. Nicht allein mittels Manipulation von Gravitonen-Feldern, nicht ausschließlich durch die eiernde Rotation des Asteroiden, in dem sich die Bar befand, sondern aus einer Kombination dieser beiden Techniken. Auch das trug zu Danais Eindruck bei, sich in einer Show und nicht in einer skurrilen Episode ihres echten Lebens zu befinden.
Die meiste Aufmerksamkeit zogen gerade zwei knutschende Typen an einem der Tische auf sich, die so heftig zur Sache kamen, dass sie von einer dabeistehenden Frau im Mecha-Overall johlend gefilmt und wahrscheinlich live gestreamt wurden. Sie hielt ihr zusammengefaltetes Tablet als Aufnahmegerät in der einen Hand, in der anderen eine Bierflasche, und sie schwankte sichtbar.
Wer tat sich so einen Scheiß im Datanet an? Danai musste sich konzentrieren, um nicht unwillkürlich mit den Augen zu rollen.
Mama drängte sich an ihr vorbei, in eine Diskussion mit einer Frau um die vierzig verstrickt, die durch ihre langen Dreads und das riesige Tattoo eines Dämons auffiel, das vorn und hinten aus dem Ausschnitt ihres schmuddeligen Tanktops lugte. Danai tippte, dass es sich um ein Viech aus der irdisch-indonesischen Mythologie handelte. Mama hatte ihr vorhin gesagt, dass ihre Vice-President Garuda hieß, und der unmissverständlich missmutige Blick, den sie Deardevil zuwarf, ließ darauf schließen, dass es sich um das angekündigte Streitgespräch handelte. Mama hatte prophezeit, dass sie ein solches würde ausfechten müssen, wenn sie einfach aus dem Nichts ihre Tochter mit ins Loco Hana brachte.
Es war schließlich nicht Bring-dein-Kind-mit-zur-Arbeit-Tag.
Danai nippte an ihrem Bier. Sie hatte sich an einen kleinen Tisch in einer Ecke des Raums zurückgezogen – natürlich saß sie allein. Smalltalk schied in einer solchen Umgebung für sie aus. Selbst wenn das alles ihr vorkam wie eine Soap-Show im Netz: Sie musste es ernst nehmen und durfte es sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen. Einer der Gründe, aus denen sie bei genau einem Glas bleiben würde. Sich hier mit diesem wahrscheinlich selbstgebrannten Woqqa-Fusel abzuschießen wäre wohl ihre schlechteste Idee, seit sie aus dem Corp-Turf abgehauen war. Immerhin schmeckte das lokale Zeug erstaunlich gut, viel besser als das charakterlose Gesöff aus der Offiziersmesse.
Aber das tröstete sie kaum über die fremde Umgebung, die unbekannten Leute, die ungewohnten Sitten und diese sexuell aufgeladene und gleichzeitig irgendwie unkalkulierbar gewaltbereite Atmosphäre hinweg. Nicht, dass sie diese toxische Proll-Attitüde nicht von der Akademie kannte, aber damals waren sie wenigstens alle Neulinge gewesen, und die Regeln wurden ihnen von den Ausbildenden ständig ins Hirn geschrien.
Zu allem Überfluss hatte Mama sie bei ihrer Vorstellung zu einer vollwertigen Jockey befördert. Danai zweifelte keine Sekunde daran, dass sie das fliegerisch verdient hatte. Sie hatte es nun mal drauf, und das wusste selbst Mama. Aber diese retardierte Bande von likesüchtigen Alkis, die sich Daredevils nannte, wusste es nicht. Eigentlich mussten Anwärterinnen eine Phase der Demütigung und Selbstbehauptung durchstehen – einer